Auffallend unauffällig

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Seungmins Pov:

„Komm Berry, lass uns eine Runde spazieren gehen." Einladend öffnete ich meine Zimmertür und blickte zu dem kleinen braun-weiß gefleckten Hündchen, das sich vor meinem Bett zusammengerollt hatte. Nun hob sich der schmale Kopf mit den großen Ohren und Sekunden später wedelte der Schweif freudig hin und her.

Ich lächelte und winkte ihm nochmal zu. „ Na los, komm schon."

Und als hätte es nur noch diese Bestätigung gebraucht, sprang Berry auf und hüpfte auf mich zu, bellte zweimal und rannte dann in den Flur und zur Haustür.

Mit einem leichten Kopfschütteln sah ich ihm nach und folgte ihm rasch, um mir die Schuhe überzustreifen und den Schlüssel vom Haken zu nehmen. Erneut bellte Berry und sprang an der Tür hoch, als könne er es kaum noch abwarten nach draußen zu kommen. 

Gerade in dem Moment als ich die Hand auf die Türklinke legte, streckte mein Vater seinen Kopf aus dem Wohnzimmer und knurrte dann mit wütender Miene: „Bring diesem Köter endlich Manieren bei und sorg dafür, dass er ruhig ist. Sonst kann er draußen schlafen." Dann schlug er die Tür zu und ich stand immer noch wie angewurzelt und ein wenig eingeschüchtert da. Klar, es war noch echt früh am Morgen, gerade mal um sieben, aber man musste doch nicht so schlechte Laune haben, nur weil ein Hund mal bellte.

Erst als Berry sich gegen mein Bein drückte und mit einem leisen Winseln meine Aufmerksamkeit forderte, erwachte ich aus der Starre und schüttelte traurig den Kopf. „Tut mir leid, Berry. Mein Vater hat es nicht so gemeint." Ich ging in die Hocke, strich dem Hündchen über den weichen Kopf und seufzte dann abgrundtief.

Mir war nur allzu bewusst dass mein Vater keine leeren Drohungen machte. Seit er sich so heftig mit Mama gestritten hatte, war sie kaum noch zuhause und irgendwie lief in den letzten Wochen deshalb alles schief. Ich versuchte schon so unauffällig wie möglich zu sein, doch mir gelang es nicht, jeden Streit zu umgehen und es zehrte nur noch an meinen Nerven.

Aber jetzt richtete ich mich wieder auf, straffte die Schultern und öffnete die Haustür. Augenblicklich sprang Berry die wenigen Stufen zum Vorgarten hinab und tollte über die Wiese. Er rannte einmal bis zu den Blumenbeeten unserer Nachbarin, dann zurück zu mir, sprintete zwischen meinen Beinen hindurch und raste dann zum gegenüberliegenden Zaun. Dort machte er Halt, bellte einmal und lief dann mit wedelndem Schweif und hechelnd zurück zu mir.

„Du bist ja schon ausgepowert, bevor wir überhaupt losgelaufen sind", kicherte ich und öffnete dann das hüfthohe Tor zur Straße hin. Ich hatte immer noch keine Leine für Berry, aber er folgte mir so brav und hörte auch wenn ich ihn zurückrief, sodass ich mir nie Sorgen machte dass ihm etwas passieren könnte. Außerdem war er ja ein sehr taffes kleines Hündchen, auch wenn er seine wahre Stärke nicht zeigen konnte.

So sah ich ihm nur grinsend nach, als er einige Meter vor mir lief und an den Büschen und Laternenmasten schnupperte, wie es wohl jeder andere Hund auch tun würde. Ich selbst erlaubte mir den Luxus an gar nichts zu denken und auch die Ereignisse der vergangenen Zeit spukten mir endlich nicht mehr durch den Kopf. Allmählich konnte ich nüchtern auf alles blicken und verstand die meisten Dinge, die Chan mir erklärt hatte. Zwar fühlte ich mich nicht hundert Prozent sicher vor allem, aber das war wohl ein vergleichsweise geringer Makel gegenüber der bereits ausgestandenen Angst.

Plötzlich wurde ich jedoch aus meinem friedlichen Spaziergang gerissen, da Berry laut bellte und dann einfach losrannte als habe ihn etwas aufgescheucht. Verwundert blickte ich ihm nach und entschied mich dann dafür, ihn zurückzurufen.

„Berry, stopp! Komm zurück!" Doch diesmal hörte er nicht auf mich, immer noch laut bellend und in schnellen Sprüngen bog er in die nächste Seitenstraße ein und auf einmal war ich doch etwas nervös. Erstens weil ich nicht einschätzen konnte, was den Hund so aufgewühlt hatte, andererseits weil ich nicht wusste, was ihm passieren könnte, wenn ich nicht dabei war. Also beschleunigte ich meine Schritte und hastete ihm nach. Ich bog um die gleiche Ecke mit den hohen Ligusterhecken und hielt dann in meinem Lauf inne.

Dancing with DemonsWhere stories live. Discover now