Wie man Totgeglaubte wiedersehen kann

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»Warum sagst du mir das?« Meine Augen brennen, während das Blut in meinen Adern heiß in meinen Adern pulsiert. Knurrend balle ich meine Hände zu Fäusten, doch auch das hält das Feuer, das offenkundig in mir lodert, nicht auf. Ich spüre es in jeder Pore in meinem Körper.
     »Du musst eine Entscheidung treffen.« Aedion macht eine Pause. Soll das etwa dramatisch wirken? Blödsinn! »Noch heute.«
     »Worüber? Ob ich die Königin dieses verhassten Landes sein will?« Ich schnaube. »Nein danke. Jahrelang wurde ich von jedem Einzelnen gemieden und verachtet. Meine ach so tolle Ziehmutter wollte mich töten und meine richtige Mutter hat mich im Wald ausgesetzt.« Das Blut in meinen Adern wird heißer. Es lodert brennend durch meinen Körper. Langsam frage ich mich wirklich, was das zu bedeuten hat.
     »Ich glaube, das Rowan dein Seelengefährte ist.« Er zuckt mit den Schultern. »Anders kann ich mir das einfach nicht erklären.«
     Ich seufze. Es ist wahr, dass ich mich in der Gegenwart des Königs anders gefühlt habe. Das ich dumme Entscheidungen getroffen habe, was ihn betrifft.
     Ich greife nach der Kette um meinen Hals und ziehe kräftig daran. Einige Silberstücke des Bandes zerbrechen und landen klimpernd auf das Gras. Der grüne Edelstein der Kette hat ihren Glanz verloren. Kaum zu glauben, dass dieses Ding so eine Macht hatte.
     »Er wird heute heiraten.«
     Mit großen Augen wende ich meinen Blick von der Kette ab und starre zu Aedion. Mein Atem stockt, während mein Herzschlag schneller und schmerzhafter in meiner Brust schlägt, als jemals zuvor. Es fällt mir sehr schwer, die Fassung zu wahren und meine Stimme ruhig zu halten. »Bist du dir sicher?«
     »Das er heiratet? Natürlich bin ich mir sicher.«
     Ich schüttle den Kopf. »Ich meine, dieses G-Gefährten-Ding.« Meine Stimme zittert und ich würde mich am liebsten selbst Ohrfeigen, mir diese Blöße gegeben zu haben. Ich weiß nicht, woher dieser Gedanke kommt, aber ich glaube, es hat etwas mit dem Drachen in meinem Inneren zu tun.
     »Das kannst nur du mir sagen.« Beinahe hilflos zuckt Aedion mit den Schultern. »Die Magie der Kette ist gebrochen. Deine Erinnerungen und deine unterdrückte Natur sind wieder zurück. Nur wenn du dich dem falschen König stellst, kannst du dir sicher sein, ob er nun dein Seelengefährte ist oder nicht.«
     Ich schlucke, ehe ich mich traue, die Frage zu stellen, die mir schon seit einer Weile auf der Zunge brennt. »Ich bin ein Halbdrache. Zur Hälfte Mensch, zur Hälfte Drache. Bedeutet das, wenn Rowan dieser Gefährte ist, das ...« Noch ehe ich meine Gedanken weiter ausführen kann, unterbricht mich der Dämon. »Er wird entweder das Beste für dich sein oder das Schlimmste.« Noch ehe ich die Bedeutung von Aedions Worten verstehe, verschmilzt der Dämon mit den Schatten und lässt mich allein.

***

Ich weiß nicht wie lange ich schon außerhalb des Schlosses herumschlendere, aber ich schaffe es einfach nicht die Hauptstadt zu verlassen. Ich weiß, was meine Ziehmutter meinem Ziehvater bedeutet hat. Auch sie waren Gefährten. Sie waren zwar Werwölfe, aber ich kann mir kaum vorstellen, dass es einen großen Unterschied macht, ob man nun ein Drache oder ein Wolf ist. Außer das gleichzeitig sterben vielleicht.
     Ich weiß nicht, was ich tun soll. Einerseits interessiert es mich brennend, ob mein Gefühl mich getäuscht hat, ob es bloße Dummheit war mich in diesen König zu verlieben, doch ...
     Ich schließe die Augen.
  »Davina.«
     Augenblicklich schlage ich die Augen auf. Ein Mann mit feuerroten Haaren steht vor mir. Sein glattes Haar geht ihm bis zu den Schultern. Die stechend silbernen Augen des Fremden fixieren mich. Durch die schwarze Montur, die ihn wie einen kaltblütigen Auftragsmörder wirken lässt, wirkt er ziemlich einschüchternd. Doch komischerweise spüre ich keine Angst.
     Ich erkenne ihn nicht sofort, doch als es mir schlagartig bewusst wird, weiche ich zurück.
     »Endlich kannst du mich sehen.« Erleichtert seufzt er. »Es tut so gut, dich endlich kennenlernen zu dürfen.«
     Ich beiße mir auf die Unterlippe – unsicher, wie ich reagieren soll. »Das Gleiche kann ich jedoch nicht behaupten«, zische ich schließlich.
     Der Mann legt den Kopf schief und schenkt mir ein aufrichtiges Lächeln. »Das ist in Ordnung. Jede andere Art von Reaktion hätte mich enttäuscht.«
     Ich beiße mir auf die Zunge. Sollte er nicht tot sein? Und doch steht er hier vor mir und wirkt lebendiger, als ich mich momentan fühle. Die Ähnlichkeit ist nicht zu übersehen. Die Farbe seines Haars gleicht meinem und doch hatte ich angenommen, das Chronos furchteinflößender aussehen müsste. Ein entstelltes Gesicht? Einige Narben? Irgendetwas! Doch seine Haut ist genauso rein wie meine.
»Ich würde gerne wissen, wie es dir die letzten Jahre ergangen ist.« Ich schnaube. Genau. Weil es so spannend ist über meine tägliche Hänseleien und Misshandlungen zu sprechen. »Aber.« Seine Stimme klingt auf einmal so autoritär, dass ich unweigerlich zusammenzucke. »Wir haben Wichtigeres zu besprechen.«
     Ich lege den Kopf schief, was anscheinend den Totgeglaubten Drache zum Lächeln bringt. »Marianne«, flüstert er.
Chronos räuspert sich. »Was glaubst du, warum die anderen Drachen mich auf den Thron sehen wollten?«
     Ich zucke mit den Schultern. »Deine Verbindung zu der Königin?«
     Chronos lacht. »Oh, davon wussten sie nichts.« Er schüttelt den Kopf. »Es ist mein Blut.« Hellhörig schaue ich ihn eindringlich an. Ist es doch nicht normal? Hat Chronos das gleiche lodernde Blut wie ich?
     Vorsichtig wage ich mich heran. »Was ist mit deinem Blut?«
     Er zieht eine Augenbraue hoch, was wahrscheinlich so viel bedeuten soll wie: Solltest du das nicht am besten wissen?
     »Unser Blut ist selten«, sagt er schließlich. »Es hat eine außergewöhnliche Macht.«
     »Wenn das so ist«, sage ich und deute mit meiner Hand auf das Schloss, das sich hinter ihm befindet. »Dann hol dir doch, was für dich bestimmt ist«, spotte ich. »Rowan macht dir bestimmt Platz.«
     Zwischen Chronos' Augenbrauen bildet sich eine tiefe Falte. »Ich bin tot«, widerspricht er.
     »Du siehst ziemlich lebendig aus.«
     Er schüttelt den Kopf. »Du kannst mich sehen, weil mein Blut durch deine Adern fließt. Weil du dazu in der Lage bist, durch die Zeiten zu sehen.« Ich beiße mir auf die Unterlippe. Ich weiß, wovon er spricht. Ich habe Kovas Tod gesehen, bevor er geschehen ist. Ich habe Aedions Schwur gesehen, bevor er ihn überhaupt schon geleistet hat. Ich habe die Hinrichtung der Menschen gesehen, die Jahre zurückliegen.
     »Konntest du das auch?«
     Chronos schüttelt den Kopf. »Ich konnte nur in die Zukunft sehen.«
     Ich beiße mir auf die Zunge, um keinen vor Spott triefenden Kommentar abzugeben. Ein toter Drache, der in die Zukunft sehen konnte, aber nicht seinen eigenen Tod vorhergesehen hat. Ironisch.
     Mit einem Mal überschlagen mich mehrere Gedanken und als ob der Mann vor mir sie auch hören könnte, nickt er zustimmend. »Ich habe gesehen, das ich erdolcht werde.« Er seufzt. »Ich konnte nicht sehen von wem, weswegen ich an meinem Schicksal nichts ändern konnte. Aber ich konnte deins ändern.« Sein durchdringender Blick durchbohrt mich. Etwas Sanftes funkelt in seinen Augen. Sieht so Liebe aus? Zuneigung? Ich weiß es nicht.
     »Hast du Aedion zu mir geschickt?«
»Aedion?« Hakt er nach. »Unfassbar. Der Dämon lebt noch?« Chronos sieht eindeutig überrascht aus. Aber warum?
     »Wusste er von mir?«
     Chronos verneint wieder mit einem Kopfschütteln. »Niemand wusste es.«
     Ich runzle die Stirn. Woher wusste Aedion dann von mir? Offenkundig ist ihm bewusst gewesen, was ich bin und woher ich stamme. Aber wie ...
»Wie dem auch sei«, seufzend verschränkt er die Arme hinter seinem Kopf. »Du darfst Rowan nicht mit dieser ...« Ich sehe deutlich, dass er nach Worten ringt. »Elfenprinzessin«, er spuckt das Wort wie ein Schimpfwort aus. »Über Lythanica regieren lassen.«
     »Warum nicht?«
  »Ganz zu schweigen davon, dass durch ihre Adern nicht unser Blut fließt, ist es nicht ihr Schicksal.«
      Ich unterdrücke ein freudloses Lachen, weswegen ich einen komischen Grunzlaut von mir gebe. »Aber meins?«
Chronos nickt eifrig.
     »Offenkundig kennst du mich nicht gut. Wenn jemand es nicht verdient hat, Königin zu sein, dann ich.«
»Davina«, seufzend fährt er sich durch sein rotes Haar. »Du kannst in dieser Hinsicht niemandem vertrauen, nicht einmal Rowan. Er wird die falschen Entscheidungen treffen, obwohl er sie für richtig halten wird.«
     Vertrauen, schießt es mir in den Kopf.
»Egal, was jetzt auch passieren wird, du darfst niemandem vertrauen. Nicht dem König, nicht Prinz Dorian und vor allem nicht deinem Vater.« Das hat Kova, kurz bevor er starb, gesagt. Hat er das etwa gemeint? Kann es sein, dass mein bester Freund es gewusst hat? Unmöglich.
    »Wenn du es nicht für dein Volk machen willst, dann tu es wenigstens für Rowan.« Ich blinzle mehrmals und lege den Kopf schief. »Wenn er erfährt was du bist, was du für ihn bist, wird es ihn zerstören.«

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