Unsere Herzen schlugen im Einklang, waren sich ebenfalls so nah. Ein unüberwindbarer Herzensschritt entfernt.

Noch etwas fester presste ich mich an, um so viel von ihm wie möglich zu berühren. Mein Atme war unnatürlich schnell. Sauerstoff raste durch mein System, suchte Halt, doch wurde ohne Umschweife verwendet.

Eine seiner Hände löste sich von meinem Rücken und legte sich auf meinen Hinterkopf. Verzweifelt schloss ich meine Augen, komplett von ihm eingenommen.

„Taehyung.", raunte eine aufgebrachte Stimme. Beinah überhörte ich sein Schluchzens durch die Laute meines Pulses. Etwas entfernte ich mich von ihm, um in sein Gesicht sehen zu können. Ich musste mich vergewissern. Wissen, ob es eine Illusion meiner Eingebung war.

Regen perlte von seinem Gesicht, kam von seinen roten Augen aus. Er weinte.

Sobald ich das erkannte, versteckte ich mein Gesicht wieder hinter seinen Rücken. Ich wollte nicht das er meinen Ausdruck sah.

Jungkook weinte nicht, für nichts und niemand. Seit dem Tod seiner Mutter nicht mehr. Er weinte nicht. Es konnte nicht sein. Eine Lüge, das war es. Eine weitere Lüge, ein weiterer Verrat. Es musste so sein, anders gab es keine Erklärung. Meine Augen widerstanden den Tränen selbst nicht länger. Wie Perlen fiel Flüssigkeit von mir herab, aber kein Ton löste sich von meinen Lippen. Ich wollte den Schutz seiner Arme nicht verlassen, den Moment. Ich wollte ihm glauben und das Vergangene aus meinem Gehirn schmeißen, doch es funktionierte nicht. Ich konnte nicht einfach vergessen.

„Es tut mir leid, Taehyung, all das. So hätte es nicht laufen sollten, das weiß ich und wenn ich könnte-" Mein Mund öffnete sich, aber keine Worte ließen sich bilden. Wie gerne würde ich ihm versichern: Alles ist gut, keine Sorge, es ist okay. Es saß in meiner Kehle fest, die Lügen, die ich beinah erzählte und mich nicht hätten besser als ihn gemacht.

„Es war nur so viel Druck. Ein ganzes Land, mein Vater, vertrauten auf mich. Ich dachte, ich könnte es, die Rolle des Thronprinzen übernehmen und mein Glück für meine Leute opfern, doch das will ich nicht länger." Heftig schüttelte sich sein Kopf. Mitten in der Bewegung hielt ich ihn fest, sanft verlor sich meine Hand in seinem Haar. Dunkels windverwehtes nasses Haar. Jungkooks Haar.

„Du bist meine Welt, Taehyung und wenn ich mich jetzt entscheiden müsste, wärst du meine erste Wahl." Zu spät. Wochen zu spät, eine halbe Weltreise zu spät. Trotzdem konnte ich nicht aufhören, ihn gedanklich anzubetteln. Rede weiter, gib mir einen Grund, dir zu verziehen, die Zeit rückgängig zu machen.

„Ich weiß, es ist vermutlich zu spät, ich weiß, ich habe dein Vertrauen gebrochen." Ich hörte den Schmerz in seiner Stimme. Er kullerte von seinen Wangen, fing sich in seinen Schluchzern dazwischen. „Ich bin nicht hier, um dich erneut einzufangen. Mein Plan war nie dich erneut zu entführen, den Fehler habe ich einmal begangen und nie wieder. Ich bin hier, um dir mein Leben zu schenken."

Hastig atmete ich ein, verschluckte mich an der Luft. „Was immer dein Urteil über mich ist, ich werde mich nicht dagegen sträuben. Aber ich werde dich nicht wieder gehen lassen, lieber bevorzuge ich den Tod. Ich kann es nicht. Sperr mich ein, behandle mich wie ein Haustier, köpfe mich, ich gehorche, aber bitte lass mich bei dir sein." Mein Herz schlug im Rhythmus mit dem Fallen des Regens. Er hielt sich an mir fest, als würde ich nicht selbst bald zusammenfallen. Ich musste mich lösen, ich musste denken. Denke, befahl ich mir. Finde eine Lösung. Kämpfe dagegen. Erst gerade wurde ich zu einer eigenständigen Person und nun war ich wieder hier, an dem selben Punkt wie all die Jahre zuvor, abhängig.

Die Narbe auf meiner Brust brannte, machte auf sich aufmerksam.

„Jungkook!", Jimins Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Der Dunkelhaarige löste sich von mir, als ich den Blick in seine Augen wagte, erkannte ich den Ausdruck in diesen: Dunkelheit. Der Blonde stürmte auf den Balkon, die Hand an der Seite. „Eindringling!", rief Jimin so laut, wie er konnte. Er quetschte sich zwischen uns, aber Jungkooks Augen blieben an mir hängen. Er tat nichts, bewegte sich nicht, selbst dann, als die Soldaten ihn auf seine Knie zwangen.

Sofort kam mir unser erstes Treffen ins Gedächtnis. Das erste Mal als wir uns begegneten. Ein Plan nur um mich zu täuschen, ich war immer das Ziel gewesen, niemals nur ein Mitbringsels immer der Gefangene.

Ich ließ sie machen, sah zu, wie sie ihn mitnahmen. Mein Gesicht spiegelte meine Emotionen nicht wieder, konnte es gar nicht, zu verwirrend waren sie. Die Wachen transportierten ihn gefesselt von dem Balkon. Schon wieder war er verschwunden. „Alles okay, Taehyung? Ich hätte nicht gedacht, dass er bereits hier sein könnte, dass er überhaupt einen Weg ins Königreich finden könnte. Ich hätte dich nicht alleine lassen sollen. Entschuldige.", er brabbelte. Redete zu viel, füllte meinen Kopf noch mehr mit zusammunghanglosen Wörtern. „Alles gut." Ich wollte ihn beruhigen, still stellen, womöglich auch los werden.

Seine Hand berührte meinen Rücken, ich zuckte zusammen. Mit einem kleinen Schritt nach vorne fiel sie von mir. Er bemerkte meine Zerstreutheit und räusperte sich. „Ich warte vor dem Zimmer." Damit verließ auch er den Balkon. Nun war ich wieder alleine mit dem Regen.

Ich legte meinen Kopf in den Nacken, tropfen zischten an meinen Augen vorbei.

Ein Schrei löste sich von meinen Lippen, flog mit dem Wind. Warum war die Welt so wie sie war? Ich konnte sie nicht ertragen. Warum konnte ich nicht einfach jemand anderes sein? Warum durfte ich nicht glücklich sein?

All das war so viel. All die Gedanken, die mich nicht verschonten, all die Erinnerungen und Erwartungen.

Der Regen hatte sich an meiner Kleidung festgesaugt. Wasser tropfte von meinem Haar und hinterließ seine Spuren auf meinem Gesicht. Für eine Weile stand ich so auf dem Balkon.

Dann ging ich ins Innere und schloss die Tür hinter mir.

Fröhliche Weihnachten! <3

𝐅𝐨𝐮𝐫 𝐒𝐲𝐥𝐥𝐚𝐛𝐥𝐞𝐬 (𝖳𝖺𝖾𝗄𝗈𝗈𝗄)Where stories live. Discover now