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Andreas
Zur Abwechslung war ich sogar der Erste, der an diesem sonnigen Montagmorgen in den Ferien, den Proberaum betrat. Da ich viel zu früh war, räumte ich noch ein paar Sachen auf und fegte den alten Teppich etwas, sodass es nach kurzer Zeit schon wieder relativ ordentlich aussah. Ich freute mich schon riesig auf den heutigen Tag, da unsere Bandproben in letzter Zeit ständig ausgefallen waren und wir heute endlich mal wieder zusammen Musik machen konnten. Irgendeiner von uns hatte immer abgesagt mangels Zeit, trotz dass man davon in den Ferien eigentlich mehr als genug haben sollte. Die Tür öffnete sich und wenig später traten die beiden Brüder quatschend in den Raum.
„Was machst du denn schon hier?" Hielt Johannes plötzlich inne und deutete ungläubig auf mich. „Tja ich muss ja nicht immer der Letzte sein, oder? Aber zugegebenermaßen ist es echt komisch, auf alle anderen warten zu müssen." Lachte ich und begrüßte mit einem Handschlag meine besten Freunde. „Da frag mal die Steff, wie die sich immer fühlt, wenn sie auf uns wartet." Stieg Hannes in mein Lachen mit ein. „Apropos, wo ist sie eigentlich?" Fragte Thomas nun mit ernster Miene und sah sich in unserem winzigen Proberaum um, der eigentlich so übersichtlich war, dass man dort unmöglich jemanden übersehen konnte. Selbst unsere kleine Steff konnte sich hier wohl kaum verstecken.
„Die kommt bestimmt gleich" Antwortete ich gelassen, doch Thomas wirkte augenblicklich angespannt. Er sah auf die Uhr. Einmal. Und noch einmal. Und ein letztes Mal. Als wollte er nicht glauben, welche Zeit dort stand. „So spät ist sie nie." Kommentierte er dies schließlich und ein Blick zu seinem Bruder verriet mir, dass auch er sich sorgte. Aber warum? „Okay was ist hier los?" Wollte ich wissen. So komisch hatte ich die beiden noch nie erlebt. Klar, Steff verkörperte die pure Überpünktlichkeit, aber auch sie durfte doch wohl mal zu spät dran sein, oder nicht? Ich verstand den Trubel darum nicht. Noch nicht. Beide sahen mich nun an, als hätte ich keine Ahnung von irgendwas. „Oh.. ähm... du weißt es ja noch gar nicht." Stotterte Thomas, doch ich verstand derweil nur noch Bahnhof. „Was weiß ich nicht?!" Langsam wurde ich ungeduldig. „Ist was mit Steff?" Das betretene Schweigen der Brüder war mir Antwort genug und ich gab ihnen etwas Zeit, um sich zu sammeln. Sie waren mir eine Erklärung schuldig. Thomas schien sich als Erster berappelt zu haben und lächelte mich dann an. „Ja weißt du.. Steff und ich sind seit kurzem ein Paar. Wir wollten es dir eigentlich zusammen sagen, deshalb hab ich gewartet. Aber vielleicht ist ihr ja etwas dazwischen gekommen." „Das ist ja großartig." Grinste ich ihn an. „Na dann kannst du ihr ja gleich verkünden, dass die Katze schon aus dem Sack ist. Wie ich sie kenne hat sie sich mal wieder viel zu viele Gedanken darüber gemacht." Thomas nickte bloß zustimmend und auf mich wirkte es, als bedrücke ihn immer noch irgendwas. Er sah weiterhin immer wieder nervös auf die Uhr und war angespannt. Erst als sich die Tür öffnete und unsere Sängerin den kleinen miefigen Raum betrat, fiel diese Anspannung von ihm ab. Er stürmte förmlich auf sie zu und schloss sie fest in seine Arme, als wolle er sie nie wieder loslassen. Ich wandte meinen Blick wieder ab und widmete mich lieber meinem Schlagzeug, mit Mädchen hatte ich aktuell noch rein gar nichts zutun und eigentlich war mir das auch ganz lieb so. Mich reizte nichts an Beziehungen, außerdem konzentrierte ich mich lieber voll und ganz auf unsere Band und die Musik.
Thomas' komisches Verhalten von vorhin hatte ich schon wieder fast vergessen, ich schob es auf dieses Verliebtsein von dem immer alle sprachen und was nun wohl auch Thomas voll und ganz erwischt hatte. Dass Johannes Steff danach ebenfalls fest umarmte und sie leise fragte ob alles gut sei, bekam ich gar nicht mit. Auf ihr Nicken hin begaben wir uns dann alle auf unsere Positionen und begannen endlich mit der Probe.
„Hier ist meine Songidee von der ich euch letztens erzählt habe." Erinnerte ich meine Bandkollegen und teilte ihnen meinen Notizzettel aus. Nachdem es sich alle durchgelesen hatten, sah ich alle der Reihe nach fragend an. „Ach Nowi, da sind ja mehr Schreibfehler als Wörter drin." Kicherte Steff und knuffte mich leicht in den Oberarm, ich grinste zurück. „Aber Andreas?" Thomas sah mich prüfend an und hob den Zettel in die Luft. „Der ist ja auf Deutsch." Ich nickte eifrig. „Cool oder? Man kann sich so viel besser ausdrücken." „Ich weiß ja nicht." Johannes kratzte sich am Kinn und schien ebenso wenig überzeugt wie sein kleiner Bruder. „Also ich finde den Text cool. Zwar ausbaufähig, aber cool. Damit könnte man echt was anfangen." Meldete sich Steff zu Wort und ich war dankbar, dass wenigstens einer zu mir stand und meine Idee nicht direkt abstempelte. „Aber Steff, deutsche Lieder hört keiner. Englisch ist die moderne Sprache." „Sehe ich auch so. Es ist zwar wirklich ganz cool, aber trotzdem nichts für uns. Unsere Covers sind alle auf englisch und unsere eigenen Songs auch. Und das aus gutem Grund." Die Brüder waren sich ihrer Sache wohl einig, doch Steff hatte sich noch nie leicht unterkriegen lassen. Ich zog es derweil vor, das Gespräch stumm zu verfolgen und den Verlauf abzuwarten. Schließlich hatte ich die Diskussion ja schon in Gang gesetzt. „Jungs jetzt mal ehrlich. Wollt ihr echt bei jedem Song zu Herrn Samson gehen und fragen, ob das auch alles so stimmt? Ich will das nicht. Nowi hat Recht, man kann sich in seiner Muttersprache eben besser ausdrücken, und genau das wollen wir doch auch, oder? Außerdem, wer sagt denn, dass der Musiktrend in zwei Jahren nicht wieder komplett anders ist?" Johannes gab sich geschlagen, er wusste dass sie Recht hatte. „Also gut, von mir aus bin ich dabei. Einen Versuch ist es ja wert." „Ich bin mir da ja nicht so sicher." „Musst du ja auch nicht. Lass es uns einfach versuchen." Überredete ich auch Thomas nun vollends, woraufhin er misstrauisch nickte. „In einem Monat ist doch das Stadtfest in Bautzen. Da können wir schauen, wie deutsche Songs von uns so ankommen." Lächelte Steff zufrieden in die Runde. „Gut. Also Nowi, dann lass uns mal dein Lied üben." Erwiderte Thomas nun an mich gewandt und ich merkte, wie sehr er sich bemühte, sich mit dem neuen Entschluss anzufreunden.

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