6. Gold und Frauen

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Agostino im Jahr 471 von Großverdura

Debeu – Monat des Neuanfangs (erster Frühlingsmonat)


[Aegir]

Das Aegir die Varu Sedo verlassen hatte lag jetzt wenige Tage zurück. Tage, die er in den unteren Terrassen von Agostino verbracht hatte. Agostino war wohl neben Verduras Hauptstadt die imposanteste Stadt in Großverdura. Der Hafen lag in einer halbmondförmigen Bucht, hinter der sich die eigentliche Stadt in mittlerweile neun Terrassen an den Agos schmiegte. Der Agos war nach dem wild wachsenden Wein benannt worden, der früher vor der Entstehung der Stadt an den Berghängen gewachsen war. Der oberste Gipfel des Agos verschwand irgendwo zwischen den Wolken und nur selten ließ er sich in schwindelerregender Höhe ausmachen.

Früher einmal war die Hafenstadt in zwei einzelne unabhängige Städte geteilt gewesen, doch mit der Zeit hatten die beiden Hafenstädte sich zu einer Stadt zusammengeschlossen. Weiterhin geteilt durch den Agos und die Landesgrenze zwischen Sicalia und Verdura. Die Stadt Agostino schmiegte sich an den Felsen wie eine Geliebte in die Arme ihres Liebsten. Ganz unten fand sich der Hafen, zwischen dem kleinere Transportschiffe und Ruderboote pendelten, um Waren oder Passanten von Ost nach West zu befördern und je weiter man in der Stadt nach oben stieg desto nobler und vornehmender wurde die Gegend. Auf jeder Terrasse fand man Marktplätze, Werkstätten, Wohnhäuser und dergleichen. Um von einer Terrasse auf die andere zu wechseln gab es zahlreiche Treppen und Rampen. Auf der vierten und neunten Terrasse gab es einen Durchbruch durch den Agos um von Ost nach West wechseln zu können. Wobei die vierte Terrasse allen offen stand, die neunte Terrasse jedoch war dem Hochhandel vorbehalten, der mit einem Händlerrat die Angelegenheiten in Sicalia regelten.

Neben den Treppen und Rampen fanden sich sogar an einigen Stellen Lastenaufzüge. Dicke Holzplatten oder Korbkonstrukte, welche an Seilzügen nach oben gezogen werden konnten, um besonders schwere Fracht zu befördern.

Auch wenn Aegir behauptet hatte er würde in der öffentlichen Bibliothek nach Antworten suchen, war er in den ersten Tagen zwischen dem Hafen und der dritten Terrasse gependelt. Auf der dritten Terrasse hatte er in einer Kneipe genächtigt, deren Namen Anton ihn mit auf den Weg gegeben hatte. Er war gerade auf der dritten Terrasse unterwegs, als er durch Zufall Elizabeth Evans kennenlernte. Eine scheinbar anständige Frau die gerade in den Straßen unterwegs war und einige Besorgungen erledigte. Aegir war ziellos in den Straßen der dritten Terrasse im Westteil unterwegs gewesen, da hatte er gesehen, wie sie von einem Mann grob angesprochen wurde. Der dunkelhaarige Mann in auffälliger und scheinbar maßgeschneiderter Kleidung packte die Frau sogar am Arm und versuchte sie näher an sich heran zu ziehen. Aegir brauchte nur wenige große Schritte und war bei dem beiden offensichtlich streitenden angekommen. Ohne zu fragen, oder sich in irgendeine Weise vorzustellen schob er sich zwischen die beiden und sprach die Frau an: „Du hier? Wie lange haben wir uns nicht mehr gesehen?"

Die Frau schien erst verwirrt, dann stahl sich ein dankbares Lächeln auf ihre Lippen und sie antwortete: „Es kann Jahre sein, was verschlägt dich hier her?"

Aegir musterte die Frau kurz und entgegnete: „Geschäfte." Dann sah er sich zu dem Mann um und entschuldigte sich in aller Höflichkeit: „Entschuldigt, ich habe mich nicht vorgestellt. Ich bin Bogoris Johnson." Aus einem Impuls heraus stellte er sich nicht als Aegir vor, sondern nutzte seinen zweiten Vornamen und Ginas Nachnamen. Nur für den Fall das ihm jemand aus der Garde über den Weg lief und ihn an seinem Namen erkannte. Denn als Aegir kannten ihn in der Garde alle. Er streckte seinem Gegenüber eine Hand hin, dieser musterte Aegir aus zusammengekniffenen Augen und sagte nicht sonderlich freundlich: „Seht Ihr nicht, dass Ihr stört? Ich habe mich gerade mit der reizenden Miss Evans unterhalten. Wenn Ihr so freundlich wärt Euch zurück in die Gosse zu scheren aus der Ihr gekommen seid, wäre ich Euch mehr als dankbar!"

Abbelonaith - Das vergessene LandWhere stories live. Discover now