«George hat mit mir gesprochen. Er macht sich große Sorgen um dich.» Sie hält inne und schaut mich an. Worüber hat er mit ihr gesprochen?

«Oh... Ja, die Gewitter waren ganz schön heftig.»

«Das ist es nicht, was ihm Sorgen bereitet.», sagt sie sanft.

«Oh...», mache ich und mein Magen zieht sich zusammen. Sofort füllen sich meine Augen wieder mit Tränen.

Sie legt die Nadeln beiseite und legt mir eine Hand auf den Oberarm. «Ich kann mir vorstellen, dass es dir große Angst machen muss. Ein Kind zu bekommen ist immer angsteinflößend. Es ist eine große Verantwortung und auch eine große Herausforderung. Und dann auch noch nach all dem, was du in den letzten Monaten durchgemacht hast. Der Krieg hat dich sehr mitgenommen.»

«Das hat er doch alle.»

«Aber dich eben besonders. Das brauchst du auch nicht runterzureden. Abgesehen davon nehmen solche schweren Zeiten einige einfach mehr mit als andere. Und das ist okay. Das ist keine Schande.»

«Doch. Ich bin jetzt schon eine Belastung für Fred. Für euch alle.»

«Das ist nicht wahr, Emilia. Absolut nicht. Wir machen uns bloß Sorgen um dich. Aber du bist doch keine Belastung. Und selbst wenn du Fred in dieser Nacht nicht gerettet hättest-» Tränen füllen nun auch Mollys Augen. «-wären wir zweifellos immer für dich da. Du bist ein Teil unserer Familie und in einer Familie sorgt man füreinander - ohne Wenn und Aber.»

Ich traue mich nicht, ihr in die Augen zu sehen. Was sie sagt klingt so fürsorglich und vielleicht stimmt es auch. Zumindest löst es in meinem Inneren ein wohliges Gefühl aus. Ein Gefühl, das Vertrauen schürt.

«Ich weiß einfach nicht, ob ich die Kraft dazu habe.», flüstere ich. «Ich bin so ausgelaugt, ich schlafe schlecht und habe immer wieder diese bekloppten Angstattacken.» Ich presse mir die Handballen in die Augenhöhlen, als mich ein Schluchzen überkommt.

Vorsichtig fährt Molly mir über den Rücken. «Sch...»

«Und selbst wenn ich das irgendwie überwinden würde... Ich weiß doch noch nicht mal, wie man eine Mum ist. Der Gedanke daran, dass ich für ein schutzloses kleines Lebewesen verantwortlich sein muss... was, wenn ich etwas falsch mache? Oder ich auch einfach keine Kraft habe, mich darum zu kümmern? Ich hab doch keine Ahnung, was eine Mum tut.»

Ich habe mir in meinem Leben nie mehr gewünscht, eine Mutter gehabt zu haben. Ich habe mir nie mehr gewünscht, ich wäre ganz normal in einer Familie großgeworden, hätte vielleicht Geschwister gehabt und Eltern, die sich um mich sorgen, um mich kümmern und großziehen. Nie war meine Verbundenheit zu meiner eigenen Mutter größer. Nie habe ich es besser verstanden, warum sie mich damals weggegeben hatte. Aus Angst, eine schlechte Mutter zu sein.

«Gut, dass du jemanden an deiner Seite hast, der schon sieben Mal eine Mum geworden ist.», sagt Molly und streicht mir sanft durchs Haar. Ich blicke mit einem Schniefen zu ihr auf und sie lächelt mich ermutigend an. «Denkst du wirklich, wir würden dich nicht gerne unterstützen? Ein Kind zu bekommen ist anstrengend, ja. Aber es ist auch das wundervollste Geschenk der Welt. Egal, wie schwer der Weg dorthin ist, egal wie viele Schmerzen es bereitet hat und auch egal, wie viel Blödsinn und Chaos es später anrichtet... Familie ist Familie, jedes Kind ist ein Geschenk und hat einen ganz besonderen Platz in deinem Herzen.»

Ich wische mir mit den Handrücken über die feuchten Wangen, während ich ihre Worte zu verarbeiten versuche.

«Ich weiß, dass du dich lange Zeit immer nur auf dich verlassen hast und dich oft alleine durchs Leben schlagen musstest. Aber du bist nicht mehr alleine, Liebes. Das ist keine Herausforderung, die du alleine meistern musst oder bei der du alles auf dich nehmen musst. Du hast Fred, du hast deinen Dad, du hast...»

« Dad wird gar nicht begeistert sein... Er hat doch schon genug zu tun mit Teddy...»

Molly seufzt. «Ich glaube dein Dad kann dich gerade am besten verstehen, weiß aber auch am Besten, wie es ist, die Angst vorm Vatersein zu überwinden.»

Ich presse die Lippen aufeinander.

«Du merkst doch auch, wie George sich um dich sorgt und kümmert. Das macht er nicht, weil er das muss – sondern weil du und der Knirps seine Familie sind.» Sie nimmt meine Hand und legt sie vorsichtig unter ihrer auf meinen Bauch. Ich lasse es zu und schaue darauf herab.

«Was, wenn ich es nicht schaffe, es lieb zu haben?»

«Das kann ich mir bei bestem Willen nicht vorstellen. Auch wenn du noch keine Verbindung zu dem Kleinen spürst, weil dich deine Ängste gerade zu sehr einnehmen... Irgendwann wird es Klick machen, spätestens wenn du es das erste Mal in den Armen hältst.»

«Und wenn nicht?» Ich ziehe meine Hand von meinem Bauch zurück und verschränke meine Hände ineinander.

Molly hält kurz inne. «Und wenn nicht, dann verspreche ich dir, dass es genug andere Menschen um sich herum haben wird, die ihm Liebe schenken werden, bis du dazu bereit bist. ... Hör zu. Ich kann dich nicht dazu überreden, dich auf dieses Kind zu freuen oder es zu akzeptieren. Das geht schlichtweg nicht. Doch ich möchte dich ermutigen, deine Sorgen nicht über das Glück zu stellen, das ein Kind mit sich bringt. Aber solltest du... solltest du es wirklich absolut nicht wollen, weil du sagst, dass du es gerade einfach nicht schaffst und es dich kaputt machen würde... dann gibt es immer noch Wege... diese Situation zu lösen.»

Ich starre sie an. «Du meinst... nein. Nein, das will ich nicht.» Schnell huschen meine Hände schützend zu meinem Bauch. «Das geht doch nicht!»

«Überlege es dir. Egal, wofür du dich entscheidest... wir stehen das gemeinsam durch und ich bin für dich da.» Sie legt ihre Hand auf meine Schulter und lächelt stärkend.

In diesem Moment empfinde ich für Molly Weasley bedingungslose Dankbarkeit und Liebe. Wie kann ich mir wünschen, eine Mutter gehabt zu haben, wenn ich all die Jahre bereits die wundervollste Mutter an meiner Seite gehabt hatte.

«Möchtest du dich sehen?», fragt sie schließlich und wechselt damit elegant das Thema. Als ich zögerlich nicke, dreht sie den großen Spiegel, der umgekehrt im Raum gestanden hatte, zu mir und mir bleibt fast der Atem stehen, als mich mein Spiegelbild genauso perplex anstarrt.

«Das Kleid ist wunderschön, Molly.»

«Es wäre nicht so wunderschön, wenn es nicht auf deinen Schultern läge.»

Ich drehe mich zu beiden Seiten, hebe den Stoff ein wenig an und sehe dabei zu, wie sich meine Mundwinkel immer weiter in die Höhe bewegen.

«Danke, Molly. Für alles.», flüstere ich und strecke meine Arme nach ihr aus, um sie feste um die Frau zu schließen, die bald offiziell meine Schwiegermutter sein würde.

Als wir etwas später fertig sind und wieder zu den anderen stoßen, sind diese bereits fertig mit ihren Aufgaben und tummeln sich im Wohnzimmer.

Es ist Georges Kopf, der als erstes hochschnellt, als ich das Zimmer betrete. Er sieht nervös aus, beißt sich auf die Unterlippe und fährt sich durch die Haare. Man sieht ihm förmlich an, dass er hin und hergerissen ist zwischen einem schlechten Gewissen darüber, es seiner Mutter verraten zu haben und der Hoffnung, dass es geholfen haben könnte.

Es ist auch George, auf den ich schließlich zulaufe und um den ich ohne weiter nachzudenken meine Arme schlinge und an dessen Brust ich meinen Kopf dabei anlehne. Seine Brust zuckt auf, als er zaghaft lacht und er erwidert die Umarmung sofort. «Also bringst du mich nicht um?», fragt er und bringt mich damit zum Schmunzeln.

«Vielleicht später.», murmle ich und schaue zu ihm auf.

«Ehm... Euch ist aber klar, dass ich der Bräutigam bin, oder? Nur, falls ihr das vergessen habt. Vielleicht sollte ich mir für die Hochzeit noch die Haare färben, damit es nicht zu Missverständnissen kommt.»

Ich ziehe mit einem Schmunzeln meine Arme von George und gehe langsam auf Fred zu, der mich mit einem Grinsen empfängt. Seit Tagen schaue ich ihn das erste Mal wieder richtig an, erkenne das Strahlen in seinen Augen, spüre die Energie, die sein Lächeln durch mich strömen lässt. Und es ist dieser Blick, dieses Lächeln, das mir Gewissheit gibt. Gewissheit darüber, dass wir alles irgendwie hinbekommen werden. Zusammen. Denn ich bin nicht alleine. Ich habe Fred und ich habe seine Familie, unsere Familie. 

𝕝𝕠𝕤𝕥 𝕒𝕟𝕕 𝕗𝕠𝕦𝕟𝕕 - die Tochter des letzten Rumtreibers ➵ Fred WeasleyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt