Coward

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Frustriert starrte ich auf meinen mittlerweile schwarzen Bildschirm vom Laptop. Wir hatten gestritten... Wir hatten uns wirklich gestritten und dann hatte Hobi ohne ein Gute Nacht aufgelegt. Mit einem verzweifelten Laut klappte ich meinen Laptop zu und vergrub mein Gesicht in meinem Kissen.

Hoseok und ich hatten noch nie Streit gehabt. Zumindest keinen, der nicht nach fünf Minuten Schmollen, durch eine anschließende Knutscherei oder ein ernstes Gespräch, wieder vergessen war. Doch heute war es anders gewesen und ich wusste, dass sich Hoseok für jetzt erstmal nicht mehr melden würde.

Wütend schlug ich auf meine Matratze, während mir Tränen in die Augen stiegen, und drehte mich wieder auf meinen Rücken. Natürlich wollte er, dass ich die Menschen kennenlernte, die ihm am nächsten standen, aber es ging einfach nicht.

Ich kannte sie alle doch schon seit gefühlt immer. Jimin, Bogum, Taehyung und Jungkook. Und Jaemin... Leise wimmerte ich auf, während ich mich zu einem kleinen Ball zusammenrollte.

Was hatte ich mir dabei gedacht? Wieso log ich gerade die Menschen an, die mein Leben für mich bedeuteten? Wie konnte ich ihnen das antun? Wie konnte ich Hoseok das antun?

Ich war widerlich.

Aus dem leisen Wimmern, wurde fast auf der Stelle ein verzweifeltes Schluchzen.

„Du weißt doch wie viel mir das bedeutet! Was ist dein verdammtes Problem, Jaeson?!"

Ich selbst war das verdammte Problem. Heftig weinend, schlang ich mir meine Arme um den Bauch. Wieso war ich so? Warum hatte ich Hobi angelogen? Ihm eine falsche Geschichte über mein falsches Leben als Jaeson erzählt?

Es gab keinen Jaeson. Es gab nur Jaemin und mit jedem weiterem schmerzhaften Schluchzen, das meinen Körper beben ließ, wurde mir das Ausmaß meines egoistischem Verhaltens klar.

Ja, natürlich liebte ich Hoseok. Ich liebte ihn so unfassbar sehr, dass ich mir ein Leben ohne ihn an meiner Seite nicht mehr vorstellen konnte. Doch wie hatte ich mir das alles vorgestellt?

Als ich in Seoul war und auch die Wochen danach, hatte ich keinen einzigen Kontaktpunkt in meinen beiden verschiedenen Leben gehabt, doch indem Hoseok heute Appa angerufen hatte, war diese angenehme Koexistenz ohne Konsequenzen zerschmettert worden, wie ein glänzender Edelstein in tausend wunderschöne Scherben.

Der Anruf des Braunhaarigen hatte veranlasst, dass diese beiden Welten sich vermischten, kollidierten und am Ende nichts als Verwüstung und Schmerz hinterließen.

Wieso nur wurde mir erst jetzt klar, wie grausam ich gewesen war? Das hier war kein Spiel. Kein spannendes Abenteuer, dass man ohne Bedenken beschreiten konnte.

Hoseok hatte sich strafbar gemacht, als wir zusammen geschlafen hatten. Jedes Mal aufs Neue, wenn wir uns leidenschaftlich geliebt hatten, ja auch nur geküsst hatten, war er weiter in eine Straftat hineingerutscht. Und das auch noch ohne es überhaupt ahnen zu können.

Mit schrecklicher Gewissheit wurde mir das Ausmaß meiner Lüge immer mehr bewusst. Ich konnte es nicht einmal rückgängig machen. Es gab keinen Restart-Knopf, den ich betätigen konnte, um Hoseok vor meiner grenzenlosen Dummheit zu schützen. Es gab nichts.

Früher oder später würde etwas schiefgehen, etwas auffliegen und dann hatte ich absolut nichts in der Hand, was Hoseok beschützen wurde.

Heftig zitternd, entflohen meinem Mund immer wieder laute Schluchzer, die ich so gut es ging mit meinem Kissen dämpfte. Wieso war ich nur so?

Natürlich liebte ich ihn. Natürlich hatte ich ihn schon seit Jahren genauso gewollt, wie ich ihn jetzt endlich haben konnte, doch zu welchem Preis? Ich war Hoseok einer Erklärung schuldig, einer ehrlichen ohne Lügen, doch ich konnte einfach nicht.

Als ich mir das Entsetzen und die Panik in dem Gesicht des Älteren vorstellte, wurde mir ganz schlecht. Die Wahrheit war schon nach unserer ersten Nacht keine Option mehr gewesen.

Trotz der vielen Tränen, die über meine Wangen rollten, entwicht mir ein verächtliches Lachen, das aber sowieso größtenteils durch mein verzweifeltes Weinen verschluckt wurde.

Ich war ein elender Feigling. Wie sollte das nur weitergehen?

Kontaktabbruch.

Wimmernd versuchte ich die boshafte Stimme tief in meinen Gedanken zu ignorieren. Ich konnte Hoseok nicht verlieren. Ich liebte ihn doch!

Aber meine Sorge um den Braunhaarigen war zu stark und so griff ich mit heftig zitternden Händen nach meinem Handy, um auf Hoseoks Whatsapp-Account zu gehen.

Weinend begann ich zu schreiben.

„Hallo Hoseok.

Das wegen Vorhin tut mir leid, aber ich habe einfach festgestellt, dass das mit uns nichts Echtes war. Ich passe einfach nicht in deine Welt und du nicht in meine. Die Zeit mit dir war atemberaubend, aber man soll bekanntlich dann aufhören, wenn es am schönsten ist."

Kurz stoppte ich mit dem Tippen, weil meine Sicht durch die ganzen Tränen zu sehr verschwamm, die über mein Gesicht liefen und auf das Display in meinen Händen tropfte. Ein schmerzerfülltes Schluchzen entwich meinen Lippen und hektisch wischte ich mir über meine Augen, wobei sofort neue Tränen den Platz ihrer Vorgänger einnahmen.

Sei stark Jaemin... Für Hobi... Also schrieb ich weiter.

„Bitte versuch nicht mehr mich auf irgendeine Weise zu kontaktieren oder zu erreichen. Ich will das einfach nicht mehr, was zwischen uns war. Du wirst noch den Richtigen finden, der dich genauso verdient hat, wie du jemanden verdient hast, der dich glücklich macht. Ich liebe dich. Leb wohl, dein Jae."

Ich schrieb mit Absicht nicht Jaeson an den Schluss. Das waren nicht seine Worte, die dort standen, sondern meine. Park Jaemins.

Weinend starrte ich auf die Zeilen, in denen jedes einzelne Wort so sehr geschmerzt hatte, wie ein Schritt über Glasscherben. Barfuß.

Langsam ließ ich meinen Zeigefinger zu dem blauen Sendebutton gleiten. Es musste sein. Hoseok verdiente es, glücklich in seiner Zukunft zu sein. Mit einem Partner, der ihn verdient hatte, den er bedingungslos lieben konnte. Ohne Lügen und Geheimnisse.

Er verdiente es, sein Leben sorglos fortsetzen zu können. Mit seiner Familie, seinen Freunden. Schluckend stockte ich, während ich meinen Finger vom Button entfernte, als hätte ich mich verbrannt.

Es machte absolut keinen Unterschied, ob ich mich von Hoseok trennte, oder nicht. Wenn er nach LA fliegen würde, käme alles raus. Wenn er in unser Haus käme und seinen Neffen endlich wiedersehen wollte.

Schluckend markierte ich meine eben verfasste Nachricht, ehe ich sie mit einer gezielten Bewegung meines Fingers löschte.

Ich war so verdammt egoistisch...

Mit einem bitteren Lächeln auf den Lippen, legte ich mein Handy zur Seite und atmete tief durch.

Hoseok würde so oder so mit den Konsequenzen kämpfen müssen. Es sei denn, ich ließ mir für seine Zeit in LA einen genialen Plan einfallen, der mein großes Geheimnis nicht auffliegen lassen würde.

Und in einer Sache war ich mir sicher. Mit einem Plan als Hilfe, könnte ich es schaffen, meine große Liebe zu schützen.

Ich würde Hoseok nicht wegen mir leiden lassen.

Against TimeWhere stories live. Discover now