Dann hatte Avna ihre Aufnahmeprüfung also bestanden.

Obwohl ich mich für sie freute, ließ der Anblick meinen Mund trocken werden. Er war nämlich ein erster Hinweis darauf, weshalb die Besucher hier waren.

„Wir mussten ihn und seine Verbindung zu dieser Nachtalbin überprüfen, bevor wir seine Behauptungen unterzeichnen. Das ist schlichtweg unsere Aufgabe", fuhr die fremde Hünin an Avna gewandt fort.

„Eure Aufgabe?"

Unbemerkt von uns waren Caellis Grimlore und ihr Sohn Ian aus dem Haus auf die Veranda getreten. Die Mittfünfzigerin hatte die Arme vor dem Wasserfallausschnitt ihres Kleids verschränkt und ihre Augen blitzten die Eindringlinge wütend an. Für einen Moment konnte ich nicht anders als sie ehrfürchtig anzustarren. In ihrem schwarzen Abendkleid ragte sie wie ein Unglücksomen über uns auf.

Die Lichtalben wirkten weitaus weniger beeindruckt vom Auftreten der Grimlores als ich. Das professionelle Lächeln der Hünin erreichte ihre Augen nicht. Avna begann beim Anblick der beiden Neuankömmlinge sogar zu qualmen.

Sieht nicht so aus, als hätte die Geschichte zwischen ihr und Ian im Guten geendet, schloss ich. Die Möglichkeit, dass sie mitgekommen war, um ihren Freund zu treffen, verwarf ich somit schnell wieder.

„Wir sind im Auftrag Alfheims hier."

„Ohne offizielle Ankündigung?" Caellis Verstimmung schwang in jeder abgehackten Silbe mit.

„Wir wollten uns gerade vorstellen gehen und unser Anliegen erklären", behauptete die Hünin in einer Stimmlage, die mich an das leise Plätschern eines Bachs erinnerte. Ob das ein Hinweis auf ihre Art sein konnte?

Mondlicht bricht ihren Schleier nicht, also kann sie keine Flussalbin sein, erinnerte ich mich an Nennt-mich-Romans Artenlehre-Unterricht.

Ich war überfragt. Feststand nur, dass sie alle den Lichtalben angehörten, denn nicht nur Avna war in die leuchtende Uniform von Alfheims Schar gekleidet. Arden war der einzige Lichtalbe unter ihnen, der Jeans und Pullover trug.

„Ich bin Inspektorin Zcerjiana und das sind Agrione Avna und mein Schreiber Seth", stellte die fremde Albin sich selbst und ihre beiden Begleiter vor. Der junge Mann, der bisher in ihrem Schatten geblieben war, nickte uns bloß zu. Bis auf sein außergewöhnlich gutes Aussehen konnte ich überhaupt nichts Außergewöhnliches an ihm feststellen. „Man hat uns ausgesandt, um einen Fall von Vertragsbruch zu untersuchen."

Sie muss über Valencias Morde sprechen, vermutete ich mit wachsendem Unbehagen. Wie gut hatte der Kreis seine Verbrechen vertuscht? Konnte ich darauf bauen, dass die Lichtalben nichts finden würden, dass sie dazu brachte, die Gemeinschaft anzugreifen?

Weder an Ardens noch an Avnas Miene war abzulesen, wie ernst die Situation war. Beide mieden meinen Blick, während die Albin mit unaussprechlichem Namen fortfuhr.

„Deshalb bitte ich sie alle darum, keinen Widerstand zu leisten. Wenn wir zusammenarbeiten, können wir diese unangenehme Sache schnell hinter uns bringen."

Caellis antwortete nicht gleich; stattdessen musterte sie die Fremden mit offenem Misstrauen. Die Spannung, die über dem Platz lag, ließ mich wie von selbst Ardens Nähe suchen. Sollte es zu einer Auseinandersetzung kommen, würdes man nicht die Fremden, sondern die Gründer und Erben als Erstes beschützen. Der sicherste Ort für Arden war demnach an meiner Seite.

Wie ironisch, dachte ich bitter. Geistig war ich bereits dabei, ihn für seinen unbedachten Besuch zurechtzustutzen. Ich starrte Arden von der Seite an und wünschte mir Gedankenlesen zu können, während die Luft zwischen den Gruppen immer dicker wurde.

Die Gemeinschaft der Nachtalben - Band IIМесто, где живут истории. Откройте их для себя