Kapitel 3

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„Buenos dias", begrüßte ich meine Schüler, als ich die Klasse betrat. Wie immer, wenn ich die 6b betrat, herrschte ein totales Chaos. Mir war klar, es würde sicher wieder einige Minuten dauern, bis sich alle beruhigt hatten.

„Setzt euch alle hin und beruhigt euch jetzt, wie ihr wisst schreiben wir jetzt die Klassenarbeit." Man könnte meinen, dass es ihnen egal war. Keiner schien einen Stress zu haben, auf seinen Platz zu kommen und die Unruhe legte sich auch nicht.

„Miss Ryan, ich müsste noch einmal auf die Toilette."

Stöhn. „Dann beeil dich!" Als hätten sie davor nicht genug Zeit gehabt, nein, natürlich aktivierte sich die Blase bei der ganzen Welt, sobald das Klingeln der Schulglocke ertönte. Wieso hatte ich mir noch einmal diesen Beruf ausgesucht?

Die Tür ging auf und ein schmaler Junge mit zerzausten Haaren betrat die Klasse. „Entschuldigung Miss Ryan, der Schulbus hatte Verspätung."

„Ist gut, setz dich Justin." Ich musste meine ganze Willenskraft zusammennehmen, um nicht die Hände vor dem Gesicht zusammenzuschlagen.

Als nun endlich alle auf ihren Plätzen saßen, konnte ich endlich die Testbögen austeilen.

„Und vergesst nicht, diese Klassenarbeit macht 50 Prozent der Note aus."

Endlich kehrte Ruhe in die Klasse ein und die Schüler fingen an zu die Testbögen auszufüllen. Ich ging kurz durch die Reihen, um zu kontrollieren, ob ja keiner schummeln wollte. Danach setze ich mich vorne an meinen Schreibtisch, wo ich alle gut im Blick hatte.

Ja, ich war also Spanischlehrerin an der William Northern Middle School in Denver. Mit 26 Jahren war ich eine der jüngsten Lehrerinnen an der Schule. Ursprünglich kam ich aus einer Kleinstadt in Kansas. Da ich damals kein Geld zur Verfügung hatte, war ich auf ein Stipendium angewiesen, das ich nur für eine Universität innerhalb des Staates erhielt, weshalb ich an der University in Kansas City studierte. Ansonsten wäre ich höchst wahrscheinlich schon viel früher viel weiter abgehaut. Meine Kindheit und Jugend waren nicht gerade berauschend.

Sobald ich aber anfing zu studieren und meine Noten herausragend waren, erhielt ich zahlreiche Förderungsangebote, die es mir ermöglichten, auch im Ausland zu studieren. Nach meinem ersten Studienjahr ging ich also für ein Jahr in Mexiko aufs College. Ja, man könnte sagen, dass ab hier mein Herz so richtige für die spanische Sprache anfing zu schlagen. Und nicht nur wegen der Sprache an sich, auch die Mexikaner hatten einfach Feuer im Blut. So verbrachte ich einige heiße Nächte mit vielen heißen Typen. Ein Studienjahr später ging ich dann für ein Praktikum nach Spanien. Ich weiß noch wie aufgeregt ich war, das erste Mal den Kontinent zu verlassen und nach Europa zu fliegen. Und vergesst, was ich über die Mexikaner gesagt habe, die Spanier übertrafen noch einmal alles. Ohja, man merkte, dass die einfach das südländische Blut in sich hatten. Und ja, ich lebte mich in dieser Zeit wirklich aus. Ich war schon damals so, dass ich nichts Ernstes wollte, was im Ausland auch recht einfach war, da ich ja wusste, dass ich sowieso irgendwann wieder weggehen würde.

Nachdem ich noch einige Zeit in verschiedenen Ländern in Südamerika verbracht hatte, schloss ich mein Studium in Kansas City ab und ich freute mich irrsinnig, als ich die Stellenanzeige der Northern Middle School sah, an der sie eine Spanischlehrerin suchten. Ich war so froh, nach Colorado gehen zu können und endlich den Staat verlassen zu können, in dem ich meine bescheuerte Kindheit verbracht hatte und aus dem ich schon längst hatte abhauen wollte.

Und ich liebte es wirklich hier an dieser Schule. Der Großteil der Kollegen war nett, ich verstand mich mit so ziemlich jeden. Und ich liebte meinen Job. Ich mochte es mit Kindern zu arbeiten. Und auch wenn sie mir manchmal tierisch auf die Nerven gingen, schloss ich jeden in mein Herz. Vielleicht weil ich auch wusste, dass es Kinder gibt, die zu Hause niemanden haben und man als Lehrer somit eine der wenigen, zuverlässigen Bezugspersonen für dieser Kinder war. Das war auch damals schon eine meiner größten Motivationen gewesen, diesen Beruf ausüben zu wollen.

Natürlich gab es auch ein paar Sachen, die mich nervten, aber ich schätze, die gibt es in jeden Job. Und eine dieser Sachen, oder besser gesagt Personen, saß unten im Direktorzimmer.

Dear Mr. PresidentWo Geschichten leben. Entdecke jetzt