6.Kapitel

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Zum ersten Mal seit den letzten Wochen verbrachte ich die Nacht gesund und traumlos schlafend, was trotzdem nicht viel am nächsten Tag änderte; ich fühlte mich immer noch wie gerädert.

Mit tauben Gefühlen schleppte ich mich ins Bad und versuchte mich zumindest etwas fertig zu machen. Die Augenringe waren mir echt egal, also ließ ich das Make-Up wo es war und verließ schließlich das Badezimmer.

Der restliche Abend war ziemlich zäh verlaufen und als Gastgeberin hatte ich die Arschkarte gezogen, weil ich bis zum Ende bleiben musste.

Um 02:15 Uhr war schließlich auch Ava gegangen. Sie hatte mir noch mit dem Aufräumen geholfen, weil sie mitbekommen hatte, wie unmotiviert ich war mich allein darum zu kümmern.

Wahrscheinlich wäre es schlauer und besser für unsere Energiereserven gewesen den Termin auf Freitag zu verlegen. Am Wochenende fand eine große Party statt, für diese konnte ich nur so zumindest etwas Schlaf und Energie bekommen, falls ich gehen sollte.

Die Schulstunden waren anstrengend. Erst nach den letzten Wochen, in denen ich kaum aufgepasst hatte, fiel mir auf wie viel ich verpasst hatte.

Bis zu den ersten Examen hatte ich einiges nachzuholen und wenn ich nicht bald anfing war der Job in dem Business meiner Eltern verloren. Miss Kim war bereits im Kunstraum, als ich nach der letzten Stunde zu ihr in den Club kam.

„Setz dich Robyn. Die anderen kommen gleich, du kannst schon mal anfangen, wenn du magst."
Ich dankte ihr und besetzte wie immer meinen Einzeltisch, auf dem ich meine Sachen und Materialien ausbreitete. Gedankenverloren blätterte ich durch die bezeichneten und bemalten Seiten und blieb schließlich an meinem Versuch die Frau aus meinen Träumen zu zeichnen, hängen. Nachdenklich musterte ich die unausgeprägten, krakeligen Gesichtszüge und fuhr sie mit dem Zeigefinger nach.

Dann ergriff ich einen Stift und ein leeres Papier und fing an mit gezielten, ruhigen Bewegungen meine Skizzierung zu übertragen.

Bis auf die kantige Gesichtsform und die welligen, etwas über die Schulter reichenden Haare, ließ ich den Rest weg. Vielleicht würde sie noch öfter in meinen Gedanken oder Träumen auftauchen und dann konnte ich das Porträt vollenden.

„Alles gut Robyn? Kommst du zurecht?", meine Lehrerin sah von den Blättern auf, die sie sortierte.
„Ja", erwiderte ich zögernd, „Ich habe nochmal ein neues Porträt angefangen, wenn das in Ordnung ist."
„Zeig mal", sie erhob sich, kam auf mich zu und beugte sich über den Tisch um das Papier in beide Hände zu nehmen, „Warum machst du nicht weiter?"

Ich zuckte die Schultern: „Ich weiß nicht wie sie ansonsten aussieht."

„Hm", Miss Kim schien für einen Moment überrascht, dann klopfte sie mir auf die Schulter und sagte während sie zu ihrem Platz zurückkehrte, „Das wirst du schon noch rechtzeitig herausfinden."

Die restliche Stunde zog ich mich mit Musik in einen stillen Raum zurück und bekritzelte ein Blatt Papier mit all dem was ich bis jetzt wusste- und das war nicht viel.

Es bereitete mir Sorgen, das ich von einem auf den anderen Tag einfach nichts mehr von den Träumen sah und hörte. So plötzlich konnte es doch nicht vorbei sein, oder? Und was hatte es zu bedeuten, was ich sah?

Es war schwierig Behauptungen zu Argumenten zu wandeln, wenn ich nur auf einen verworrenen Haufen Wörter bauen konnte. Ich musste wieder träumen, damit...

Mit einem Kopfschütteln unterbrach ich mich selbst. Die ganze Zeit fürchtete ich mich vor den Träumen und jetzt, nach einer Nacht mit gesundem Schlaf, betete ich bereits dafür, dass sie zurückkommen würden?

HuntedWhere stories live. Discover now