Kapitel 9

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„Und in diesem Fall dürft ihr deshalb den Partizip nicht übereinstimmen", erklärte ich noch schnell den letzten Beispielsatz, bevor es zum Ende der Stunde klingelte. Ich hatte mein Bestes gegeben und versucht den Stoff, der bei der Lernstandserhebung abgeprüft werden soll, heute in der letzten Stunde vor der Prüfung noch durchzubringen. Ich bezweifle, dass irgendwas hängen geblieben ist, aber ich habe getan was ich konnte.

Und das alles nur, weil unser Chef unbedingt unter die Besten in den Staaten kommen will. Als ob das passieren wird. Es ist kein Geheimnis, dass unsere Schule einen guten Ruf genießt, aber trotzdem haben wir es nie unter die besten zehn geschafft. Und auch ich kann keine Wunder vollbringen. Natürlich kenne ich mich gut aus in meinem Fach, aber was soll ich allein schon ausrichten, um unsere Schule nach vorne zu katapultieren.

Ich packte gerade meine Sachen zusammen, als einer meiner Schüler auf mich zukam: „Miss Ryan, wie viel Prozent wird die morgige Überprüfung von unserer Note ausmachen?"

„Keine Sorge, das hat nichts mit eurer Note zu tun. Das ist nur ein landesweiter Test, bei dem es darum geht, wie ihr im Vergleich zu anderen Schulen abschneidet", erklärte ich.

„Und wenn wir schlecht abscheiden ..."

„Dann wirkt sich das nicht auf eure Note aus, nur keine Panik", versuchte ich Adam zu beruhigen. Genau deshalb hatte ich absolut keine Lust diesen Test morgen durchzuführen. Die Schüler stressten sich nur unnötig und ich verlor einen ganzen Vormittag Unterrichtszeit. Ich seufzte tief durch und schulterte meine Umhängetasche.

Als ich in den Gang raustrat, traf ich direkt auf Robert.

„Hey Rob, wie geht's?"

„Geht so, stressiger Tag, und bei dir?"

„Ja bei mir auch. Ich musste meine Klasse gerade für morgen vorbereiten."

„Oh du musst auch diese Testungen morgen durchführen."

Tief ausatmend bestätigte ich seine Frage mit einem Nicken, das nur so vor Begeisterung sprühte.

Robert brach in Lachen aus: „Du scheinst genauso motiviert zu sein wie ich. Aber sieh's einfach so: Nur morgen und dann haben wir es hinter uns."

„Stimmt, du hast recht", ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, „außerdem können wir nun die Zeit, die wir normalerweise für die Unterrichtsvorbereitung morgen gebraucht hätten, produktiver verwenden, wie zum Beispiel ... uns betrinken und dabei darüber philosophieren, wie unglaublich toll unsere Schulleitung doch ist." Wir brachen beide in Gelächter aus und scherzten noch weiter auf unseren Weg zum Lehrerzimmer. Ich war so froh, dass ich Kollegen und Freunde wie ihn hier an der Schule hatte, die immer positiv waren und einem aufbauten. Das half einem auch, gewisse andere Personen zu überleben.

„Ich muss jetzt noch, bevor ich nach Hause gehen, checken, ob ich hoffentlich noch alle Testbögen zusammen habe und bereits alphabetisch sortiert für morgen sind. Nicht, dass morgen in der Früh dann alles durcheinander ist", überlegte ich, während wir die Treppe ins Erdgeschoss runtergingen, wo auch das Lehrerzimmer war.

„Gute Idee, das werde ich auch noch erledigen."

Im Lehrerzimmer angekommen gingen wir auseinander und jeder begab sich zu seinem Arbeitsplatz, um seine Unterlagen zu sortieren. Nachdem ich noch einmal alles kontrolliert hatte und alles so zurechtgelegt hatte, dass es morgen in der Früh gleich einsatzbereit sein würde, verließ ich das Schulgebäude, um am Ende des Tages nicht noch eine bestimmte Person zu treffen. Das hätte mir gerade noch gefehlt.

Ich war heute zum Glück zeitig in der Schule. Da ich mit schlimmerem Verkehr gerechnet hatte, bin ich früher als gewöhnlich weggefahren. Mein talentierter Fahrstil hat mir auch dabei geholfen, die Strecke im Eiltempo hinzulegen. Und nun stand ich an meinem Schreibtisch, legte meine Unterlagen zurecht und bereitete mich auf die Prüfung vor, die gleich anstehen würde.

Alle Kollegen liefen nervös im ganzen Raum herum, dass ich selbst auch etwas angesteckt wurde. Allerdings konnte ich den Druck auch verstehen. Jeder wollte das beste Ergebnis mit seiner Klasse erzielen. Wenn man das schaffte, was das nicht einfach Irgendwas. Und man selbst war dann kein Niemand. Wenn man das schaffte, wurde man in den ganzen Staaten bekannt. Wenn man das schaffte, wurde nach deiner Meinung gefragt. Wenn man das schaffte, durfte man mit den hohen Tieren zusammenarbeiten.

Mal abgesehen von dem ganzen Ansehen, was man unter seinem eigenen Kollegium erhalten würde. Und vom Direktor.

Wieso war ich also nicht aufgeregt? Vielleicht, weil mir klar war, dass ich sowieso nie zu den besten zählen würde. Nicht, weil ich es meinen Schülern nicht zutrauen würde. Im Gegenteil. Sie haben die letzten Wochen wirklich hart gearbeitet. Aber mir war sehr wohl bewusst, dass es erfahrenere und bessere Kollegen als mich gibt. Was konnte ich schon aufweisen?

Klar, ich habe mein Studium immer ernst genommen, einfach, weil es mein Ticket in die Freiheit war. Und ich habe auch mit der Bestnote bestanden. Aber ich habe auch den Großteil im Ausland verbracht und sehr viel Party gemacht. Was sollte also jemand wie ich großartig an Schüler vermitteln können.

Aber da ich es tun musste, blieb mir sowieso keine Wahl. Ich schnappte mir die Prüfungsbögen und machte mich auf den Weg in die Klasse.

Als ich den Raum betrat, spürte ich direkt die nervöse Anspannung. Ich wartete, bis jeder an seinem Platz saß, dann teilte ich die Testbögen an die Schüler aus, die sich bereits in alphabetischer Reihenfolge platziert hatten. Nachdem ich das Signal zum Anfangen gab, fingen alle an konzentriert zu arbeiten. Ich stand in der Zwischenzeit vorne und beobachtete die Klasse. Ich merkte bereits, dass das spannende drei Stunden werden würden. Ich konnte die Zeit nicht einmal nutzen, um andere Arbeiten zu erledigen, denn wir hatten die strikte Anweisung, durchgehend ein Auge auf die Schüler zu haben.

Als die Zeit endlich vorbei war, ging ich durch die Reihen und sammelte die Testbögen ein und entließ die Klasse. Auch ich machte mich auf den Weg nach unten, nachdem ich alle Unterlagen sortiert hatte. Bevor ich zu meinem Arbeitsplatz im Lehrerzimmer ging, musste ich noch in der Direktion vorbeischauen und die ausgefüllten Prüfungen bei Dean abgeben. Als ich den Gang betrat, in dem das Büro lag, sah ich, dass schon einige andere Kollegen davorstanden, die höchstwahrscheinlich aus demselben Grund hier waren.

Ich hoffte, einfach unbemerkt den ganzen Papierkram abgeben zu können, ohne großes Aufsehen zu erregen und bemerkt zu werden. Ich schlängelte mich an ein paar Kollegen vorbei, die sich gerade mit Dean am Eingang seines Büros unterhielten, und schaffte es, mit ins Büro durchzuquetschen. An einem Tisch neben dem Eingang waren ordentlich Fächer aufgestellt worden. Ich legte meine Bögen in das Fach, das mit der Nummer meiner Klasse beschriftet war. Dann wollte ich einfach nur schnell wieder hinaus. In dem Moment, in dem ich dachte, dass ich es unbemerkt vorbei schaffen würde, wandte Dean seinen Blick plötzlich zu mir. Im selben Augenblick trat wieder dieses diabolische Grinsen in sein Gesicht, von dem ich grundsätzlich immer Brechreiz bekomme. Unauffällig machte er einen Schritt in meine Richtung, während er noch immer mit den anderen Kollegen redete. Dabei streifte er gespielt zufällig meinen Arm und ließ seine Hand dann weiter nach unten an meine Hüfte wandern.

Ich versuchte, so schnell wie möglich wegzukommen. Er war einfach unmöglich. Er konnte es einfach nicht lassen. Noch ein weiterer Grund, warum ich versuche, so wenig wie möglich Aufmerksamkeit zu bekommen. Ich wollte einfach nur unauffällig bleiben und unterm Radar durchfallen. Und für ihn unsichtbar sein.

Dear Mr. PresidentWo Geschichten leben. Entdecke jetzt