Mondlicht

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Es war bereits weit nach Mitternacht, als ich mich in der Kneipe von meinen Saufkumpanen verabschiedete, um mich auf den Heimweg zu machen. Der Mond stand hell am Himmel und ließ mich einen kurzen Augenblick erschaudern. Nein, ich hatte keine Angst, denn so schnell konnte mir niemand etwas anhaben.

Es war der Einfluss, den der Mond auf mich ausübte. Auch wenn dieser noch nicht voll war, hatte er dennoch seine Wirkung auf mich und ich war froh, dass ich mich mittlerweile so gut im Griff hatte. Nach all den Jahren, in denen mir das nicht gelungen war. Mit Grauen dachte ich an die Menschen, die meiner Natur zum Opfer gefallen waren. Aber ich hatte schließlich irgendwann gelernt, mich zu beherrschen. Das war wahrhaftig nicht leicht gewesen, aber es hatte sich gelohnt, es zu versuchen.

Leise schloss ich die Haustüre auf und machte Licht in dem schmalen Flur. Mit einem kurzen Blick in den Spiegel neben der Garderobe, entledigte ich mich meiner Jacke so wie meiner Schuhe, bevor ich lautlos weiter in Richtung des Wohnzimmers ging. Von dort drangen leise Stimmen an mein Ohr. In der Tür des Raumes blieb ich einen Moment stehen und mein Blick fiel auf das Sofa, wo sich mein Mitbewohner leise schnarchend zusammengerollt hatte. Schmunzelnd trat ich an die Couch und ging in die Hocke. Sanft strich ich dem Schlafenden über den Arm und flüsterte ihm ins Ohr: »Wach auf, Lysander, ich bin zurück.«

Wie von der Tarantel gestochen fuhr dieser aus seinem Schlaf und fauchte mich an wie eine Katze, wobei er mir seine Fänge präsentierte. Doch das brachte mich lediglich zum Lachen. Wir waren uns so verdammt ähnlich und gleichzeitig doch so verschieden. Der Vampir und der Wolf, eine in meinen Reihen nicht gerne gesehene Verbindung. In Lysanders Kreisen war unsere Freundschaft ein absolutes No-Go. Aber das störte uns nicht im Geringsten.

»Warum weckst du mich?« Lysander streckte sich und gähnte, bevor er die Arme um meinen Nacken legte.

Verzückt sog ich den einzigartigen Geruch von Sandelholz, den der Vampir verströmte, in mir auf. Ich liebte diesen Duft.

»Sollte ich nicht? Ich wollte mich nur zurückmelden. Du kannst gleich weiterschlafen. Es sei denn, du hast etwas anderes vor.«

Lysander lehnte sich etwas zurück und musterte mich mit diesem hintergründigen Grinsen auf seinen sinnlichen Lippen. Langsam erhob ich mich und zog den Vampir sanft vom Sofa. Es brauchte keiner weiteren Worte. Wir verstanden uns auch so. 

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