Teedrachengeheimnis (4)

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"Sie können Eed sehen?"

"Oh, er heißt Eed? Süßes Exempl-"

Eed schoss am Herrn im braunen Jackett vorbei, der geistesgegenwärtig einen halben Schritt beiseitetrat, und donnerte gegen das Regal, in denen die Teedosen standen. Eine der Dosen fiel dabei heraus. Herr Ti erkannte die Sorte bereits aus dem Augenwinkel heraus. Erdbeer-Eistee.

"Oh, den willst du jetzt?", murmelte Herr Ti. "Magst wohl keinen Schwarztee, was?"

Eed schnaubte schwarzen Rauch und landete auf der Dose. Ja, das war ein eindeutiges Zeichen. Herr Ti sah zu seinem einzigen Gast hinüber, der abwinkte.

"Ich habe Zeit, kümmern sie sich zuerst um ihren kleinen Freund."

Herr Ti lächelte dankbar und dieses Lächeln meinte er diesmal genau so, wie es aussah. Die Zeit, die er mit der Zubereitung des Tees zubrachte, versuchte er mit Smalltalk zu überbrücken.

"Sind Sie Engländer?"

"Nein, warum?", antwortete der Mann verblüfft.

"Nun, Männer mit braunen Anzügen oder Jacken sind doch immer Engländer. Habe ich zumindest gehört."

Der Mann im braunen Jackett, der kein Engländer war, lachte. "Nein, ich bin Buchhändler und wurde hier geboren. Meine Buchhandlung ist gleich nebenan und ich wollte nur meinen neuen Nachbarn begrüßen." Seine Augen folgten Eed, der ungeduldig um Herrn Ti herumflatterte. "Dass ich dabei auch einen echten Drachen kennenlerne, hätte ich nicht erwartet."

"Das hätte ich heute Morgen, als Eed mir zugelaufen ist, auch nicht gedacht." Eed, der wohl seinen Namen gehört hatte, landete auf Herrn Tis Schulter und krabbelte von dort aus den Arm hinab, auf die Teedose zu, die sich gerade schloss. "Nein, Eed, du musst warten, bis der Tee fertig ist. Wenn du ihn roh frisst, hustest du am Ende rosafarbene Wolken."

Eed schnaubte zur Antwort, schmiegte sich an den warmen Teekessel und gähnte. Dann krabbelte er wieder auf die Hand zurück und rollte sich zusammen. Gerade war er noch total aufgedreht, jetzt wurde er müde. Das kam eben davon, wenn man es mit dem Schwarztee übertrieb. Ob man Drachen erziehen konnte? Herr Ti sah zum Buchhändler hinüber.

"Sie können ihn sehen. Woran liegt das? Kennen Sie sich mit Drachen aus?"

Nein, irgendwie war das Quatsch. Er selbst kannte sich auch nicht mit Drachen aus. Mal abgesehen von den Legenden über die Drachen seiner Heimat. Aber Eed war ja anders. Ganz anders. Süß und speziell.

Der Buchhändler sah in die Ferne, an ihm und seinem Drachen vorbei, und Herr Ti war sich nicht ganz sicher, ob er die Frage gehört hatte. Doch dann fasste er sich wieder und blickte ihn direkt an. "Ich würde nicht unbedingt sagen, dass ich mich mit Drachen auskenne. Aber dieser sieht genauso aus, wie ich sie mir immer vorgestellt habe. Wie ich sie mir als ..." Er fuhr sich mit den Fingern über das glattrasierte Kinn, als ob er sich nicht sicher war, dass er noch mehr von sich verraten sollte. Doch dann fasste er offenbar einen Entschluss. "Sagen Sie, wann schließen Sie?"

Herr Ti befreite behutsam seinen Arm vom Drachen und sah auf seine Armbanduhr. "Gleich? Wieso?"

"Es gibt da etwas, das ... das ich Ihnen zeigen möchte."

Der Buchhändler hatte einen soliden ersten Eindruck auf ihn gemacht, es würde sicher nichts Schlimmes sein, das er ihm zeigen wollte. Und ... was sollte ihm schon passieren, jetzt, da er einen Drachen hatte, der auf ihn acht gab?

"In Ordnung." Herr Ti nickte. "Eine Tasse Erdbeere-Eistee?"

"Gerne. Warum heißt er eigentlich Eistee, wenn er doch heiß ist?"

GetränkedrachenWhere stories live. Discover now