Versöhnung

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Als ich aufwachte war ich allein im Schlafzimmer. Es war relativ klein, zumindest im Vergleich zum Rest des Hauses. Außer dem Bett war nicht mehr besonders viel hier drin. Es gab noch zwei Nachtkästchen, auf denen ein paar Bilder von Marcs Familie standen. Sonst gab es nur noch die großen Fenster. Es gab keinen Schrank. Ich schätzte also, dass Marc ein Ankleidezimmer hatte. Das wunderte mich allerdings etwas, da Marc eigentlich nicht besonders viele Klamotten hatte. Außer Sportklamotten hatte er eigentlich sogar ziemlich wenige. Vielleicht hatte sich über die Jahre dann doch etwas verändert.

Vorsichtig verließ ich das Schlafzimmer. Ich wollte mich auf die Suche nach Marc begeben. Es gab noch die ein oder andere Sache, die wir bereden mussten. Im Grunde wusste ich nicht, wo ich wohnen sollte. Keine Ahnung, ob es eine gute Idee wäre bei Marc einzuziehen oder ob er das überhaupt wollte.

Sonst blieb mir eigentlich nichts anders übrig als erst einmal wieder zu meinen Eltern zu ziehen und mir dann eine neue Wohnung zu suchen. Eines war für mich allerdings klar, und zwar, dass ich in Cervera bleiben wollte. Es war Zeit für mich wieder nach Zuhause zurückzukehren. Jetzt musste ich nur noch meinen Eltern erklären, warum ich wieder Single war. In diesem Moment würde ich sie brauchen. Wir hatten immer ein gutes Verhältnis und haben oft telefoniert.

Ich fand irgendwann die Küche, obwohl ich mich hier nicht auskannte. Dort stand allerdings Álex drinnen, der gerade Kaffee kochte. Am liebsten wäre ich so schnell wie möglich umgedreht und weggelaufen, aber er hatte mich bemerkt. Das war also keine Option. Ich musste mich ihm also jetzt wohl oder übel stellen. Vor allem da ich noch Marcs T-Shirt trug. Zum Glück hatte ich mir zumindest eine Hose angezogen. „Hi Elli.", begrüßte er mich in einem wesentlich freundlicheren Ton als beim letzten Mal.

Ich drehte mich zu ihm und konnte sofort seinen Schock erkennen. „Was ist denn mit dir passiert?", fragte er dann. „Mein Verlobter, also mein Ex-Verlobter, hat gehört wie ich mich Marc telefoniert habe und ihm gestanden habe, dass ich noch Gefühle für ihn habe. Das hat er wohl nicht ganz so gut aufgenommen. Ich habe mich sofort in den Zug gesetzt und Marc hat mich lieberweise vom Bahnhof geholt." Müde rieb ich mir die Augen, während ich redete. Mich wunderte es selbst, dass ich das ganze so ruhig und vor allem ohne zu weinen aussprechen konnte.

Álex lächelte mich sanft an und reichte mir eine Tasse Kaffee. „Tut mir leid, dass ich das letzte Mal so hart zu dir war. Da ist wohl mein brüderlicher Beschützerinstinkt mit mir durchgegangen." Ich lächelte zurück und winkte mit der Hand ab. „Schon gut, dass hatte ich verdient." Álex ging an den Kühlschrank und holte einen Kühlbeutel aus dem Gefrierfach und wickelte es in ein Küchentuch. „Hier halt dir das an dein Auge, sonst wird der Bluterguss nur noch schlimmer."

Der Kühlakku, den mir Marc gebracht hatte war natürlich mittlerweile warm und lag noch in seinem Bett. Es tat gut das Auge zu kühlen, von dem Bluterguss an meinen Rippen gar nicht erst zu sprechen. Dankbar nahm ich den Kühlbeutel an. „Ganz ehrlich Elli mich würde es freuen, wenn das mit dir und Marc wieder etwas werden würde. Bitte werde dir aber erst einmal bewusst was du willst. Ich möchte das du dir sicher bist." Ich nickte. „Ich weiß zu schätzen wie viele Sorgen du dir um Marc machst. Keine Sorge. Ich werde nichts überstürzten."

Natürlich wusste ich, dass das nur teilweise der Wahrheit entsprach, denn das gestern hatte nichts von etwas ‚nicht zu überstürzten'. Gut genau genommen war abgesehen von einem Kuss nichts passiert, doch das hatte einen anderen Grund. Álex musste aber auch nicht alles wissen. Es gab auch Dinge, die ihn nichts angingen. Natürlich musste ich mir über einiges klar werden, bevor ich mich wieder voll und ganz auf Marc einlassen würde.

Zum Ersten hatte ich mir tagelang Gedanken darüber gemacht, für was ich mich entscheide. Ich hat die gesamte Zeit über die Sicherheit gefehlt. Mein Grund mich jetzt gegen Gabriel zu entscheiden, war auch sehr eindeutig. Marc hatte es verdient, dass ich mir zu 100 Prozent sicher war. Es reichte nicht, dass mich die Umstände zu ihm getrieben hatten. Ich möchte, dass alles wirklich wollen. Ich kannte meine Gefühle, doch das reichte nicht.

Zum Zweiten wurde, wenn wir wieder zusammen wären, natürlich auch der Punkt wieder aktuell, weshalb ich ihn vor sechs Jahren verlassen habe. Ich wäre dann wieder als seine Freundin dabei, vielleicht nicht nur, aber trotzdem würde ich in der Box stehen und wieder wissen, dass wenn etwas passiert, ich alles verlieren würde. Es hatte sich zwar auch einiges verändert über die Jahre, vor allem mein Wissen über die Maschinen, doch wie das für mich wirklich werden würde, dass wusste ich erst, wenn er auf dem Motorrad saß.

Zum Dritten gab es natürlich noch das allgemeine Thema, dass wir miteinander arbeiteten. Das könnte auch zu Schwierigkeiten führen. Es wäre falsch sich jetzt einfach blind da hineinzustürzen. Natürlich wollte ich ihn zurück. Das einzige Hindernis war Gabriel gewesen. Der war jetzt kein Thema mehr. Es hörte sich etwas hart an, aber ich hatte immer noch Gefühle für Marc und verdammt hatte ich meinen besten Freund über die Jahre vermisst.

Mit ihm fühlte sich das Leben einfach ein Stück leichter an. Auch wenn sein hektisches Leben manchmal Komplikationen mit sich bringen konnte, nahm er mir doch so viel Last von den Schultern. Es war nicht sein Leben, es war er selbst. Das war mir besonders bewusst geworden als ich ihn gesehen habe, nachdem ich aus dem Zug gestiegen bin.

Ich nahm den Kühlbeutel schließlich von meinem Auge und legte ihn vorsichtig auf meine Rippen. Álex runzelte die Stirn. „Was hast du da?", fragte er etwas verwirrt. Wortlos zog ich mein, beziehungsweise Marcs T-Shirt nach oben, welches Álex bisher tatsächlich unkommentiert gelassen hatte. Obwohl sich der Bluterguss ziemlich weit nach oben zog und Álex nicht alles sehen konnte, war ihm der Schock ins Gesicht geschrieben.

„Gott Elli, was machst du nur für Sachen?", sagte er und ging vorsichtig auf mich zu. Er zog mich in eine leichte Umarmung. Schnell umarmte ich ihn zurück und er drückte mich etwas fester an sich. Keine Ahnung wann wir uns das letzte Mal umarmt hatte. Auch wenn ich und Álex uns immer sehr gut verstanden haben, so hatten wir doch selten das Bedürfnis uns einfach nur zu umarmen.

Trotzdem tat es gut. Vor allem, weil Álex so kritisch gegenüber Marc und mir war. Gerade in diesem Moment gab er mir doch wieder das Gefühl, dazu zu gehören. Fast so als hätte ich alles was passiert war wieder gut gemacht. Das war natürlich nicht der Fall, aber es war ein Anfang. Wir lösten uns schließlich wieder und Álex schenkte mir einen zweiten Kaffee ein, denn meinen hatte ich mittlerweile geleert.

Marc betrat die Küche. „Oh, du bist ja wach.", sagte er und sah vorsichtig zu Álex. Er schien wohl zu wissen wie Álex über uns beide dachte. Álex lächelte leicht und dann ging Marc auf mich zu und gab mir einen Kuss auf die Wange. Er legte seinen Arm um meine Hüfte, während ich weiter gegen die Tischplatte lehnte. „Das ist sogar schon mein zweiter Kaffee.", sagte ich dann und Marc grinste.

„Dann lass ich euch mal allein. Ich würde euch vorschlagen miteinander zu reden und so einiges klarzustellen.", sagte Álex und verließ dann die Küche. Ich lehnte mich gegen Marc, der mich dann von hinten umarmte. „Álex hat recht. Wir müssen reden.", murmelte ich. Marc ließ mich wieder los. „Komm suchen wir uns einen ruhigen Ort.", erwiderte er. „Ich kenne mich hier nicht aus. Dein Haus."

„Stimmt. Vielleicht sollten wir zuerst eine kleine Führung machen. Auch wenn du sicher süß aussiehst, wenn du in meinem T-Shirt durch das Haus tapst.", sagte er dann. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Ich nickte und Marc zeigte mir zumindest einen Teil des Hauses. Es gab vor allem eine große Garage, doch mir gefiel das Haus. Es war sehr gemütlich eingerichtet. Ein Pool im Garten und natürlich ein nicht zu verachtender Trainingsraum, den ich allerdings erstmal nicht mehr von innen sehen würde.

Marc beendete die kleine Führung auf dem großen Balkon. Man hatte von hier aus einen relativ schönen Ausblick über Cervera, da das Haus etwas höher gelegen war als der Rest der Stadt. Marc und ich setzten uns auf eine der Bänke, die hier draußen standen. 

Last DanceWhere stories live. Discover now