4.Kapitel

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eintausendachthundertfünfundvierzig, eintausendachthundertsechsundvierzig, eintausendachthundertsiebenundvierzig

Mittlerweile war ich das fünfte Mal fast bei den 2000 Sekunden angelangt. Draußen graute der Morgen und ich saß hier auf dem Boden vor meinem Bett und vergrub meinen Kopf in den Händen. Ich war schrecklich müde, aber ich durfte nicht einschlafen. Diese Albträume, die mich verfolgten waren weitaus schlimmer als die Erschöpfung zu spüren und deshalb verbrachte ich die letzten drei Nächte damit stundenlang vor mich hinzustarren und Sekunden zu zählen. Seufzend lehnte ich mich nach vorne, öffnete eine der Schreibtischschubladen und holte aus dem unterstem Fach eine rote Energy Dose.

Der Deckel knackte, als ich die Metallbüchse aufbrach und an der zuckersüßen Flüssigkeit nippte. Nachdem ich meinen Kopf noch einige Sekunden auf einem der Kissen abgelegt hatte, zwang ich mich zum aufstehen und warf einen Blick auf die Uhr.

05:34 Uhr

Wie an einem ganz normalen Morgen zog ich müde gähnend meine Tasche auf den Stuhl und packte alle Sachen, die ich brauchte und nicht in meinem Spind aufbewahrte. Meine Füße fühlten sich taub und unbeweglich an, als ich aus dem Raum und über den Flur ins Bad tapste.

Zumindest klärte Das kalte Wasser der Dusche meinen Kopf etwas. Mein Plan mit dem nicht schlafen war Schwachsinn, das wusste ich selber. Vielleicht hatte Melinda auch recht und es war nur eine kurze Phase, weil mich die Abbildung der Fremden in den spiegelnden Scherben zu sehr verstört hatte und schon morgen Nacht würde ich wieder von einer Blumenwiese träumen. Die Frau. Ein weiterer Punkt. Der Schlag auf den Hinterkopf musste dafür verantwortlich sein, dass ich einen Geist, eine Person, die meinem Gehirn entsprungen war, sah. Vielleicht war der Spiegel generell für die Albträume verantwortlich.

Ich stellte das Wasser ab, kletterte aus der Dusche und hüllte mich in ein flauschiges Handtuch.

Ob mich mein Gehirn weiter ärgern wollte oder nicht, würde ich wohl oder übel heute Nacht herausfinden. Zach's und mein Jahrestag stand an und gleich nach der Schule fuhr ich mit zu ihm nach Hause. Was auch immer mich dort erwarten würde, konnte ich nicht einschätzen aber ich war vorbereitet- bereit war ich noch lange nicht.

Ich brauchte länger als sonst im Bad um mich fertig zu machen. Make Up trug ich seltener und wenn meistens sehr dezent. Heute benötigte ich einiges um die Augenringe verschwinden zu lassen und nicht mehr auszusehen wie eine Mumie. Außerdem erwartete mein Freund an so einem besonderen Tag mit Sicherheit, dass ich aussah und roch wie eine Prinzessin.

In meinem Zimmer hatte ich mich zuvor für meine schönste Uniform entschieden. Den grünen Rock, einen passenden Blazer und eine weiße Bluse, die ich mit einer passenden Krawatte kombinierte.

Dann nahm ich mir gute fünf Minuten um ein falsches Lächeln im Badezimmerspiegel zu proben.

„Du siehst aus wie ein Esel, wenn du so grinst", sagte ich zu meinem mir nachahmenden Spiegelbild. Natürlich antwortete es nicht. Wie auch? Es war schließlich nicht mehr als eine gefühllose Fassade.

„Gott, du wirst langsam verrückt", murmelte ich kopfschüttelnd, wandte den Blick von dem großen Spiegel ab und lief zurück in mein Zimmer um die Tasche und mein Geschenk zu ergreifen.

Meine Eltern schliefen noch, als ich herunter kam und bis auf das abklingende Brummen der Müllabfuhr war das Haus still.

Schnell mache ich eine der beruhigenden Playlisten auf meinem Handy an und versuchte bestmöglich mitzusingen, während ich Pancaketeig zubereitete.

Als ich fertig war, deckte ich gute Zweidrittel der Pfannkuchen mit Küchenrolle ab, schrieb eine kleine Botschaft für meine Eltern und stellte sie in den Kühlschrank. Mit dem Rest ließ ich mich auf einem der Stühle am Esstisch sinken und verteilte großzügig Ahornsirup darauf.

HuntedWhere stories live. Discover now