[ 9 ]

160 6 0
                                    

Es vergingen ein paar Tage, ohne dass ich Derrick oder Bole sah. Ich verbrachte die Zeit in der Bibliothek und verschlang ein Buch nach dem Anderen. Die Geschichten brachten mich auf andere Gedanken und holten mir für eine Zeit aus meinem trostlosen Alltag, nahmen mir allerdings auch meine Wut ab und ich fühlte mich nicht mehr so elendig. Malfoy hatte nicht weiter mit mir geredet und ich ignorierte ihn, so weit es mir möglich war. Am Abend teilte er mir mit, ich sollte den gesamten nächsten Tag auf meinem Zimmer bleiben. Endlich gab es also wieder eine Versammlung. Zu meinem Glück vergaß er mittlerweile öfters meine Tür zu verschließen, so auch diesen Morgen nach dem Frühstück. Ich schlich mich auf den Flur und lief zur Treppe. Von hier oben hatte ich den perfekten Überblick über die Eingangshalle und erblickte sie schließlich. Die beiden standen neben dem Türrahmen, der in einen großen Flur führte.

Ein gerissenes Grinsen stahl sich auf Derricks Gesicht, als er mich auf sie zukommen sah. „Hallo Kleines", begrüßte er mich mit rauer Stimme. Ich nickte lächelnd, sein Arm wanderte gleich zu meiner Taille und er zog mich zu sich ran. Es widerte mich an, aber ich durfte mir nichts anmerken lassen. Ein paar Minuten führten wir belanglosen Smalltalk. Plötzlich tauchte Malfoy auf, er stoppte und starrte mich an. Dann kam er schnellen Schrittes auf uns zu. Das würde jetzt Drama geben. „Snape will dich sehen", kam es zu meiner Überraschung nur von ihm. Er packte mich am Arm, den beiden Jungs warf er einen abwertenden Blick zu, ehe er mich hinter sich davon zerrte. Derrick ließ mich nur widerwillig los, wodurch Malfoy mir gefühlt fast den Arm ausriss. Ich versuchte mich aus seinem Griff zu entziehen, jedoch ohne Erfolg. Und so platzen wir in das Zaubertränke Zimmer von Snape, welcher uns leicht irritiert ansah.

„Kann ich euch beiden helfen?", fragte er gerade heraus. „Winters würde gerne helfen mit den Tränken, sie hat sich nur nicht getraut zu fragen", mit diesen Worten schubste er mich in den Raum rein und schloss die Tür von außen. Snape schaute mich ebenso verwirrt an, wie ich ihn. Was hatte Malfoy nur für ein Problem. Als ich mich meinem alten Professor gegenüber erklären wollte, drückte mir dieser eine große Kiste entgegen. „Die Behältnisse müssen gesäubert werden und anschließend können sie wieder verwendet werden", mit einer Handbewegung deutet er auf eine Menge Kräuter und Flüssigkeiten, die durcheinander auf einem der Tische standen. Stumm fing ich an die alten Gläser und Phiolen zu säubern. Ich hatte kein Problem mit Snape und von den hier Anwesenden war er mir immer noch am liebsten. Somit vergingen einige Stunden, das kleine Zimmer sah wesentlich organisierter und ordentlicher aus als vorher. Mit einem Blick auf die Uhr war es Zeit für das Abendessen. Somit war es diesmal Snape, welcher mich zum Speisesaal eskortierte. Eine willkommene Abwechslung.

Malfoy würdigte mich nicht eines Blickes und wie immer verbrachten wir alle ein schweigsames Mahl. Anschließend war es wieder seine Aufgabe, mich zurück zu meinem Zimmer zu begleiten. Irgendwie musste ich mit ihm reden, sein komisches Verhalten ruinierte noch meinen gut durchdachten Racheplan. In meinem Zimmer angekommen, drehte ich mich zu ihm um. „Was zum Pfeffer ist dein verdammtes Problem, Malfoy!?", meine Stimme klang harscher, als ich es beabsichtigt hatte. Doch er hatte es verdient. Sein Blick verfinsterte sich, er schloss die Tür und stand nun genau vor mir. „Ich habe dir gesagt, du sollst dich von diesen Leuten fern halten", zischte er mich an. „Es kann dir doch egal sein, mit wem ich rede und mit wem nicht. Und endlich seh ich mal ein paar andere Gesichter", rechtfertigte ich mich. Ich war ein paar Schritte rückwärts gegangen, er stand mir eindeutige viel zu nahe.

„Keine Ahnung ob du naiv oder einfach nur dumm bist, aber diese Leute sind ein schlechter Einfluss, sie haben kein Gewissen, sie machen, was sie wollen. Man kann keinem trauen. Nicht einmal untereinander vertrauen sie sich", seine Stimme war zornig, aber bedeckt, damit ihn keiner auf dem Flur hören konnte. Seine Augen funkelten mich böse an, sein Ausdruck war so kalt und doch sah er aus, als würde er gleich explodieren.
Auch in mir stieg die Wut hoch, obwohl sie nie wirklich verschwunden war seit diesem einen Morgen. „Du redest über sie, als wären sie die schlimmsten Monster überhaupt, aber du vergisst eins, Malfoy", ich spuckte ihm seinen Namen geradewegs ins Gesicht. „Du bist genauso wie sie. Also mach nicht einen auf unschuldiges Lamm." Er kam schnellen Schrittes auf mich zu, ich wich weiter zurück, bis ich die Wand in meinem Rücken spürte. Seine rechte Faust landeten gezielt neben meinem Kopf, ich konnte das Knacken seiner Knöchel beim Aufprall auf der Mauer deutlich in meinem Ohr hören. „Wage es nie wieder, mich mit denen zu vergleichen", seine Stimme brodelte vor Wut, er stand ganz nah vor mir. Seine Augen funkelten mich voller Hass und Zorn an, sein Gesicht hatte sogar eine leichte Zornesröte angenommen. Ich drehte meinen Kopf zur Seite, ich konnte ihn nicht ansehen. Mein Herz pochte wie wild und meine immer noch aufkeimende Wut wurde mit einem weiteren Gefühl gemischt - Angst.

Ich hatte diesmal tatsächlich Angst vor Draco Malfoy. Mein Atem zitterte, er war ein Stück größer als ich, breit gebaut und muskulös. Von oben herab sah er mich so hasserfüllt an, seine Haltung war angespannt, er war mir so nah, ich konnte seinen Atem auf meiner Wange spüren. „Ich sage es dir noch ein letztes Mal, halte dich von ihnen fern", seine Stimme war nur ein gedecktes Flüstern, aber noch immer bebte sie vor Zorn, er klang richtig bedrohlich.
Doch nun war ich diejenige, die ihre Stimme ebenfalls wiederfand. Ich schaute ihm tief in die Augen, eine kleine Wutträne lief über mein Gesicht. Mein Atem ging stoßweise, meine Stimme zitterte, aber dennoch redete ich unbeirrt drauflos. „Halt dich aus meinen Angelegenheiten raus, Malfoy, es geht dich zur Hölle nichts an." Ich presste meine Lippen aufeinander, doch hielt seinem Blick weiter stand. „Was willst du von ihnen?", knurrte er mich an. Ich wiederum schaute ihn nur stumm an. Er stütze seinem anderen Arm ebenfalls an der Wand neben mir ab. Dadurch drehte er sich wieder direkt vor mich, unsere Nasenspitzen waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. „Was. Willst. Du", seine Stimme klang noch bedrohlicher als vorher. Seine zornigen Augen ließen mir einen Schauer über den Rücken laufen. Ich presste mich enger gegen die Wand, ich wollte weg von ihm.

„Wenn es jemanden gibt, der gerne Muggel quält, ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen, dann ist es jemand, den ich in diesem Haus - unter diesen Leuten hier - finde", flüsterte ich schließlich zornig. Meine eigene Stimme klang so fremd, sie war so hasserfüllt, wie ich sie noch nie gehört hatte. Aber ich hatte auch noch nie so viel Hass für eine Person empfunden. Für eine kurze Sekunde schlich sich ein überraschter Blick auf Malfoys Gesicht. Aus irgendeinem Grund hatte ich das Bedürfnis, mich zu rechtfertigen. „Wären sie nicht gewesen, hätte ich meinem Vater helfen können und diese ganze Scheiße hier wäre vielleicht nie passiert."
Malfoy lachte emotionslos auf, ehe er mich abwertend anschaute. „Denkst du wirklich, DU hättest irgendwas ausrichten können? Belüg' dich nicht selbst Winters. Du wärst genauso gestorben wie deine Mutter." Ich zuckte bei seinen Worten leicht zusammen. Dann starrte ich ihn geschockt an. Meine Wut war auf einmal wie verflogen, mein Magen krümmte sich und mein Herz zog sich so eng zusammen, wie noch nie. Tränen sammelten sich in meinen Augen und schon lief die Erste über mein Gesicht.

Auch aus Malfoys Gesicht war der Zorn verschwunden, sein Ausdruck war so kalt wie eh und je. Seine Haltung entspannte sich, er richtete sich gerade auf und machte auf dem Absatz kehrt. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, verließ er mein Zimmer und verschloss die Tür. Ich rutschte langsam an der Wand hinunter, umschlang meine Beine und fing bitterlich an zu weinen. Mein Körper zitterte wie verrückt und bebte immer wieder durch meine Schluchzer.

HopeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt