~ Kapitel 12 ~

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Ich stützte meinen Kopf mit einer Hand ab, während ich mit der anderen den kleinen Vogel streichelte. Mittlerweile und zur Freude aller ging es ihm schon ein wenig besser. Renata konnte sich gerade leider nicht um ihn kümmern, da sie Wachdienst hatte. Kichernd zog ich meine Hand weg, da sich das kleine Vögelchen schüttelte und wartete, bis er sich wieder beruhigt hatte. Ich legte meinen Kopf schief und seufzte.

„Warte hier", befahl ich ihm unnötiger Weise und sprang auf.

„Ich muss dir etwas zeigen", meinte ich und hastete zu der dunkelbraunen Kommode unter dem Fenster.

„Wo hab ich denn...?"

Verwundert wühlte ich in der mittleren Schublade herum, sicher dass ich sie hier zuletzt gesehen hatte.

„Ahh, hier ist sie ja". Nach einer Weile zog ich eine alte Blechdose aus dem Chaos hervor und drehte sie in meinen Händen. Als ich sie geöffnet hatte, kam mir ein Geruch von Minze entgegen. Bevor ich die Dose umfunktioniert hatte, hatte meine Oma hier immer ihre getrockneten Blätter für ihren Minztee aufbewahrt.

Sofort fing ich an, bei diesem angenehm vertrauten Geruch zu lächeln und blickte in die geöffnete Dose.

Als ich mich aus meiner Starre gelöst hatte, zog ich mehrere Bilder, eine Kette mit Anhänger und einen Schlüssel heraus. Traurig seufzend hielt ich die Kette in die Höhe. Der Anhänger hatte meinem Bruder gehört. Ich hatte sie ihm geschenkt, als er so traurig über den Verlust seines kleinen Wolf-Kuscheltieres war. Iwan hatte sie in der Nacht, als es passierte getragen. In der Dunkelheit hatte ich sie ihm vorsichtig abgenommen. Das Blut klebte immer noch an dem silbernen Wolfsanhänger. Der Schlüssel gehörte zu dem Schloss an unserem Baumhaus. Mein Vater hatte es mir mithilfe unseres freundlichen Nachbarn zu meinem fünften Geburtstag gebaut. Dort hatte ich mich immer versteckt, wenn ich mit meinen Eltern Streit hatte und mir dort oben die Augen ausgeheult. Als dann mein kleiner Bruder zur Welt kam, saßen wir gemeinsam bis in den späten Abend in dem Haus. Selbst als unsere Mutter schon zum dritten mal rauskam, blieben wir stur sitzen und machten uns darüber lustig. Einmal taten wir so, als würden wir schlafen, sodass unser Vater hochklettern musste, um uns runterzutragen. Bei dem Gedanken an diesen Abend fing ich an zu lachen.

Leider wurde ich dann irgendwann zu groß dafür.

Punkt eins: konnte ich nicht mehr aufrecht stehen

Punkt zwei: kam ich mir albern vor, in dem Alter die Strickleiter hochzuklettern

Auch mein Bruder verlor, als ich nicht mehr mit ihm spielte, das Interesse und so wurde unser Baumhaus schließlich abgerissen und wenn es nicht inzwischen weggeräumt wurde, jetzt immer noch in Form von einem Bretterhaufen hinter dem Schuppen liegt.

Passend dazu war auf dem ersten Foto des kleinen Stapels zu sehen, wie ich an meinem fünften Geburtstag zum ersten Mal auf mein Baumhaus geklettert bin, in einem rosafarbenem Kleid, welches ein Bild weiter übersät mit Flecken und kleinen Löchern ist. Ja, meine Mom hatte es mit mir nicht einfach.

Kopfschüttelnd sah ich mir die anderen Bilder an und stoppte. Ich hielt den Atem an und studierte jedes einzelne Detail auf dem Foto.

Mein 10. Geburtstag. Der Sommer winkte dem Ende entgegen und so langsam war es an der Zeit sich etwas überzuziehen. So hatte ich über meinem perlblauen Kleid eine dünne weiße Strickjacke mit Rüschen und Knöpfen, statt dem Reißverschluss, an. Meine Haare waren zu einem einfachen Zopf zusammengebunden und um meinen Hals baumelte eine selbstgebastelte Kette, bestehend aus einem herausgezogenen Faden aus meinem Kleid und einem roten Knopf, den ich aus der Nähkiste meiner Oma geklaut hatte.

Volturi MateWhere stories live. Discover now