Kapitel 46

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24.Dezember 1994

„Em, zieh die sofort aus!“ – „Aber..“ – „Du kannst keine Sneakers auf das Kleid anziehen.“ – „Doch, siehst du doch.“ Hermine steht mit den Händen in die Hüften gestützt vor mir. „Zieh die aus, los.“ Sie hebt das Paar High-Heels vom Boden auf und hält sie vor mich. „Zieh die an. Ich dachte, du hast geübt, darin zu laufen?“ – „Dass ich es geübt habe, heißt noch lange nicht, dass ich es kann.“, lache ich und Hermine schüttelt den Kopf und hält sie mir noch näher vor die Nase.

Ich sitze auf Hermines Bett, Hermine steht vor mir. Um uns herum tümmeln sich Klamotten, Make-Up, Schuhe und alles, was ich sonst niemals benutzen würde. Es ist der Abend des Weihnachtsballs und wir sind schon seit über zwei Stunden beschäftigt damit, uns für den Abend fertig zu machen. Hermine hat ihre Haare gebändigt und trägt sie ganz glatt. Ihr blaues Kleid steht ihr unheimlich gut und sie sieht wirklich hübsch aus. Sie hat uns beide geschminkt, weil ich das niemals könnte, und hat das ziemlich gut hinbekommen. Auf dem Boden liegen überall Muggle-Frauenmagazine verstreut – natürlich hat sie sich auch das alles erlesen.

„Los jetzt.“, grummelt sie und ich nehme ihr die Absatzschuhe aus den Händen, nicht ohne dabei eine Grimasse zu schneiden. Missmutig schnüre ich meine Sneakers auf und schlüpfe in die Creme farbenen Schuhe hinein. Hermine sieht mich zufrieden an und grinst. „Geht doch.“ Sie nickt und schreitet durch den Raum auf einen großen Spiegel zu, indem sie sich kritisch betrachtet. Sie dreht sich nach links und rechts und rückt noch einmal ihre Haare zurecht. „Krumm wird weder seine Augen noch seine Finger von dir lassen können!“, scherze ich und grinse sie an. Sie dreht sich zu mir um und wird rot. „Ich… Er… Das… Glaubst du? Ich…. Quatsch!“ Ich stehe auf, versuche meine Balance zu finden und stelle mich neben sie. Wir betrachten uns gemeinsam im Spiegel - wir sehen einfach nur atemberaubend aus.

Meine Haare fallen in weiten Locken über meine Schultern und meine Augen glitzern und strahlen richtig. Ich trage keinen Schmuck, die Kette von Fred und George musste ich auf Hermines Geheiß ablegen, da „Das Blau sich mit den Creme-Farben des Kleides sticht“. Ich musste ihr leider zustimmen und das Kleid ist dafür einfach nur wunderschön. Die hellen Blumen passen sich perfekt an meinen Körper an und bedecken zart meinen Oberkörper von der Taille bis zum Dekolté. Der Zauber ist fabelhaft, die kleinen Blüten schmiegen sich an meine Haut, als gehörten sie zu mir und der seidige Stoff fällt locker über meine Hüften und der Saum berührt gerade nicht mehr den Boden.

Was so ein bisschen Make-Up und eine schicke Frisur ausmachen können ist schon verblüffend. Ich schmunzle bei meinem Anblick und auch Hermine sieht zufrieden aus.

„Wo bleibt ihr de- ohhhh…“ Hermine und ich schrecken auf, als Ginny plötzlich in der Tür steht und zu uns herein schaut. „Ihr seht so gut aus!“, schwärmt sie und schließt die Tür hinter sich. „Danke, du aber auch, Gin.“, meine ich und begutachte sie in ihrem süßen rosa Kleid. Ich merke schon, das wird ein super Abend.

„Fred wartet schon ungeduldig im Gemeinschaftsraum auf dich, Em.“, grinst die jüngste Weasley und betrachtet mich von Kopf bis Fuß. „Dann wollen wir ihn doch nicht noch länger warten lassen.“, lächle ich und wage einen letzten Blick in den Spiegel. Ich bin unverändert schön.

„Es ist ja wirklich schon spät.“, meint Hermine hektisch mit einem Blick auf die Uhr. „Viktor muss schon lange auf mich warten. Ohje.. Wir eröffnen doch den Ball mit einem Tanz. Ich lauf schon mal vor. Bis gleich!“ Ehe wir uns versehen können ist Hermine auch schon aus der Tür geeilt.

Kopfschüttelnd folgen Ginny und ich ihr langsamen Schrittes. Wie kann Hermine nur so schnell auf diesen Schuhen laufen? Das ist mir echt ein Rätsel. Ich blicke auf Ginnys Füße herab. Sie trägt flache Ballerinas, weshalb sie auch um einiges schneller läuft als ich und schon die Treppen erreicht hat. „Wo bleibst du denn?“, fragt sie belustigt, als ich vorsichtig einen Schritt vor den anderen setzte, um bloß nicht zu stolpern. „Sei froh, dass du flache Schuhe an hast, Gin.“ Sie grinst und tapst die Stufen in den Gemeinschaftsraum Engelgleich herunter.

Vorsichtig nehme ich eine Stufe nach der anderen und halte den Saum meines Kleides vom Boden fern. Ich konzentriere mich auf jede Stufe und jeden Schritt, um bloß nicht hinzufallen. Ich bin die letzten Wochen jeden Abend in diesen Schuhen herumgelaufen, was sich jetzt sogar einigermaßen auszahlt.

Vor der Kurve zum überfüllten Gemeinschaftsraum halte ich noch einmal kurz inne – Ginny ist längst verschwunden – und atme tief aus und ein, ehe ich hinter der Wand hervor luge und sich ein strahlendes Lächeln auf meinen Lippen breit macht. Fred steht mit dem Rücken zu mir und trotzdem sehe ich jetzt schon, dass er verdammt gut aussieht – besser als sonst schon. Er redet gerade mit seinem Zwillingsbruder und Lee und scheint sehr nervös zu sein. Ständig verlagert er sein Gewicht von dem einen auf den anderen Fuß und reibt sich aufgeregt die Hände.  Durch Zufall erhasche ich Georges Blick, der  erst desinteressiert  wieder wegschaut und dann, als könne er seinen Augen nicht trauen, schnell wieder her schaut. Ein Lächeln macht sich auf seinen Lippen breit und er stupst seinen Bruder an, um ihn auf mich aufmerksam zu machen. Fred dreht sich in die Richtung, in die George mit seinem Finger zeigt und auch er bleibt mit seinem Blick nicht sofort auf mir ruhen.

Inzwischen habe ich die letzte Stufe erreicht und stehe jetzt mit ihm auf Augenhöhe. Als unsere Blicke sich treffen, weiten Freds Augen sich und seine Lippen formen ein stummes „Wow.“. Mein Herz rast, als er auf mich zukommt und einen halben Meter vor mir stehen bleibt. Von vorne sieht er noch viel besser aus. Er trägt unter seinem schwarzen Umhang ein weißes Hemd und darüber eine cremefarbene Weste und eine passende Fliege. Seine Haare sind kürzer – endlich – und ich muss grinsen als ich es sehe.

Es dauert einen Moment, bis einer von uns etwas sagen kann. Fred schaut mich von oben bis unten an und genauso betrachte ich ihn von Kopf bis Fuß. Schließlich nimmt er meine Hände in seine und küsst sie beide. „Du siehst atemberaubend aus.“, flüstert er und beugt sich zu mir vor. „Danke, gleichfalls!“, grinse ich und lege meine Lippen auf seine. Der Kuss löst in mir wie üblich ein kleines Feuerwerk aus und mein Lächeln verrät, wie glücklich ich gerade bin. Nachdem wir uns gelöst haben, hält Fred mir seine Hand hin und ich nehme sie strahlend. Als wir zu den anderen gehen, ist mir egal, wie ich auf diesen Schuhen laufe, es ist mir egal, ob ich hinfallen könnte und es ist mir egal, dass ich von allen Seiten angeschaut werde. Denn was für mich gerade zählt ist Fred an meiner Seite, von dem ich meinen Blick nicht lassen kann und der mich sicher und mit meinem vollsten Vertrauen zu den anderen führt.

Mein Blick löst sich erst von Fred, als ein Pfeifen ertönt und ich einem grinsenden George entgegen blicke. „Em… du siehst heiß aus!“ Ich merke wir mir das Blut ins Gesicht fließt und ich rot anlaufe. „Und ich scheine nicht der einzige zu sein, der das denkt.“, er grinst und wir umarmen uns. Blicke ruhen auf mir, Mädchen tuscheln, Jungs starren und Freds Griff um meine Hand wird fester. Er sieht stolz aus, stolz, an meiner Seite zu sein? Vielleicht. Unbewusst schauen wir uns einige Zeit einfach nur an und strahlen, was das Zeug hält. „Hey, ihr Turteltauben!“ Gleichzeitig drehen wir uns zu George um. „Was?“, fragen wir wie aus einem Munde und grinsen darauf noch breiter. „Wir wollen los!“ – „Oh, ja klar.“, meint Fred und wir folgen seinem Bruder und Lee, die schon ein paar Schritte von uns entfernt standen.

Als wir durch das Portrait der Fetten Dame geklettert sind, hält Fred mir seinen Arm hin und ich hake mich bei ihm ein. Mit der anderen Hand halte ich den Saum meines Kleides vom Boden fern. „Die Schuhe solltest du nicht zu oft tragen.“, meint er locker. „Da sehe ich neben dir ja fast klein aus.“ Ich schaue zu ihm hoch und schnaube. Er ist immernoch ein ganzes Stück größer als ich. „Glaub mir, ich bin froh, wenn ich die heute Abend irgendwo in die Ecke werfen kann und sie nie wieder anziehen muss.“, lache ich und Fred grinst. „Naja, heiß sind sie schon.“ – „Findest du?“ Ich schaue an mir herunter. Fred antwortet nicht und grinst nur.

Die Eingangshalle ist voller aufgeregt umherlaufender Schüler und von allen Seiten werden wir angestarrt und hier und da zeigt jemand auf uns. „Warum starren die uns so an?“, frage ich Fred leise und runzle die Stirn. Fred lacht auf. „Die schauen nicht uns an, sondern DICH.“ – „Mich?“ Fred nickt. „Hast du heute schon mal in den Spiegel geguckt? George hatte schon recht.“ Er grinst ein schiefes Lächeln und ich werde rot. Als wir uns der Menge anschließen, die sich einen Weg in die Große Halle bahnt, betrachte ich die Umstehenden. Die meisten Mädchen tragen keine Kleider sondern Festumhänge. Viel zu altmodisch für meinen Geschmack. Ich weiß nicht, was die Zauberer daran so toll finden, mir gefallen sie jedenfalls nicht. Hier und da erblicke ich auch die ein oder andere Muggelstämmige, die ebenfalls ein Kleid trägt. Eindeutig die bessere Wahl.

𝕝𝕠𝕤𝕥 𝕒𝕟𝕕 𝕗𝕠𝕦𝕟𝕕 - die Tochter des letzten Rumtreibers ➵ Fred WeasleyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt