14. Die Falle wird gestellt

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Agostino im Jahr 471 von Großverdura

Rey - Monat der Eroberer (erster Sommermonat)


[Aegir]

Seit gut zwei Stunden sortierte Aegir unterschiedliche Taue. Es erschien ihm wirklich unglaublich, wie viele verschiedene Taue und Seile auf einem Schiff benötigt wurden. Es gab Taue an den Segeln, Taue für die Takelage, Sicherungsseile und noch einiges mehr. Auf der RumTreiber waren ihm die Massen an Seilen und Tauwerk nie so aufgefallen.

Nach einiger Zeit bekam Aegir den Eindruck, das halbe Schiff bestünde nur aus Seilen. Aegir seufzte. Seine Hände hatten neue Schwielen bekommen und seine Arme brannten vom aufrollen und sortieren der Taue. Wie gerne würde er jetzt irgendwo faullenzen, doch er blieb an der Werft und sortierte Taue. Lizzi zuliebe. Außerdem musste er sich eingestehen, dass es eine willkommene Abwechslung war, einer Arbeit nachzugehen, bei der man nicht Gefahr lief alle zwei Minuten eine Faust ins Gesicht zu bekommen.

Als die Glocke zum Ende des heutigen Arbeitstages läutete, legte Aegir das Seil, welches er gerade wegräumen wollte, an Ort und Stelle ab, streckte sich und verließ das Schiff. Die anderen Arbeiter an Bord beachteten Aegir nicht weiter, während sie in Grüppchen beieinanderstanden und einen gemeinsamen Ausflug in die örtlichen Schenken planten. Aegir hatten sie nie zu diesen Ausflügen eingeladen. Er vermutete nicht zu Unrecht, dass sein Ruf ihm vorauseilte und die anderen Arbeiter Angst vor ihm hatten. Ihm war es nur recht so, da er ohnehin wenig Interesse an einer Kneipentour mit den Werftarbeitern hatte. Auch wenn er vermutete, dass seine Kämpfe im Murders Inn die ein oder andere Tasche der Arbeiter mit einigen extra Münzen füllte, wollte niemand mehr als eine Begrüßung mit ihm wechseln. Und so machte Aegir sich auf den Weg zum Morgenrot um dort seine Nacht zu verbringen.


Seitdem Juli beinahe von Kaleb Smith vergewaltigt worden war, hatte es keine weiteren Zwischenfälle mehr gegeben und Lizzi hatte von dem Geld, welches Aegir im Murders Inn erkämpft hatte, zwei Wachmänner eingestellt. Gino und Mick waren zwei anständige Kerle, die ihre Arbeit zuverlässig erfüllten. Ihre Statur und Größe reichten meist schon aus, um die aufmüpfigeren Gäste zur Räson zu bringen. Außerdem befolgten sie Aegirs Anweisung, den irdischen Freuden im Morgenrot fern zu bleiben, gewissenhaft. Daher hatte Aegir in den vergangenen Wochen halbwegs beruhigt seiner neuen Arbeit nachgehen können. Trotzdem kehrte er nach der Arbeit in der Werft regelmäßig ins Morgenrot zurück, um sich über mögliche Zwischenfälle in Kenntnis setzen zu lassen. Seit Kaleb Smiths Übergriff war es schon beinahe verdächtig ruhig geblieben, dachte Aegir misstrauisch. Weder Kaleb noch dieser Condotte Emanuel hatten sich in den letzten Wochen blicken lassen. Selbst Fernando Setago, dieser liebestolle Narr, schien sich seit Kurzem bedeckt zu halten. Allerdings konnte sich Aegir nicht vorstellen, dass Fernando mit einem Mal seine Liebe zu Juli aufgab oder Smith entschied, Aegir in Frieden zu lassen. Irgendetwas ging vor sich, warnte ihn eine innere Stimme. Leider ließ sich in die Schatten hinein schwer beurteilen, was genau vor sich ging. Aegir beschloss deswegen, wachsam zu bleiben. Er rechnete fest damit, dass etwas geschehen würde und er wollte Juli und die Mädchen im Morgenrot um jeden Preis beschützen.


Beinahe einen halben Monat lang hatte Aegir nun nichts mehr von Fernando oder einem seiner anderen Feinde gehört. Obwohl eine innere Stimme ihn vor zu viel Gelassenheit warnte, nagten an Aegir langsam Zweifel, wie lange er sich noch gegen Lizzis Wunsch stellen konnte. Wo doch keine offensichtliche Gefahr drohte. Diese Gedanken beschäftigten Aegir auch, als er Ende des ersten Sommermonats Rey wieder einmal von seiner Arbeit ins Morgenrot zurückkehrte und mit einem Mal all seine Bedenken bestätigt fand: Fernando Setago war in den Schankraum des Morgenrot zurückgekehrt!

Abbelonaith - Das vergessene LandWhere stories live. Discover now