Wie man einen Epilog erlebt

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5 Jahre später

Seufzend überkreuze ich meine Beine und lehne mich an einen Baum. Es war eine schlechte Idee gewesen, sich hier hinzusetzen. Ich habe keine Ahnung, wie ich wieder aufstehen sollte.
»Davina«, höre ich jemanden mich rufen. Ich neige meinen Kopf und sehe einen kleinen Punkt flink auf mich zurasen.
Ist das etwa ...
Ich komme gar nicht dazu meinen Gedanken weiterzuspinnen, da in weniger als einer Sekunde Asena vor meinem Gesicht schwebt. Unter Atemnot hechelt sie vor sich hin und versucht, mir irgendetwas zu sagen.
»Hol erst mal Luft«, schlage ich vor und lege den Kopf schief. Die kleine Fee habe ich zuletzt vor fünf Jahren gesehen, als ich völlig aufgelöst war und sie mir zu verstehen gab, dass es nicht normal war, das Rowan mein Leben verschont hat. Ich muss schmunzeln.
»Sag mir bitte, dass du das Band eingegangen bist.«
Ich ziehe eine Augenbraue hoch. Fünf lange Jahre habe ich nichts von meiner Freundin gehört und sie fragt nicht einmal, wie es mir in den letzten Jahren ergangen ist. »Was willst du hier?« Meine Stimme klingt schneidend, beinahe bedrohlich. In letzter Zeit klinge ich häufiger so.
»Davina, bitte«, fleht sie. »Der Dämon ...«
»Aedion«, unterbreche ich sie. »Was soll mit ihm sein?« Ich gebe zu, anfangs war es etwas merkwürdig gewesen zu wissen, das Aedion nie weit von mir entfernt war. Er hatte mir stets zu verstehen gegeben, das, wenn ich ihn nicht sehe, es nicht bedeutet, dass er nicht da ist. Oder eben doch, ich hatte es nicht ganz verstanden. Doch das war dem Dämon egal gewesen. Ihm war nur wichtig, dass ich verstehe, wenn ich ihn rufe, er sofort da ist. Zwar verstehen mein Gefährte und er sich immer noch nicht, aber sie akzeptieren sich. Und das ist wohl das Wichtigste.
»Ihr habt gerufen.« Kniend und mit gesenktem Kopf ist der besagte Dämon aufgetaucht, der sein Gesicht wieder einmal unter seiner Kapuze und seinem Tuch verschleiert. Als er aufschaut, kann ich sehen, wie sein rechtes Augenlid zuckt.
Ich runzle die Stirn und schaue zu der kleinen Fee, die mit wutverzerrtem Gesicht zu ihm herunter schaut. »Du«, zischt sie, während Aedion seinen Blick abwendet und die Ferne schaut, als sei dort etwas Interessanteres.
»Was ist hier los?«
»Dieser Abschaum«, Asena funkelt den Dämon ein letztes Mal an, ehe sie wieder zu mir schaut. »Hat mich gezwungen, mich fünf Jahre von dir fernzuhalten.«
»Stimmt das?« Ich schaue zu Aedion, der mir sofort seine gesamte Aufmerksamkeit schenkt. Er nickt. »Warum?« Das klingt so gar nicht nach ihm. In den letzten Jahren war er nicht nur ein guter Berater geworden, sondern auch ein Freund. Ein Freund, wie Kova es einst war. Ich hatte Vertrauen zu ihm aufgebaut – ihm genauso sehr vertraut, wie ich Rowan vertraue.
»Ich wollte es wissen.« Ich ziehe eine Augenbraue hoch, was den Dämon dazu veranlasst laut zu seufzen. »Du bist nicht nur die Tochter von Chronos, sondern auch die von Marianne.« Als ob ich das nicht schon längst wüsste. »Ich wollte wissen, ob in dir vielleicht doch mehr von Marianne steckt.«
Ich schüttle den Kopf. »Ich glaube ich kann dir nicht ganz folgen.«
»Sie hat den einfachen Weg eingeschlagen. Sie hatte sich für Nyr entschieden und somit uns alle zum Untergang verurteilt«, erklärt er. »Ich wollte wissen, ob du dich auch so entscheiden würdest. Ob du dich gegen Rowan entscheiden und somit den leichteren Weg einschlagen würdest.«
»Und wenn es so gewesen wäre?«
»Dann hätte ich dich nicht regieren lassen. Mein Schwur bindet mich an dich und das ist okay – ich wollte es so. Aber falls du dich erinnerst, warst du zu dieser Zeit leicht manipulierbar.«
»Das erklärt mir immer noch nicht, warum du Asena weggeschickt hast«, zische ich.
»Sie hätte dir die Wahrheit gesagt. Sie hätte dir verraten, dass eine Gefährtenbindung niemanden zerstören kann. Dorian war nur ein Narr. Er wollte sich nur nicht eingestehen, dass ein Mann sein Gefährte war. Und wohin hat ihn das geführt?«
In den Tod, schießt es mir in den Kopf. Vor zwei Jahren ist Dorian gestorben. Ich hätte gerne geglaubt, dass er ermordet wurde, wie einst Kova, aber ich wusste es besser – wir wussten es alle besser. Als Kova starb, starb auch ein Teil seiner Seele. Mit der Zeit ist immer mehr seiner übrig gebliebenen Seele verrottet, bis nichts mehr übrig war und Dorians leere Hülle letztendlich auch aufgab.
»Du hättest mich also dem gleichen Schicksal überlassen, wie Dorian?«
Er schüttelt den Kopf. »Natürlich nicht. Wie gesagt, ich hätte dich nur nicht regieren lassen.«
Ich spüre das Feuer in meinen Adern lodern. Siedendheiß bahnt es sich an die Oberfläche. Kribbelt an meiner Haut. Will herausbrechen. Und ich bin bereit ...
Plötzlich spüre ich eine warme Hand um meinen Bauch, die mich an einen kräftigen Oberkörper zieht. »Beruhige dich, Liebes.« Rowans samtweiche Stimme dämpft das Feuer in mir und somit auch meine Wut. »Sei nicht wütend auf ihn.«
»Warum nicht?«
»Du warst damals nicht da. Du weißt nicht, was alles passiert war. Jemanden wie Marianne oder gar Nyr, hätten wir niemals überlebt.«
Ich lege meinen Kopf halb in den Nacken und schaue meinen Gefährten an. »Verteidigst du gerade wirklich Aedion? Den Mann, den du mehr als alles andere verabscheust?«
Rowan zuckt mit den Schultern. »Der Gedanke beruhigt mich, das noch jemand da ist, der sich um dich sorgt und dich beschützen wird.«

DragonbloodWhere stories live. Discover now