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Stefanie
Und schon war das ‚tut tut tut' zu hören, welches dann ertönte, wenn das Telefonat beendet war. Ich seufzte leise. Wie gern hätte ich jetzt noch weiter mit meinem Freund geredet. Nur durch einen kleinen Spalt der leicht geöffneten Tür, sah ich kurz, dass Klaus grinsend in mein Zimmer schaute und dann die Tür schloss. Wenig später war die Haustür und die Stimme meiner Mutter zu hören. Sie begrüßten sich. Küssten sich. Unterhielten sich. Wollten etwas essen. Ich hörte jedes Wort. Wütend, doch zugleich schwach und ausgelaugt ballte ich meine Hand zu einer Faust. Ich hasste diesen Mann so sehr. „Warte, Schatz. Ich geh gerade noch zu Steff." Lachte meine Mutter, der Lautstärke zufolge schon auf der Treppe. „Äh Liebling! Warte." Stotterte Klaus und polterte ein paar Stufen hinauf. „Ich habe gerade nach ihr gesehen, sie schläft schon tief und fest." Ich bekam Gänsehaut von seiner Stimme, die auf einmal so überraschend sanft klang. Angst und Abscheu machten sich mal wieder in mir breit, waren schon zu meinem ständigen Begleiter geworden, der immer dann zum Vorschein kam, wenn ich Klaus sehen oder hören musste. „Jetzt schon? Das ist aber ungewöhnlich für sie. Nun gut, mehr Zeit für uns beide, nicht wahr Liebling?" Säuselte meine Mutter verliebt und brach mir mein Herz entzwei. Wie konnte sie so einen Menschen lieben? Wie konnte sie diesem Menschen vertrauen? Warum bemerkte sie, meine eigene Mutter, mein Leid nicht? Mit einem leichten Kopfschütteln verließ ich meine Gedankenwelt, konzentrierte ich mich nun wieder auf das laufende, jedoch schwerer zu verstehende Gespräch. Sie mussten in der Küche sitzen und etwas essen. Tja, gegessen hatte ich heute auch noch nichts und dabei würde es wohl auch bleiben. „Ich wollte dir mal Danke sagen. Ich finde es einfach nur bezaubernd, wie du mit Stefanie umgehst. Du bist immer so herzlich zu ihr und gibst Dir alle Mühe, ihr ein guter Stiefvater zu sein und das bewundere ich sehr. Danke." Hörte ich meine Mutter sagen und unterdrückte prompt die Tränen. „Aber das ist doch selbstverständlich. Ich mag die Kleine wirklich sehr, du hast ein tolles Mädel aus ihr gemacht. Und es ist doch vollkommen klar, dass es schwer für sie ist, plötzlich einen komplett fremden Mann im Haus zu haben. Sie braucht einfach noch etwas Zeit." Erwiderte Klaus und ich hoffe inständig, dass Mutti nicht auf seiner Schleimspur ausrutschte. Stumm rannen die Tränen über meine blasen Wangen, die wie schon so oft das einzige waren, was meiner Angst und meiner Verletztheit Ausdruck verlieh. Ich konnte nicht leugnen, dass er einen begnadeten Schauspieler abgab, und doch ärgerte ich mich, dass niemand sein Spiel bemerkte. Denn nichts Anderes war es für ihn; ein Spiel. Ein Zeitvertreib für die gute Laune. Dass er mein Leben damit nach und nach zerstörte und mich mit jedem Mal mehr und mehr in ein Wrack verwandelte, schien ihn nur noch glücklicher zu machen. Es schien ihn zu befriedigen, als bräuchte er meine Qualen wie die Luft zum Atmen.
Stundenlang lag ich unverändert unter meiner Bettdecke begraben und regte mich keinen Millimeter. Zu schwach war mein Körper, zu ausgelaugt meine Seele. Ich konnte und wollte nicht mehr kämpfen, doch ich tat es. So lange lag ich nun schon hier, bis schließlich die Gespräche zwischen Mutti und Klaus endgültig verstummten und sie wohl ins Bett gingen. Zusammen. Nebeneinander. Kuschelnd. Ich musste fast würgen bei den Szenarien, die sich bei dem Gedanken in meinem Kopf ausmalten. Nach einiger Zeit riss ich mich dann doch zusammen und kämpfte mich mit aller Kraft nach oben. Ich machte mir nicht die Mühe, leise zu sein. Warum auch? Mir war noch immer etwas schummerig, doch ich konnte langsam und ohne mich irgendwo fest zu halten, geradeaus gehen und schaffte es schließlich, mich im Bad fertig zu machen und mich danach zurück ins Bett zu begeben. Nach wie vor war ich halb entkleidet, doch es kümmerte mich nicht besonders, da ich einfach zu erschöpft war, als dass ich mich jetzt auch noch umzuziehen könnte. Ein letztes Mal schaute ich auf mein Handy. 8 verpasste Anrufe, 37 Nachrichten. Alle von Thomas. Ich las jede einzelne und hörte alles auf der Mailbox ab, doch immer sagte und schrieb er das Gleiche: ‚Wie geht es dir?' ‚Ist alles in Ordnung?' ‚Warum schreibst du nicht mehr?' ‚Steff antworte bitte, ich mache mir wirklich Sorgen!' Schuldgefühle machten sich in mir breit und ich schrieb ihm schnell eine Nachricht, dass es mir schon besser ginge und ich mich nur etwas ausgeruht hatte. Dann versicherte ich ihm, dass er sich wirklich keine Sorgen um mich machen musste und wünschte ihm eine gute Nacht. Als das erledigt war, legte ich mein Handy weg und schlief schon wenig später, total erschöpft ein.

Irgendwas bleibt Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt