4- Ausflug in der Nacht

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Sicht Y/n

Ich ließ mich völlig geschafft auf mein Bett fallen.

Das alles kann nicht wahr sein!
Unser Zuhause ist eine Farm für Monster, die uns fressen wollten? Wir leben nur hier, um später zu sterben?

Ich verdeckte mit meinen Händen mein Gesicht, damit auch niemand sah, dass ich weinte.

All die Kinder hier, meine Familie, sollte ausgeliefert werden? Von MAMA?! Unsere liebe Mama?

Ich schluchzte. Gleich darauf schlug ich mir die Hand vor den Mund.

Was, wenn das jemand gehört hat?!

Ich sah mich um. Alles war ruhig. Thoma und Lanni schnarchten etwas, aber das war schon okay. Sonst atmeten alle ruhig. Offensichtlich war ich die Einzige, die noch wach war.

Ich drückte mich tiefer in mein Bett.

Unser ganzes Leben war bisher nichts als eine Lüge!

Vergeblich versuchte ich einzuschlafen, doch mein Gehirn malte sich mit blühender Fantasie aus, wie Conny und die Anderen getötet worden waren.

Erstochen? Erstickt? Erwürgt? Erschossen? Verbrannt? Erhängt? Zu hoher Blutverlust? Ich hoffe sehr, dass meine Geschwister nicht gelitten haben!

Irgendwann war ich wohl doch eingeschlafen, denn mitten in der Nacht wurde ich von einem Albtraum geweckt. Ich hatte sie alle vor mir gesehen. Conny, Hao, Ceddy und alle anderen. Sie gaben mir die Schuld für ihren Tod und fragten, warum ich denn nichts getan hatte.

Schweißgebadet schreckte ich hoch. Ein paar Mal blinzelte ich verwirrt, ehe die Erinnerungen an den Traum zurückkehrten. Tränen flossen über mein Gesicht und ich konnte sie nicht stoppen. Vor den drei Ältesten hatte ich so mutig gewirkt, doch jetzt war ich nur zerbrechlich und schwach.

„Conny...", hauchte ich leise unter Tränen.

Nein...

„Y/n?", flüsterte eine Stimme neben mir. Erschrocken drehte ich mich in Richtung der Stimme.

Huh?!

Ray im Bett neben mir, saß aufrecht und sah mich offensichtlich an. Sein Gesicht erkannte ich nicht wirklich, da es sehr dunkel war.

Verdammt! Das habe ich ja mal wieder toll hingekriegt!

„Hm?", antwortete ich und versuchte mir nichts anmerken zu lassen. Doch Ray stieg leise aus seinem Bett und setzte sich mit auf meins. „Alles ok? Warum hast du geweint?", fragte er besorgt.

Ray! Du solltest doch selber schlafen!

Ich lächelte. „Geweint? Nein, habe ich nicht, alles gut!", versicherte ich. Doch Ray war sehr schlau und merkte sofort, dass ich log.

Das könnte sich daran liegen, dass ich eine miserable Lügnerin bin. Zumindest meistens.

„Du kannst mit mir reden", meinte Ray wieder in seinem gewohnt emotionslosen Ton.

Ich kann aber nicht!

Ich grinste. „Bei mir ist alles prima. Aber du solltest dich selber nicht zu sehr überanstrengen! Du denkst die ganze Zeit nur an unsere Flucht! Wir kriegen das schon hin!", konterte ich.

Ray nickte, strich kurz über meinen Kopf und wünschte mir dann eine gute Nacht, bevor er sich wieder schlafen legte.

Puh!

Sofort, als er mich nicht mehr sah, fiel mein Lächeln in sich zusammen. Ich hielt mir mit meiner Hand den Mund zu.

Verdammt, das war knapp!

Ich legte mich wieder hin.

Ich hoffe sehr, dass Ray nichts bemerkt hat!

Ich versuchte wieder einzuschlafen, doch vergeblich. Irgendwann gab ich es auf und verließ so ruhig wie möglich das Bett. Anschließend schlich ich aus dem Raum runter in den Speisesaal, um etwas zu trinken. Dazu nahm ich mir ein Buch mit.

So, jetzt raus hier!

Auf der großen Uhr stand der Zeiger auf vier Uhr.

Es ist viel zu früh!

Ich schnappte mir ein Glas, füllte es und setzte mich an den mittleren Tisch. Ich begann zu lesen. Doch nach gerade mal mehreren Minuten, trat jemand in den Saal.

Ich erschrak fürchterlich, schlug mir aber die Hand vor den Mund, um ja kein Geräusch zu machen. „Dir geht es gut, ja klar", flüsterte die Stimme leise. „Ray?", fragte ich sichtlich verwundert, „Was machst du hier?".

Wieso ist er hier? War er etwa noch wach gewesen und hat mich gesehen und gehört?
Na toll..

„Das Gleiche könnte ich dich fragen!", konterte Ray.

Ha ha!

„Ich konnte nur nicht schlafen!", rechtfertigte ich mich. „Und du?", fragte ich neugierig. „Ich? Äh- ich habe gemerkt, wie du gegangen bist. Hätte ja sein können, dass du Mamas Spitzel bist", antwortete er monoton. Ich sah ihn geschockt an. „Mamas Spitzel? Sie hat einen Spitzel?", fragte ich schockiert.

Davon haben mir die drei Ältesten nichts erzählt!

Ray nickte. Ich ließ meinen Kopf auf die Tischplatte fallen. Dass ich da bestimmt eine Beule bekommen würde, ignorierte ich. „Nein! Du lügst! Oder?", fragte ich hoffnungsvoll. Ray schüttelte den Kopf.

Das kann doch nicht wahr sein!

„Wen- wen verdächtigst du?", fragte ich heiser. „Es könnte jeder sein", informierte mich Ray. Tränen stiegen mir wieder in die Augen.

Nein...

Ray reichte mir mein Glas. „Du solltest was trinken", meinte er, kühl wie immer. Ich rang mir ein halbes Lächeln ab und nippte am Glas.

Trotz der Tatsache, dass meine Kehle sich wie eine ausgetrocknete Wüste anfühlte, bekam ich fast nichts runter. „Wir sollten lieber schlafen gehen", meinte Ray nach einiger Zeit.

„Aber ich hatte einen Albtraum! Ich kann nicht mehr-". Ich brach ab.

Jetzt habe ich Ray verraten, dass es mir nicht gut geht. Toll gemacht, Y/n...

Ray sah mich an. „Ein Albtraum also", murmelte er. „Vergiss das schnell wieder!", verlangte ich mit etwas Verlegenheit in der Stimme.

Ray lächelte. „Egal was du geträumt hast, es ist nicht wahr! Du trägst für nichts die Schuld oder Verantwortung!", versicherte er mir.

Wow! Das hätte ich nicht erwartet, am Wenigsten von Ray! Von Emma oder Norman, okay. Aber Ray?! Soll ich mich jetzt geehrt fühlen?

Ich lächelte. „Danke", flüsterte ich und umarmte ihn zögerlich. Ray strich mir vorsichtig über die Haare. Nach einiger Zeit löste ich mich von ihm und sah ihn grinsend an. Diesmal ein Ehrliches.

Ray stand auf und hielt mir seine Hand hin. „Na komm". Er zog mich hoch und lief mit mir wieder hoch. Ich stolperte mehr oder weniger hinterher. Erst jetzt merkte ich, wie ich immer müder wurde.

Wir waren noch ein paar Gänge vom Schlafzimmer entfernt, als ich meine Arme im Halbschlaf um seinen Bauch schlang, um nicht nach vorne zu fallen, vor Müdigkeit. „Y/n, was-?", fragte Ray entgeistert, doch mich verließ bereits die Kraft. Ich konnte einfach nicht mehr. Viel zu viele Informationen und Arbeiten.

So müde....

Ray schien das zu merken, denn er ging etwas runter und nahm mich dann Huckepack. Mit mir auf dem Rücken lief er zu unserem Zimmer und legte mich behutsam ab.

„Tut mir leid, Y/n. Wir haben dich ziemlich überrumpelt", entschuldigte er sich leise bei mir. „Es tut mir wirklich wahnsinnig leid...". Doch ich schaffte es gar nicht mehr zu antworten. Ich driftete wieder ab in den nächsten Albtraum....

Tpn x Reader /The promised Neverland/Where stories live. Discover now