Kapitel 1

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Um halb sieben klingelte der Wecker von Mina und nahm ihr somit den Schlaf, welcher ohnehin sehr kurz war in letzter Zeit. Sie hatte gerade mal drei Stunden Schlaf bekommen, diese sie nichteinmal durchschlafen konnte, da sie bereits seit ihrer Kindheit an Schlafstörungen leidete. Jede Nacht plagten sie Alpträume, diese neben permanenten Aufwachen ebenfalls Panikattacken auslösten. Zumindest in der Nacht zu ihrem Geburtstag hatte sie sich gewünscht, mal etwas mehr Schlaf zubekommen. Leider war dem aber nicht so, weshalb sie mal wieder sehr unkonzentriert war. Sie ging zu dem Zeitpunkt noch zur Schule, zwar war sie bereits in der dreizehnten Klasse und somit kurz vor ihrem abgeschlossenen Abitur, aber dieses Jahr war das wichtigste. Sie musste schließlich die Zulassung zu den Abschlussprüfungen bekommen, um ihren Traumberuf erfüllen zu können. Bereits in der Grundschule wollte sie Polizisten werden, empfand es aber immer als sehr unrealistisch, doch ihr war es äußerst wichtig diesen Wunsch erfüllen zu können. Noch musste sie sich aber keine Sorgen machen, da ihre Noten konstant im Einser Bereich waren, denn darauf konnte sie sich ausschließlich konzentrieren. In ihrem Leben gab es neben der Schule keiner weiteren Bereiche; keine Liebe, Freund, Familie oder sonstiges. An diesem Tag wurde sie bereits neunzehn Jahre alt, wohnte nun also bereits seit gut einem Jahr in ihrer eigenen Wohnung. Zwar war diese nicht besonders groß, aber ausreichend für sie allein.

Da es der erste Schultag des letzten Schuljahrs war, gab es wieder neue Lehrer*Innen an der Schule, zwar musste das nicht zwangsläufig bedeuten, dass sie eine neue Lehrkraft bekommen würde, aber möglich wäre es. Sie hatte keine Freunde und redete deswegen viel mit ihren Lehrer*Innen, zwar lediglich über banales Zeug, aber dennoch half es ihr um den Alltag zu meistern. Besonders gut konnte sie mit ihrer Geografielehrerin sprechen, diese hatte im letzten Schuljahr aber die Schule verlassen und bei einer anderen angefangen. Es machte sie nicht wirklich traurig, schließlich konnte sie ihre Emotionen nicht ausleben, aber enttäuscht war sie durchaus gewesen. Aber sie hatte gelernt, dass jeder sie irgendwann verlassen würde, denn daraus bestand ihr Leben schließlich. Noch vor ihrer Geburt verließ ihr Vater sie, da er sie nicht wollte und keine Bindung wollte. Ihre Mutter starb als sie gerade vier Jahre alt war, weshalb sie in ein Heim kam. Von dort kam sie in mehrere Familien, bei welchen sie nie langfristig blieb, wodurch sie eine potenzielle Wunde des Verlustes auf dem Herzen trug. Durch ihre Kindheit konnte sie dadurch gut mit Verlusten abschließen, ließ aber auch niemanden zu nah an sich heran, um im Nachhinein nicht noch eine weitere Wunde zu haben. Nichteinmal gleichaltrige ließ sie an sich heran, was jedoch ebenso Gründe hatte. In der Grundschule hatte sie eine Freundin, sie war ihre beste Freundin gewesen. Sie hieß Jona und war immer für sie dagewesen, doch diese hatte ebenso keine leichte Kindheit. Ganze sieben Jahre waren die Mädchen befreundet gewesen, bis Jona sich im Alter von nur dreizehn Jahren das Leben nahm. Mina wusste nie was genau bei ihrer Freundin los war, konnte aber verstehen, dass sie ihre Gründe gehabt haben muss, wodurch ihr der Verlust nach einiger Zeit leichter fiel. Zwar war dadurch eine Wunde entstanden, doch diese war kaum noch präsent gewesen, als diese ihre erste Beziehung einging. Sie war zu dem Zeitpunkt vierzehn gewesen und schon länger in Alex verliebt, dementsprechend war sie zu Anfang sehr glücklich in der Beziehung gewesen, bis dieser sie aber zu Dingen drängte, wozu sie nicht bereit war. Natürlich war er weiter gewesen, denn er war zwei Jahre älter und hatte zuvor schon Beziehungen gehabt. Mina ließ es also geschehen, hielt dies ein ganzes Jahr aus, bis sie erfuhr, dass er eine weitere Freundin hatte. Auch diese Wunde saß tief, schließlich hatte sie alles für ihn getan, um letztendlich wieder mal verletzt zu werden. Leider war sie der Meinung, dass es ihre Schuld wäre; sie sei nicht im stande, eine Beziehung führen zu können, was das Resultat ihrer Verlustangst war. Sie klammerte, wollte bedingungslose Nähe und ging gleichzeitig davon aus, dass diese nicht gut für sie war. Ihr Leben war also gezeichnet von unzähligen Verlusten, diese sie zu dem machten, wer sie war.

Pünktlich, um acht Uhr, begann der Unterricht durch das allbekannte schrille Klingeln. Die Schüler*Innen saßen im Konferenzraum, warteten auf die Einführung von Mr. Hiller und Mrs. Klein, welche ihre Stufenleiter waren. Mina saß, wie immer, alleine und starrte ins Nichts. Erst als die Stimme von Mrs. Klein ertönte, kam sie ins Hier zurück und versuchte, ihrer Stimme zu folgen. "Guten Morgen zusammen! Ich hoffe sehr, dass ihr einigermaßen entspannte Ferien hattet und nun mit vollster Motivation starten könnt." Sie musste sich ein seufzen unterdrücken, denn entspannt waren ihre Ferien keinesfalls. Zwar erinnerte sie sich nicht an viel, da sie jeden Abend getrunken hatte, aber eine schöne und entspannte Zeit hatte sie definitiv nicht. Den Großteil verbrachte sie alleine, meist mit Tiquilla, in ihrer Wohnung. "Die meisten Kurse haben sich nicht sonderlich verändert, lediglich der Geschichts-Leistungskurs wird von einer neuen Lehrerin übernommen, aber das hatte ich ja bereits angekündigt. Außerdem musste der Sportkurs von Mrs. Ley abgegeben werden, da diese aus gesundheitlichen Gründen nicht unterrichten wird." Mina wurde hellhörig, denn sie war von beiden Änderungen betroffen. Beides war ihr neu, denn zuhören fiel ihr sehr schwer, wenn sie von all ihren Mitschüler*Innen umgeben war. Sie würde also dieses Jahr in ihrem Lieblingsfach, Geschichte und in Sport eine neue Lehrerin haben. Abgelöst wurde Mrs. Klein von Mr. Hiller: "Die besagten Lehrkraft wird jeden Moment hier sein, um sich vorzustellen. Anschließend werden wir Stundenpläne und weitere Formulare austeilen." Es verging kaum Zeit, als die Tür aufging und Minas volle Aufmerksamkeit an der fremden Frau hing. Diese ging zielstrebig nach vorn, ließ sich nicht von den neugierigen Blicken irritieren. Bevor diese das Wort übernahm, wechselte sie einige Worte mit den Stufenleitern. Währenddessen hing Minas Blick weiterhin an ihr, begann sie zu mustern. Sie hatte braune Haare, welche sie offen trug, braune Augen und ein recht schmales Gesicht. Rosafarbende Lippen, eine gutgeformte Nase und rundliche Augenbrauen. Ihre Figur war zweifellos perfekt, zumindest soweit sie dies beurteilen konnte. "Guten Morgen liebe Schülerinnen und Schüler. Mein Name ist Ms. Erics und ich werde den Geschichts-Leistungskurs, sowie den Sportkurs von Mrs. Ley unterrichten." Mehr hatte sie nicht gesagt, jedenfalls bekam Mina nichts weiter mit. Sie war gefangen im Moment, bekam nichteinmal mit, dass ihre neue Lehrerin nun direkt vor ihr stand und sie abwartend ansah. "Hast du gehört, was ich gesagt habe?" fragte diese sie offensiv, woraufhin sie in die Realität zurückkam. Sie schüttelte den Kopf und entschuldigte sich, was die ältere Frau jedoch abtat. "Ich hatte dich gefragt, ob alles in Ordnung ist?" Ihr verwirrter Blick schien der Lehrerin nicht entgangen zu sein, denn sie klärte diese gleich auf: "Wir hatten dich aufgerufen, wegen des Stundenplans." Nun nickte sie, stand auf und holte ihren Stundenplan. Als sie wieder auf ihrem Platz saß, war sie offensichtlich konzentrierter, um solch einer Blamage aus dem Weg gehen zu können. Dies gelang ihr auch, worüber sie froh war, denn sie wollte nicht nochmal von der Brünette angesprochen werden. Als sie jedoch aufstand, um in die erste Pause zu gehen, wurde sie von dieser aufgehalten. "Entschuldige die Frage, aber bist du okay?" fragte diese mal wieder offensiv und direkt, doch sie nickte lediglich. "In Ordnung. Wir sehen uns." Sie nickte kurz und ging dann in die Pause, in welcher sie diesmal nicht zum Supermarkt ging, um sich einen Energydrink zu kaufen. Ihre Gedanken kreisten um Ms. Erics, denn diese hatte sie eine entscheidende Frage gestellt. Bist du okay? Wenn sie jemand nach ihrem Wohlbefinden fragte, dann nur, ob es ihr gut ginge. Ms. Erics dagegen hatte sie gefragt, ob sie okay war, was sie definitiv in diesem Moment gewesen war. Gut ging es ihr lange nicht, weshalb sie es nicht mochte, wenn man fragte, ob es ihr gut ginge. Aber noch nie hatte jemand das gefragt, was sie positiv überrascht hatte. Sofort musste sie feststellen, dass ihre neue Lehrerin ihr sympathisch war, was sie jedoch nicht wollte, denn dies könnte einen weiteren Verlust provozieren, mit welchem sie nicht so leicht klar kam. Sie setze sich nicht damit auseinander, schluckte alles und begrabte alles in ihrem inneren. Dies versuchte sie nun auch mit der Sympathie, welche sie deutlich spürte. Um anschließend auf andere Gedanken zu kommen, zündete sie sich eine Zigarette aus ihrer Malboro Packung an und inhalierte den wohltuende Rauch dieser.

Hellu Guys!🥰
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