✨46 - Samstag✨

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Damians Sicht
Nach und nach nehmen sich die Gäste von den gebratenen Würsten, die ich neben die geschmierten Brötchen aufs Buffet gestellt habe. Ich habe mich mit meinem Drink in der Hand nach hinten aufs Sofa verzogen und beobachte das Geschehen im Raum von außen. Mittlerweile scheinen alle eingetrudelt zu sein, Corby hat sich nämlich auch endlich mal niedergelassen. Wie ich es natürlich vermutet habe, macht er sich bereits daran, Claudie schöne Augen zu machen. Die eigentlich blonde Schönheit trägt jetzt neuerdings einen Ombré Look, den sie heute erstmalig auf dieser Party zur Schau stellt. Corby scheint die neue Farbe gut zu gefallen, denn er schmachtet sie noch viel mehr an als zuvor. Ich schüttle nur den Kopf und nehme noch einen Schluck meines Drinks.

Ich komme nicht umhin, den Blick von tiefblauen Augen auf mir zu spüren, während ich trinke. Vorsichtig setze ich den Plastikbecher von meinen Lippen ab und blicke mich um. Ich habe das Augenpaar schnell entdeckt, von drüben aus dem Esszimmer lächelt mir Patty zu. Schon wieder sie? Seltsam. Sonst hat sie mich doch nie beobachtet. Oder hab ich das einfach nie bemerkt? Ihr hautenges, blaues Kleid glänzt im Licht der provisorisch angebrachten Scheinwerfer von Marco. Vom Sofa aus sehe ich es nicht genau, aber ich schätze, dass es lauter glänzende, ozeanblaue Pailletten sind, die ihr Kleid so glitzern lassen. Es ist offensichtlich, dass mein Blick sie leicht nervös macht. Abwechselnd spielt sie mit ihren Haaren oder beschaut ihre Fingernägel, um davon abzulenken, dass sie mich mit ihren Blicken auszieht. Sowas hätte ich von einem Mauerblümchen wie ihr nie erwartet! Grinsend erhebe ich mich von meinem Platz, da mein Becher leer ist. Denn unser Blickkontakt über die letzen paar Minuten wurde nicht nur durch ihr Ablenken, sondern auch hin und wieder durch mein Trinken unterbrochen.

Jetzt ist es an der Zeit, den nächsten Schritt zu wagen. Zumindest für meine altbekannte Masche. Wie sehr ich es doch vermisse, den Duft eines Mädchens zu riechen! Ich werde schon herausfinden, was sie von mir möchte. Das war noch nie schwer für mich. Ich zwinkere ihr zu und deute in Richtung Küche. Sie zwinkert zurück und ich begebe mich grinsend in den Nebenraum. Ich lehne mich gegen den mittlerweile erkalteten Herd. Mir geht eine Sache nicht aus dem Kopf: Ihre verdammte Ähnlichkeit zu Judy! Warum ist mir das vorher denn nie aufgefallen? Oder ist das der Alkohol? Es dauert nicht lange, bis ich nicht mehr allein in der Küche bin. Zögerlich gesellt sich die Schönheit im blauen Kleid zu mir. Mit etwas Abstand stellt sie sich neben mich. »Willst du auch einen Drink?«, fange ich langsam an. Sie nickt, etwas zu schnell für meinen Geschmack. Auf die Cola deutend, frage ich sie, ob ihr eine Mische recht ist. Sie nickt, sagt aber: »Bitte mit O-Saft.« Ich fülle also statt mit Cola zwei neue Plastikbecher mit Wodka und Orangensaft.

Ich reiche ihr einen der Becher, den anderen setze ich an meinen eigenen Mund. »Cheers!«, sagt sie und ich hebe bestätigend die Brauen, während wir uns beim Trinken tief in die Augen blicken. Ich exe meinen Becher, während sie nur ein Viertel am Stück leert. »Noch nicht so geübt, was?«, scherze ich, doch sie antwortet: »Ich genieße.« Schmunzelnd mustere ich sie. Mir ist vorher nie aufgefallen, was für einen Wahnsinns Körper sie hat. Ich denke eine Weile darüber nach, wie ich wohl am besten ein laufendes Gespräch beginnen könnte, da nimmt sie mir die Entscheidung schon ab: »Ich will nichts von dir, nur um das klarzustellen.« Sie zwinkert mysteriös, was mich verwirrt. »Warum schaust du dann schon den ganzen Abend zu mir herüber?«, frage ich neugierig. Sie senkt schmunzelnd den Blick und schaut in ihren Becher hinein. »Nun ja, das ist meine allererste Party. Meine Freundinnen meinten, dass man auf jeder Party mindestens mit einem Typen rummachen muss, sonst lohnt sich der ganze Aufwand mit dem fertigmachen nicht.«

Ich lehne meinen Kopf verwundert zur Seite. »Also willst du doch was von mir?« Sie lacht und hält mir den Becher hin. Ich nehme ihn und greife zum Wodka, um nachzufüllen. »Nein, nichts ernstes auf jeden Fall. Ich hab gehört, dass du für was einmaliges eine gute Wahl sein sollst, weil du noch nie was festes hattest. Stimmt doch, oder?« Sie lallt ein wenig. Ich halte kurz in meiner Bewegung inne, fahre aber nach wenigen Sekunden mit dem Nachfüllen ihres Bechers fort. Was soll denn das heißen? Spricht sich das etwa so sehr rum? »Naja kommt drauf an...«, weiche ich halbwegs aus. »Ich hätte jedenfalls nichts dagegen, wenn du mir den heutigen Abend etwas versüßt. Allerdings kann ich keine Klette gebrauchen, die mir hinterher nachschmachtet, wenn du verstehst was ich meine.« So toll siehst du jetzt auch wieder nicht aus, denke ich und reiche ihr lächelnd die nachgefüllte Mische. »Natürlich weiß ich, was du meinst.«, sage ich.

Sie grinst und streicht ihr Haar nach hinten. »Also? Wie sieht's aus?«, fragt sie mich. Es ist sehr offensichtlich was sie will, doch ich reagiere nicht wie sonst. Ich antworte nicht mit einem billigen Anmachspruch, der sie direkt verführt, sondern sage etwas, das mich selbst verwirrt: »Was genau willst du eigentlich gerade von mir?« Sie schaut verdutzt, doch entgegen meiner Erwartungen spricht sie es gerade heraus aus: »Du sollst mich flachlegen, Dummkopf.« Ich weiß gar nicht, was ich darauf antworten soll. So haben sich Gespräche für mich noch nie entwickelt, also grinse ich einfach. Ihre Art ist komplett anders, als die von Judy. Auch wenn sie vom Körperbau vielleicht ein wenig wie die süße Leseratte aus dem Wohnheim aussieht, erscheint sie mir jetzt aus der Nähe doch ganz anders. Vor allem, wenn sie spricht. Im Vergleich zu Judy hat sie ein ganz anderes Gesicht. Sie hat dickere Lippen, eine schmalere Nase und weniger dunkle Brauen. Das macht besonders klar, dass es nur eine von weitem erahnte Ähnlichkeit ist, die sie zu Judy hat.

Sie blickt von ihrem Becher zu mir auf. Ihre großen, blauen Augen fixieren mich gierig. »Und? Willst du?«, fragt sie und mustert mich. Mir wird heiß. So herum ist mir das noch nie passiert. Ich musste gerade kaum was tun. Sie will mich, und das einfach so! Ich weiß nicht genau, ob es mich mehr an- oder abturnt, dass sie so die Initiative ergreift. Ich beiße mir auf die Zunge und ringe mit mir, da sich meine dämlichen Gefühle für Judy bemerkbar machen. Ich sollte das besser nicht tun. Mit Judy läuft es gerade ganz gut und mir gefällt das irgendwie. Ich zögere wohl zu lange, denn sie sagt lachend: »Brauchst du vorher noch einen Drink? Ich hab dich anscheinend ein wenig überrumpelt...« Ich fange mich wieder und finde zu meiner Selbstsicherheit zurück. »Ja, du bist ziemlich direkt. Das gefällt mir. Ich bin das nämlich auch.«, sage ich einfach dahin, obwohl ich keine Ahnung hab, ob das wirklich wahr ist und mache uns noch zwei Shots fertig. »Cheers!«, sagt sie wieder und während wir den Alkohol aus den kleinen Gläschen runterkippen, flackert mir Judys Lächeln plötzlich vor meinem inneren Auge auf.

Mit einem kräftigen Schluck ist der Inhalt des Gläschens runter und das Bild erloschen, doch es flimmert etwas in meiner Brust nach. Ein seltsames Gefühl breitet sich nach dem Gedanken an Judy in mir aus. »Was ist los? Du schaust drein wie ein Elch.« Das bringt mich völlig aus der Fassung. »Ein Elch? Echt jetzt?« Wir müssen beide lachen. Sie hat ein schönes Lachen, auch wenn es nicht ansatzweise mit Judys vergleichbar ist. Ich verschränke die Arme vor der Brust und mustere sie noch einmal ausgiebig. Sie bemerkt es und schaut mir lächelnd in die Augen. Ich erwidere ihren Blickkontakt. Wenn ich meine Augen ein bisschen zusammenkneife, dann kommt es mir doch ein wenig so vor, als würde Judy vor mir stehen und mich innig ansehen. »Wollen wir nach oben gehen?«, frage ich, nachdem sie mich gerade buchstäblich für zwei Minuten lang mit ihrem Blick gefickt hat. »Es wäre mir ein verdammtes Vergnügen.«, sie zwinkert mir verführerisch zu.

Noch während sie sich umdreht, um voran aus der Küche zu gehen, frage ich mich, ob es ein Fehler war, auf diese Sache einzugehen. Es ist zwar die perfekte Gelegenheit, da Patty genau wie ich nur eine einmalige Sache will, doch das ist nicht der Grund, warum ich ja gesagt habe. Der ausschlaggebende Punkt für meinen Entschluss macht mir viel größere Sorgen. Warum genau stimme ich dem Angebot zu, ein Mädchen zu vögeln, was einem anderen ähnelt? Bedeutet das, dass ich ernsthaftes Interesse an Judy habe? Ist es nun wirklich so weit gekommen, dass ich Mädchen durchnehme, die aussehen wie sie? Was ist nur mit mir passiert? »Na komm endlich!«, sagt Patty und greift nach meiner Hand. Ich lasse mich ohne Widerstand aus der Küche ziehen.

Hate Trans, Love TranceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt