15. Von Kriegern, Sterben und Drachen

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Agostino im Jahr 471 von Großverdura

Kalepa – Monat des Handelns (zweiter Sommermonat)


[Aegir]

Sonnenstrahlen fielen durch das kleine staubige Fenster. Staub tanzte in dem noch schwachen Tageslicht und Stroh raschelte. Aegir drehte sich auf dem mit Stroh gefüllten Leinensack um und öffnete stöhnend und blinzelnd die Augen. Er hatte die Nacht zuvor wieder einmal im Murders Inn verbracht und danach noch zu lange mit Philip gebechert. Weshalb sein Kopf nun fürchterlich dröhnte, doch Aegir ignorierte den stechenden Schmerz. Leicht wankend erhob er sich aus dem Bett und spritzte sich Wasser aus einer Schüssel ins Gesicht. Wie er es nach dem Gelage zurück in die Dachkammer des Morgenrot geschafft hatte, war ihm aktuell völlig unverständlich. Einige weitere Spritzer Wasser weckten Aegirs vom Alkohol umnebelte Geister und mit etwas Entsetzen stellte er fest, welcher Tag heute war. Es war der achte Kalepa, der Tag des Duells. Für gewöhnlich ein normaler Arbeitstag, doch da der Hafenmeister sich gerne mit Aegirs Ruhm aus dem Murders Inn, brüstete hatte er ihm diesen Tag freigegeben. Also beschloss Aegir, den Morgen irgendwo in der Stadt zu vertrödeln, bis das Duell begann. Besondere Maßnahmen hatte Aegir diesbezüglich nicht ergriffen. Er war sich auch so sicher, dass er den Kampf gewinnen würde. Während er mit müden Gliedern frische Klamotten zusammensuchte, fiel sein Blick auf seine beiden Schwerter. Vermutlich war es besser, sie im Morgenrot zu lassen. War das Duell doch ein Faustkampf. Doch nie würde er ohne seine Dolche aus dem Haus gehen. Deshalb schnallte er sich seine Dolchhalterungen um und kontrollierte den Sitz jeder einzelnen Waffe. Zusätzlich machte er einen kräftigen Schritt nach hinten auf den Absatz seines rechten Stiefels. Ein leises Schnappen war zu hören und Aegir fing das kleine Messer geschickt auf. Der Mechanismus in seiner Schuhsohle funktionierte noch einwandfrei und Aegir schob das Messer zurück in die Schuhsohle. Die Dolche und das Messer sollten mehr als ausreichen, um sich im Zweifelsfall verteidigen zu können, befand Aegir. Gut gelaunt verließ er das Morgenrot. Seine Kopfschmerzen nahm er schon fast nicht mehr wahr. Alles würde gut gehen. Fernando würde sich endlich von Juli fernhalten und er, Aegir, würde eine Sorge weniger haben. Die leise, warnende Stimme in seinem Hinterkopf überhörte er geflissentlich, so wie er es gerne tat.


[Link]

Zur selben Zeit als Aegir sich auf in die Stadt machte, näherte sich die RumTreiber der Hafenbucht von Agostino. Link hatte sich dazu entschlossen, dieses Mal mit zu reisen und in Agostino von Bord zu gehen. Zum einen brauchte er dringend eine Zeit lang Ruhe vor Gina, um seine Gedanken bezüglich der jungen Frau zu ordnen. Zum anderen wollte er Aegir davon überzeugen, zurückzukommen. Sein Freund war nun schon fast ein halbes Jahr fort und Link wurde es Leid, auf seine Rückkehr zu warten. Im Schatten des Agos segelte die RumTreiber in den Hafen der Reisenden ein.


Kaum hatte ihr Schiff die Außenbegrenzung des Hafens erreicht, wurden die Alarmglocken geschlagen und mehrere Dutzend Männer der Stadtwache versammelten sich an den Anlegern. Link, der am Bug des Schiffes stand, besah sich die Szenerie, eine Hand auf Fenrirs Rücken gestützt. Anton kam zu ihm und erklärte: „Jedes Mal dasselbe mit den Stadtwachen. Sie denken wir wollen sie angreifen. Langsam sollten sie begriffen haben, dass wir hier nur Vorräte kaufen und dann wieder verschwinden. In der letzten Zeit wurden wir häufig mit Fragen bedrängt und die Hafenwache versucht uns unter fadenscheinigen Gründen, hier zu behalten. Und jedes Mal steigen die Anlegebüren! Daher werden wir werden nicht lange hierbleiben können. Wir setzen dich und zwei unserer Jungs ab, die Vorräte kaufen. Dann ziehen wir uns draußen vor die Küste zurück. Gib uns einfach ein Signal, solltest du uns brauchen. Zwei Wochen könnten wir in der Nähe bleiben, dann müssen wir aber zurück nach Igama."

Abbelonaith - Das vergessene LandWhere stories live. Discover now