8. Bandprobe

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8. Kapitel - Bandprobe

Noch ehe Zack seine Haustür erreicht hatte, war Jack bereits erneut im Keller verschwunden. Anfangs wollte er noch mit zur Tür, entschied sich dann jedoch dagegen. Er wollte die wenige Zeit, die ihm in der Einsamkeit blieb, gut nutzen. Solange die drei noch nicht da waren, konnte er sich ungestört seiner Leidenschaft hingeben.
Er stöpselte seine alte E-Gitarre erneut ein und spielte ein wenig darauf. Einige seiner alten Songs, die er vor dem ganzen Trubel um das Schulsprecheramt geschrieben hatte, konnte er noch immer spielen. Es fühlte sich an, als wäre es erst gestern gewesen. Er erinnerte sich daran, wie es sich angefühlt hatte, in einer Band zu spielen und wie unendlich glücklich er damals gewesen war. Es war alles so viel einfacher gewesen. Er trug keine Verantwortung und musste nicht zu irgendwelchen bekloppten Besprechungen oder sich um sinnlose Kinderstreitereien kümmern. Das einzige, was ihn interessierte, war die Musik. Das einzige, was er je machen wollte, war Musik. Es war sein Lebensinhalt! Nie wollte er studieren, vor allem nicht so was langweiliges wie Jura. Was um Himmels willen hatte ihn nur dazu bewogen, sein Leben komplett umzukrempeln? Für diesen einen Moment vergaß er es. Doch so schnell er es vergessen hatte, so schnell holte ihn die Realität auch wieder ein. Es war ein Versprechen, welches er abgeben musste. Jeden Tag wurde er aufs Neue an dieses erinnert. Jeden Tag, an welchem er Gabe mehr und mehr verlor. Er spürte, dass dieser ihm entglitt. Er fühlte, dass etwas bei ihnen beiden nicht mehr stimmte.
Nur allzu gern erinnerte er sich daran zurück, wie sie sich beide kennen lernten. Damals, als er noch nicht so viel Zeit in die Schule investiert hatte, brauchte er dringend einen Nachhilfelehrer, um in Spanisch nicht durchzufallen. Doch das hatte ihn nicht interessiert. Lieber war er in seiner zweiten Heimat: dem Skaterpark. Seine Mutter hatte ihm einen Nachhilfelehrer besorgt. Eigentlich hatte Jack damals vor einfach abzuhauen und seine Mum mit diesem tollen Nachhilfelehrer sitzen zu lassen, jedoch kam wie sooft alles anders als gedacht.

Jack schlich mit seinem Skateboard in der Hand und auf leisen Sohlen zur Haustür. Sein Plan war es, einfach vorne abzuhauen. Was sollten ihm Spanischkenntnisse schließlich bei einer Musikerkarriere helfen? Außerdem wartete Zack bereits auf ihn! Jack öffnete die Tür und vor ihm stand er. Jack starrte ihn wie ein Ölgötze an und schluckte schwer.
"Hi, ich bin Gabriel.", lächelte dieser ihn an. Jack spürte, wie sein Herz ein wenig schneller zu schlagen schien.
"Wollen wir mit dem Spanischunterricht gleich anfangen?", fragte Jack verlegen.
"Ähm... eigentlich bin ich dein neuer Nachbar, aber wenn du möchtest kann ich dir auch spanisch beibringen. Am liebsten mag ich die Praxis, wenn du verstehst", zwinkerte ihm sein gegenüber zu. Augenblicklich errötete Jack vor Scham. Kurze Zeit später kam auch Jacks Mutter zur Tür, welcher sich Gabe höflichst vorstellte. Kurz darauf hatte Jack nicht nur gute Noten in Spanisch, sondern auch eine heiße Affäre, aus welcher sich schnell eine echte Beziehung herauskristallisierte. Sie hielten aufgrund der großen Homophobie ihre Beziehung anfangs geheim. Mittlerweile hielten sie diese nur wegen Jacks Onkel geheim. Oft hörte Jack Gerüchte, welchen nach Gabe immer mal wieder mit dem einen oder der anderen eine Affäre haben sollte. Doch viel gab er auf diese Gerüchte nicht. Es waren schließlich nur Gerüchte.

"Unglaublich, du kannst ja tatsächlich noch fühlen und Gitarre spielen, Jackie", hauchte ihm Alex in sein Ohr. Augenblicklich breitete sich Gänsehaut auf seinem gesamten Körper aus. Dieser Junge, den er schon seit so langer Zeit verfluchte, war es, der ihn in die Realität zurückholte. Alex spürte Jacks schwere Atmung und hoffte zugleich, dass Jack nicht seinen schnellen Herzschlag spürte. Sie beide fühlten sich dem jeweils anderen noch nie näher als in diesem Augenblick. Schon seit ihrer Kindheit mussten sie zwangsweise Zeit miteinander verbringen. Schon seit dieser Zeit hatten sie beschlossen, den jeweils anderen nicht zu mögen. Anstatt einer von ihren Eltern erhofften Freundschaft, entwickelte sich eine tiefe Feindschaft. Den einzigen, den sie beide mochten, war Daniel. Nur für diesen spielten sie immer wieder gute Miene zum bösen Spiel. Zumindest bis sie sich beide mit Zack anfreundeten. Im Alter von 8 Jahren war das Trio unzertrennlich, wobei Jack immer wieder Gerard mit einband. Dadurch wurde aus dem Trio ein Quartett, was einige Jahre bestand hatte. Allerdings zerstritten sich Jack und Alex, als Jack 12 Jahre alt war. Danach war nichts mehr wie zuvor.
Dieses Mal brauchten sie Daniel nicht als Streitschlichter. Nein, dieses Mal war es anders. Jack blickte Alex tief in die Augen und für einen kurzen Augenblick fühlten sie sich beide bei dem jeweils anderen geborgen. Es war nur ein kleiner Abstand zwischen ihnen beiden, den einer von ihnen überwinden müsste, um die Lippen des jeweils anderen mit den eigenen zu berühren. Tausend Gedanken gingen Alex durch den Kopf. Er war nicht schwul. Noch nie hatte er sich zu einem anderen Jungen hingezogen gefühlt. Er stand schon immer auf Mädchen, oder nicht? Das war doch der einzige Grund, warum er in dieser Band spielte und mit seinen Kumpels auf der großen Bühne spielen wollte. Er hatte doch Jack eben nur geneckt. Warum gerade Jack? Schließlich war der doch nur sein bekloppter Cousin! Mister Perfect, wie er ihn gern nannte. Der Liebling seines schrecklichen Vaters, der nur diese dämliche Schule im Kopf hatte. Lisa! Lisa sollte es sein, für die er so empfand und nicht dieser langweilige, ewig brave und in allem super perfekte Jack. Dieser verfluchte Typ! Was machte er nur mit ihm? Er war sich doch mit Lisa so sicher gewesen und nun brachte dieser Idiot seine gesamte Gefühlswelt vollkommen durcheinander. Warum Jack?
Während Alex' gesamte Gefühlswelt vollkommen durcheinander geriet, erging es Jack nicht besser. Schließlich war er doch mit Gabe zusammen. Warum fühlte er sich nicht schlecht? Sollte er nicht ein schlechtes Gewissen haben, welches ihn vor so einem Fehler bewahrte? Gabe war doch die Liebe seines Lebens, oder etwa nicht? Und dann auch noch Alex küssen? Immerhin war er der Sohn seines Onkels und somit sein Cousin. Zwar waren sie nicht blutsverwandt, da Alex' Mutter bereits schwanger war, als diese mit Jacks Onkel zusammen kam, aber sie hatten sich doch beide immer gehasst. Wo war dieser Hass nur hin? Er konnte sich doch nicht diesem Menschen gegenüber fallen lassen. Oder doch?
"Alles klar hier unten?", rief Zack hinunter, woraufhin Alex und Jack zurückschraken. Jack seufzte erleichtert. Ein Glück hatte Zack ihm die Entscheidung abgenommen, was zu tun war.
"Ach nichts. Alex hat mich nur auf seine allzu charmante Art begrüßt. Du kennst ihn ja", knurrte Jack genervt.
"Ach, als ob du besser wärst. Du denkst auch, du bist perfekt!", entgegnete Alex wütend.
"Wer kann, der kann. Neidisch?", stichelte Jack weiter. Noch ehe Alex etwas erwidern konnte, stieß der vierte im Bunde einen spitzen Schrei aus. Rian...

Liebe und ihre LebenswegeWhere stories live. Discover now