4 Tribunal im Kanzleramt

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Der Rhein glitzerte in der Frühlingssonne. Ein Chemiefrachter glitt lautlos talwärts, ein tief liegendes Kohleschiff quälte sich gegen die Strömung. Bilski musste sich losreißen. Der Termin im Kanzleramt lag ihm im Magen. Er beschloss, die wenigen hundert Meter zu Fuß zu gehen. Der Minister hatte ihn förmlich zu dem Gespräch mit den Chefs des Inlands-, des Auslands- und des Militärgeheimdienstes in einen abhörsicheren Besprechungsraum geladen, an dessen Tür ein Schild mit der Aufschrift „streng geheim" baumelte.

Auf der einen Seite des glänzenden Edelholztisches saßen nur er und der Kanzleramtsminister, auf der anderen die drei Ankläger – er wusste, dass es so kommen würde -, die je einen Adjutanten dabei hatten. Der Inlandschef übernahm die Verlesung der Anklage. Er holte weit aus, sprach davon, dass die Dienste Dinge tun müssten, von denen Politiker nichts wissen sollten und wollten, und dass Politiker ihre eigenen Kanäle brauchten, um sich unabhängige Informationen zu beschaffen. Er lobte die lange gegenseitige Zusammenarbeit, die für beide Seiten immer wieder nützlich gewesen sei. Bilski wartete auf das „Aber".

„Aber, Herr Przybilski," wurde seine Erwartung erfüllt, „wir haben ein Problem. Versetzen Sie sich mal in unsere Lage. Sie reisen mit einem unserer Mitarbeiter nach Libyen und kommen ohne ihn wieder. Sie wissen angeblich nicht, wo er geblieben ist. Da geht bei uns ein rotes Lämpchen an. Dann sind da die Deutschen und der Grieche, mit denen Sie auch gerne Libyen fliegen und ohne sie zurückkommen. Noch ein Lämpchen.

Dann haben sich zwei meiner Leute stundenlang, was sage ich, tagelang durch Passagierlisten gewühlt. Viel unterwegs, Ihre Freunde. Noch ein Lämpchen. Und dann sehen wir, dass diese Männer sich teilen können: fliegen zur gleichen Zeit von Belfast über London nach Athen und von Dublin nach Rom. Da waren es so viele Lämpchen, dass wir nun hier sitzen."

Przybilski hatte sich seine Verteidigungsstrategie genau überlegt. Einen offenen Konflikt mit den Geheimdiensten konnte er sich nicht leisten. Ihm war aber genauso klar, dass die Dienste so viel von seinen Kontakten profitierten, dass sie eine solche Konfrontation auch nicht mutwillig suchen würden.

„Was meinen Fahrer betrifft, so habe ich erst in Tripolis von seiner Kündigung erfahren. Ich kann Ihnen aber versichern, dass er weder für die Libyer arbeitet noch für einen feindlichen Geheimdienst. Er ist kein Verräter. Ich muss Sie bitten, mir das zu glauben.

Was die anderen jungen Männer angeht, meine jungen Wilden, wie ich sie nenne, kann ich Sie nur bitten, mir nicht in die Quere zu kommen. Sie sind Nachrichtenverkäufer, nennen wir es mal so. Sie haben ein erstaunliches Netzwerk, einige der Punkte haben Sie genannt: Nordirland, England, Libyen, Griechenland. Es gibt wohl ein paar mehr. Sie kennen den Deal bezüglich des Palästinenserlagers. Nennen Sie mir eine Alternative zu dieser Informationsbeschaffung, zu der eben auch gehört, dass man manchmal falsche Spuren legen muss. Wir haben ihnen zugesagt, dass sie von unseren Geheimdiensten in Ruhe gelassen werden."

Die Geheimdienstleute hatten ihm aufmerksam und keineswegs feindlich zugehört, an vielen Stellen auch genickt. „Wer so entspannt ist, hat noch einen Trumpf im Ärmel," fürchtete Bilski. Er kam aus dem Ärmel des Auslandschefs.

„Herr Przybilski, wir sind uns weitgehend einig. Ich glaube Ihnen, dass Sie nichts von der, sagen wir mal, Kündigung Ihres Mitarbeiters wussten. Eine Sache macht mich aber nervös. Uns ist letztes Jahr schon einmal ein Mitarbeiter abhanden gekommen, und raten Sie mal, wo. Richtig, in Griechenland. Spurlos verschwunden. Kistenweise Sprengstoff und verdammt teure Funktechnik übrigens gleich mit. Mein Kollege vom MAD kann Ihnen bei Gelegenheit die Liste zeigen.

Nun raten Sie mal, wer zu der Zeit in Griechenland war. Richtig, Ihre „Informationshändler". Und nun raten Sie mal, wer uns gerade unsere geheimsten Pläne zur Sabotage der griechischen Kommunikation um die Ohren haut. Kommen Sie nie drauf. Unsere britischen Kollegen. Allerspätestens hier ergeben sich Fragen, Herr Przybilski, auf die wir Antworten brauchen."

Die richtigen Leute Band 5: Nikos ToursWo Geschichten leben. Entdecke jetzt