Undercover

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"Es ist nicht so schwierig, du bist einfach nur zu faul, um dich mal mehr anzustrengen. Stell' dich nicht so an, es kann nicht so kompliziert sein, wie du es darstellst." Kim verdrehte genervt die Augen und legte die Beine auf den Tisch. Sie lehnte sich zurück und aß eine Kirsche, während ihr Chef sich weiterhin über sie beschwerte.
"Ich bin ja schon nah dran an der Lösung", verteidigte sie sich. Normalerweise telefonierte sie nicht lange mit ihrem Chef, denn Diskussionen konnte er nicht leiden, aber dieses Mal wollte sie es nicht auf sich sitzen lassen, wie er mit ihr umsprang.
"Aber du hast sie noch nicht gefunden", schnauzte er sie an. Sie seufzte und warf einen Blick aus dem Fenster. In der Ferne spiegelte sich die Sonne am Meer. Sie sehnte sich nach den stürmischen Wellen, der angenehmen Kälte des Wassers.
"Ich rufe dich in vier Tagen noch mal an, dann will ich Ergebnisse", knurrte ihr Chef und legte auf, bevor sie irgendwas sagen konnte.
Gereizt knallte sie das Handy auf den Tisch und stand auf. In der Tür stand Mick, der sie fragend ansah. "Alles okay?"
Sie rollte die Augen und schob sich an ihm vorbei auf den kleinen Balkon hinaus. "Mein Chef nervt nur wieder", erwiderte sie. Ihr Blick war auf das Wasser gerichtet. Ihre Haut kribbelte alleine bei dem Gedanken daran, schwimmen zu gehen.
Kim fühlte eine Hand, die sich auf ihre Schulter legte, und lehnte sich automatisch gegen Mick, der sie sanft zu sich zog. "Das wird schon. Hauptsache du kriegst am Ende auch die Belohnung für den ganzen Aufwand." Er hielt einen Moment inne, ehe er hinzufügte: "Gibt es denn Probleme?"
"Na ja, ich bin ja bei dieser Familie, und der Sohn hat mir zwar geholfen, aber den Rest muss ich alleine hinkriegen. Ich weiß einfach nicht weiter. Ich habe schon einen Plan, aber ich weiß echt nicht ob ich den so ausführen kann, wie ich es gerne hätte", erklärte Kim. Eine Spur Wut mischte sich unter ihre Stimme. Sie hasste es, wenn man ihr mit sowas in die Quere kam.
Mick lächelte sanft und legte die Hände an ihre Wangen, sodass sie mehr oder weniger dazu gezwungen war, ihn anzuschauen. "Du schaffst das. Du hast doch bisher jeden Auftrag ausführen können."
Das entlockte ihr tatsächlich ein Lächeln. Sie beugte sich zu ihm hinüber und küsste ihn auf die Lippen. Sanft erwiderte er den Kuss, ehe sie abbrach und einen Schritt zurücktrat. "Danke. Ich muss jetzt los." Sie drängte sich erneut an ihm vorbei und schnappte sich ihre Tasche und Schlüssel. Mick folgte ihr und begleitete sie bis zur Tür des Hotelzimmers.
"Ruf mich an, wenn etwas nicht stimmt", rief er ihr nach, als sie die Tür öffnete. Sie warf einen Blick nach hinten. Sie lächelte ihn zwar an, aber etwas störte sie an seinem Blick. Er hatte so einen merkwürdigen Ausdruck im Gesicht, den sie nicht von ihm kannte. Sie ignorierte es jedoch und winkte ihm zum Abschied zu.
Das neue Hotel war in der Nähe des Hauses, in dem sie arbeitete, weswegen der Weg relativ kurz war.

Kims Plan war es, das Büro des Geschäftsmannes zu durchsuchen. Vielleicht lagen irgendwo verräterische Akten oder ähnliches herum. Zunächst brauchte sie ja ohnehin nur einen Namen und irgendwelche Kontaktdaten, seien es Adressen oder Telefonnummern. Schließlich konnte sie Mr. Michaelson nicht einfach fragen, ob er ihr eine Liste mit den Leuten geben konnte, die er widerrechtlich aus dem Gefängnis geholt hatte.
Kim machte sich dementsprechend sofort auf den Weg zu Mr. Michaelsons Büro. Sie musste wissen, wann er dort war und ab wann sie unbemerkt hineinkonnte. Außerdem musste sie wissen, ob es da drin Überwachungskameras gab.

Kim stand sicher mehr als fünf Minuten einfach nur in dem Gang vor der Bürotür herum und überlegte krampfhaft, ob sie wirklich reingehen sollte oder nicht. Sie hatte kaum Interaktionen mit dem Mann gehabt, schätzte ihn aber jetzt schon als eher unfreundlichen Typen ein, der nur ans Geschäft dachte und sich am liebsten den ganzen Tag nur damit beschäftigte.
Allerdings spielte es für Kim im Moment keine Rolle, wie er drauf war. Wichtig war nur, dass er nicht denken durfte, dass sie sich verdächtig verhielt.

Schließlich klopfte sie doch an die Tür und wurde in harschem Tonfall hineingebeten. Kim hatte sich nicht wirklich eine Ausrede ausgedacht, also musste sie wohl improvisieren.
Ungeduldig sah Mr. Michaelson sie mit hochgezogen Augenbrauen an. "Ja, was denn?"
"Ich sollte nachfragen, ob Sie etwas zum Trinken oder Essen haben wollen", sagte sie schnell, während sie ihn höflich anlächelte.
Mr. Michaelson runzelte die Stirn und warf ihr einen herablassenden Blick zu, ehe er den Blick wieder auf seinen Bildschirm richtete und aggressiv auf die Tasten seines Computers eindrosch. "Ich brauche nichts, danke. Sie können jetzt wieder gehen."
Kim hielt sich zurück, ihm nicht irgendein Schimpfwort entgegenzuwerfen. Der Typ konnte ja mal ein bisschen mehr Dankbarkeit zeigen.
Sie schaute sich einen Moment lang unauffällig um, bevor sie die Tür wieder zuzog und den Raum verließ. Wenigstens wusste sie jetzt, dass es keine Überwachungskameras in dem Raum gab. Seine Sprechzeiten endeten um neunzehn Uhr. Bis dahin war sie noch im Haus, also sollte es kein Problem darstellen, sich ins Büro zu schleichen.

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