✨44 - Samstag✨

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Judys Sicht
Kritisch betrachten wir uns selbst in meinem Spiegel. Der Nachmittag ist wie im Flug vergangen und es ist fast an der Zeit aufzubrechen. Ich drehe mich ein wenig nach links, dann nach rechts und betrachte den schwingenden weißen Rock meines Spiegelbilds. »Meinst du, der ist zu kurz?«, frage ich Jasper, der ganz mit sich und seiner ungewohnten Frisur beschäftigt ist. »Hm? Ach was, nein. Bestimmt bist du sowieso noch bedeckter als alle anderen Mädchen dort, also keine Sorge. Die Frage ist eher: Hält diese Frisur den gesamten Abend?« Ich lache und verspreche ihm, dass dem auf jeden Fall so ist, da ich mein bestes Haarspray für ihn entbehrt habe.

Er atmet einmal durch und nickt sich selbst im Spiegel zu. Dann wendet er sich zu mir: »Judy, du siehst wirklich hübsch aus. Ich fühle mich geehrt, dass ich für heute Abend deine Begleitung sein darf.« Ich werde ganz rot wegen des unerwarteten Kompliments. »Warum auf einmal so förmlich?« Wir grinsen beide und greifen zu unseren Jacken. »Jetzt geht's endlich los!«, freue ich mich und wir schlüpfen in unsere Sneaker. »Hast du alles?«, fragt er mich und macht seine Jacke zu. Ich nicke und öffne die Tür. Wir treten in den Flur und machen uns auf den Weg zum Büro der Betreuer, um uns abzumelden. Aufgeregt klopfen wir. Nick öffnet uns und grinst: »Na, ihr Party-Hühnchen? Geht's jetzt endlich los?« Wir nicken.

»Gut. Ich wünsche euch viel Spaß, aber denkt an unsere Absprachen! Heißt, spätestens den Bus nehmen, der um Mitternacht hier ist. Und schön zusammen bleiben, habt ihr verstanden? Wenn euch was passiert, dann bin nämlich ich dafür verantwortlich.« Wir verdrehen die Augen und sagen im Chor: »Ja-ha Nick, wir haben es verstanden!« Der junge Betreuer entlässt uns mit einem Schulterklopfer und zwinkert uns noch ein letztes Mal zu, bevor wir das Büro wieder verlassen. Zügig gehen wir den Weg über den Hof entlang, ein kalter Luftzug weht um meine nackten Beine. Wir eilen schnell zum Saal, um die Bowle aus dem Kühlschrank zu holen. Der Bus kommt in zwei Minuten, das könnte ganz schön knapp werden! »Komm, mach schneller! Sonst verpassen wir den Bus!«, drängle ich ein wenig. Im Eiltempo haben wir die Schüssel aus dem Kühlschrank geholt und auf dem Weg zur Haltestelle ist auch nur ganz wenig Bowle auf Jaspers T-Shirt gelandet.

Gerade, als wir leicht außer Atem an der Haltestelle ankommen, sehen wir den Bus kommen. Grinsend klatschen wir ein. »Manno, ich hab ja jetzt schon Schweißflecken.«, stellt Jasper fest, als er seine Jacke öffnet. »Egal, passt schon. Bei schwarzer Kleidung sieht man das eh kaum.«, sage ich und wir steigen in den Bus, der vor unserer Nase die Tür öffnet. Erleichtert setzen wir uns nach ganz hinten und fixieren die Bowle sicher zwischen den Oberschenkeln meines Freundes. »Wenn die jetzt trotzdem überschwappt, dann haben wir ein dickes Problem!«, seufzt er und ich kichere: »Ach, wird schon nicht passieren.« An eine Wechselhose für den Ernstfall haben wir leider nicht gedacht.

Damians Sicht
Die ersten Leute sind schon eingetrudelt, obwohl es noch recht früh ist. Corby steht bereits bei Marco, einem Kumpel aus unserer Parallelklasse. Er ist immer für die Musik zuständig und hantiert gerade an seinem DJ-Pult herum. Seine schwarzen Dreadlocks, die ihm wie immer ins Gesicht hängen, scheinen ihn dabei nicht zu stören. Jedes Mal, wenn unser dunkelhäutiger Freund die Musik aufdreht, ist er in seine eigene Welt abgetaucht und wirkt, als hätte er den Trip des Jahrhunderts. Ich seufze und zupfe an dem weißen Shirt herum, das Corby mir geliehen hat. Es ist irgendwie ziemlich durchsichtig, was mich stört. Doch ich will mich jetzt nicht noch mal umziehen, also werd ich es schon aushalten. Zum Glück sieht Judy mich nicht so.

Es klingelt und Corby geht zur Tür. Ich kann von der Küche aus zwar nicht in den Flur gucken, doch ich erkenne schon an der nervigen, hohen Stimme, dass es Daisy ist. Natürlich sind noch mehr Mädchen dabei, aber wie immer ist die rothaarige Tante am lautesten. Es dauert nicht lange, bis Corby mit Daisy und drei weiteren Girls im Schlepptau ins Wohnzimmer zurückkehrt. Verwundert sehe ich, dass eines der Mauerblümchen aus unserer Klasse dabei ist! Was macht sie denn hier? Wie hieß sie noch gleich? Patty? Ich weiß es nicht genau, aber wow, in ihrem Cocktailkleid sieht sie Bombe aus! Ich wusste nicht, dass sie so eine super Figur hat! Jetzt sind es schon mehr als eine Hand voll Leute, die sich in Corbys großem Wohnzimmer einen Platz suchen.

Ich beschließe, die Stühle aus der Küche ins Wohnzimmer zu tragen und pfeife so, wie Corby und ich es immer tun, wenn wir einander rufen. Ich gebe ihm ein Zeichen und deute auf die Stühle. Er nickt und zeigt den erhobenen Daumen, also setze ich mein Vorhaben in die Tat um. Dabei behalte ich Patty im Auge, die sich schüchtern im Raum umblickt. Ich sehe sie heute zum ersten Mal mit Makeup. Es steht ihr überraschend gut. Ich stelle die Stühle an den Rand des Raumes, sodass es nun vier weitere Sitzgelegenheiten gibt. Es klingelt erneut an der Tür und weitere Gäste betreten das Haus. Ich komme auf noch eine gute Idee und stelle zwei Hocker aus der Abstellkammer zu den Stühlen und lege Servietten darauf. Somit funktioniere ich die hölzernen Hocker zu kleinen Beistelltischen für die Stühle um. »Perfekt, Hausmeister!«, murmle ich zu mir selbst und betrachte mein Werk. Ich zucke zusammen, als sich plötzlich Arme von hinten um mich schlingen.

»Verflucht, Daisy!«, schimpfe ich und mache mich von ihr los. Sie kichert. »Ich wollte gerade mit dir schimpfen, weil du dich nicht an unsere Absprache gehalten hast und gar kein blau trägst. Aber jetzt, wo ich dieses sexy Shirt an dir sehe... Alles vergeben und vergessen!«, raunt sie mir zu, sodass mir fast übel wird. Ich hätte mich doch noch einmal umziehen sollen, dieses T-Shirt geht nun mal gar nicht! Ich zucke erneut zusammen, weil auf einmal laut die Musik einsetzt. »Sorry!«, ruft Marco herüber und dreht die Boxen erst einmal leiser. »Na, ein Probetest muss auch mal sein, bevor es nachher richtig losgeht.«, sage ich und will mich mit diesen Worten zum gehen wenden, als sie sich erneut an mich klammert. Sie drückt sich an mich und sieht mich aus ihren großen, blauen Augen an. Ich schätze, jetzt ist wohl der Moment gekommen, an welchem ich ein für alle mal klare Verhältnisse schaffen muss, bevor mir das den gesamten Abend versaut!

Hate Trans, Love TranceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt