29. Alex

3.2K 155 13
                                    

Die nächsten Tage war ich durchgehend ziemlich neben der Spur. Ständig dachte ich an meine Eltern und die Dinge, die ich von Harry erfahren hatte. Ich musste die ganze Zeit daran denken, dass meine Eltern nicht mehr nach Hause kommen würden. Und ich überlegte, ob und wie ich das meinen Geschwistern erklären sollte. Ich fürchtete mich vor ihren Reaktionen auf diese Neuigkeit. Ich wusste noch, wie schlimm es war, als Maja und Ben bemerkten, dass unsere Eltern nicht nach Hause kamen. Doch mittlerweile kamen sie auch ohne sie gut zurecht und waren wieder so fröhlich und aufgestellt wie früher. Doch ich hatte Angst durch diese Neuigkeit diese alte Wunde wieder aufzureissen. Und auch bei Nick wusste ich nicht, wie er darauf reagieren würde, wenn ich ihm sagen würde, dass Mom und Dad tot waren.

Ausserdem quoll mein Kopf beinahe über vor Fragen. Ich wollte wissen, wie meine Eltern waren. Wollte mehr aus ihrem Leben erfahren. Ich fragte mich, wieso sie uns versteckten und uns nicht in einem Rudel grosszogen, wie es üblich war. Aber am meisten dachte ich über ihren Tod und ihr Rudel nach. Harry meinte sie wären überfallen und umgebracht worden, doch wieso? Und von wem? Weil mein Vater der Alpha war? Oder gab es einen anderen Grund? Und was war mit dem Silver Moon Rudel? Ihr Alpha war tot, also wer führte sie an?

Am Montag in der Schule konnte ich mich nicht auf den Unterricht konzentrieren und hing meinen Gedanken nach. Scheinbar war es ziemlich offensichtlich, denn ich bekam mehr als einmal eine Mahnung von meinen Lehrern, dass ich besser zuhören sollte. Auch Liz fragte mich in der Pause, ob es mir gut ginge, da ich scheinbar ziemlich gedankenverloren wirkte. Ich sagte allen, dass es mir gut gehe und versuchte mich mehr zu konzentrieren.

Doch als ich am Abend auf dem Weg zur Arbeit war, musste ich einsehen, dass es keinen Sinn hatte jetzt dort hin zu gehen. Ich fuhr an den Strassenrand und rief schnell meinen Chef an. Ich sagte ihm, dass ich hohes Fieber hätte und ich daher nicht kommen könnte. Anschliessend machte ich kehrt und fuhr zum Rudelhaus des Shadow-Rudels.

Dort angekommen klingelte ich und fragte Hannah, die mir die Tür öffnete, wo ich Harry finden könne. "Der ist beim Alpha im Büro. Du weisst wo das ist?" Ich nickte schnell und ging die Treppe hoch. Vor der Holztür, die in Nates Büro führte, blieb ich stehen und atmete einmal tief durch. Anschliessend klopfte ich zögerlich.

"Ja?", hörte ich Nates Stimme durch die Türe. Noch einmal atmete ich tief durch und öffnete dann die Türe. In dem grossen Zimmer stand mittig ein grosser Schreibtisch, hinter dem Nathan sass und auf irgendwelche Blätter schaute. Mit dem Rücken zu mir vor dem Tisch lehnte Harry auf einem der Stühle und schaute in meine Richtung. Als er mich erblickte, lächelte er mir freundlich zu. "Ähm, hallo", grüsste ich leise.

Überrascht schaute Nate auf, als er mich hörte. "Alex, was machst du denn hier?", fragte er überrascht. Ich konnte deutlich sehen, dass er sich freute, dass ich da war. Seine Augen begannen zu leuchten und er lächelte mich glücklich an. Ich fühlte mich direkt etwas ruhiger und war irgendwie erfreut, ihn in der Nähe zu haben. "Ich hoffe ich störe euch nicht?", meinte ich fragend. Nates Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: "Natürlich nicht. Du störst mich nie. Aber ist alles in Ordung?"

Ich lächelte ihn beruhigend an und nickte. Ich setzte mich auf den Stuhl neben Harry und erklärte den beiden: "Ich konnte nicht aufhören über unser Gespräch von letztens nachzudenken. Und ich wollte fragen, ob du mir nicht noch etwas mehr über meine Eltern erzählen könntest." "Natürlich. Was willst du denn noch wissen?", fragte Harry mit einem sanften Lächeln.

"Ich habe so viele Fragen. Wer waren sie? Wer war ihr Rudel? Wer hat sie überfallen und umgebracht? Existiert das Rudel überhaupt noch?" „Okay langsam", lachte Harry, „Eine Frage nach der anderen. Also man weiss nicht wer es war. Man konnte es nie jemanden nachweisen. Da kann ich dir leider keine befriedigende Antwort geben." Er schaute mich entschuldigend an. Ich nickte nur leicht betrübt. „Das Rudel gibt es allerdings noch. Nachdem sie ihren Alpha verloren hatten, gab es einige Machtkämpfe und der Stärkste wurde zum nächsten Alpha. Es gewann ein Werwolf namens Cirian und er übernahm das Rudel."

Ich sah, wie Nate bei diesem Namen das Gesicht verzog. „Kennst du diesen Cirian?", fragte ich ihn. Er nickte und meinte: „Ich habe ihn schon bei einigen Alphatreffen getroffen." „Und du magst ihn nicht." Es war weniger eine Frage als eine Feststellung von mir. Diesmal zögerte Nate ein wenig meinte dann aber: „Er ist ein arroganter, machtbesessener Idiot. Er ist hauptsächlich darauf aus sein Revier zu vergrössern und kümmert sich dabei kaum um diejenigen, die schon in seinem Rudel sind."

Irgendwie machte mich das gerade unglaublich traurig aber auch wütend. Ich wusste nicht genau wieso, aber das Wissen dass es dem Rudel meines Vaters nicht gut ging unter der Führung ihres jetzigen Alphas, liess mich unruhig werden. Nate erzählte noch, wie dieser Cirian bei den Alphatreffen immer wieder Probleme machte und keine Kompromisse eingehen würde.

Wahrscheinlich merkte man mir an, dass etwas nicht stimmte und ich immer wütender wurde, denn irgendwann fragte mich Nate: „Ist alles in Ordnung, Alex?" Zuerst wollte ich lügen und sagen, dass alles Bestens wäre, doch schliesslich sagte ich die Wahrheit: „Ich weiss nich. Nicht so ganz. Ich fühle mich irgendwie verantwortlich für dieses Rudel, obwohl ich noch nie jemandem von ihnen begegnet bin. Und zu hören, dass es ihnen so schlecht geht macht mich richtig wütend."

Harry lächelte mich wieder einmal sanft an und erklärte mir: „Im Normalfall wird der Alphaposten innerhalb einer Familie weitergegeben. Meistens an das erstgeborene Kind, aber manchmal auch an ein jüngeres. Man erkennt meist schon ziemlich früh, ob das Kind zum Alpha werden wird. Und ich gehe davon aus, dass rechtmässig du den Posten deines Vaters übernommen hättest. Und du scheinst dich jetzt um dein Rudel zu sorgen."

„Moment, ich soll eine Alpha sein?"

My wolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt