5. Fight

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Schmerz legte sich um Julies Herz. Das war eine glatte Lüge. Luke und sie waren nicht zusammen. Sie waren lediglich gute Freunde. Vermutlich sah er sie als Schwester.

Julie hatte sich auf ihr Bett gelegt und die Augen geschlossen. Ihr Atem ging gleichmäßig. Beinahe wäre sie weggedämmert, als ihre Zimmertür aufflog und ihr kleiner Bruder auf ihr Bett sprang. Die junge Frau seufzte genervt. Sie wollte ihn von sich schieben, doch er grinste, klammerte sich an ihren schlanken Körper.

"Verschwinde!", rief sie Carlos zu. Doch er reagierte nicht, sondern kuschelte sich enger an sie. Erneut seufzte Julie, doch streichelte ihm langsam über den Kopf. "Was ist?", wollte sie nach einer Weile des Schweigens wissen. Diesmal mit leicht ruhigerer Stimmlage.

"Du wirkst irgendwie angespannt", bemerkte er und spielte mit ihrem langen, dunklen und gewellten Haar.

Erneutes Seufzen. "Lass das, Carlos!"

Mit unschuldigen, großen Augen schaute er sie an. "Was denn?"

"Du weißt, was ich meine. Lass..."

Carlos erhob sich und sah sie schmollend an. Er verstand nicht, weshalb seine Schwester so merkwürdig drauf war. Doch wenn sie nicht reden wollte, dann würde er sie wohl oder übel in Frieden lassen müssen. Vielleicht würde sie später mit ihm reden. Wenn sie sich beruhigt hatte.

Kurz blieb Carlos an ihrer Zimmertür stehen, doch seine große Schwester achtete nicht mehr auf ihn. Seufzend legte Carlos seine Hand auf die Klinke und verließ ihr Zimmer. Julie hörte noch, wie die Tür sich verschloss und dann war sie allein.

In vollkommener Stille.

Leise Tränen liefen über ihre schmalen Wangen.

Carlos war in der Zwischenzeit in sein Zimmer gelaufen und hatte sich auf sein Bett gesetzt. Der kleine Junge schloss nachdenklich die Augen und versuchte herauszufinden, was mit ihrer großen Schwester los war. Warum sie so traurig wirkte. Vielleicht sollte er mit seinem Vater reden? Er würde bestimmt einen Zugang zu Julie finden. Oder mit seiner Tante. Obwohl. Lieber nicht. Die würde Julie bestimmt nicht helfen können.

Carrie hatte sich in ihrem Zimmer verschanzt und sich nachdenklich auf ihr Bett gesetzt. Es musste etwas geben, wie sie Julie vernichtend schlagen konnte. Der Kampf hatte begonnen. Und das war alles ihre vermaledeite Schuld. Sie würde es bereuen. Doch Carrie musste nur noch einen geeigneten Plan finden, wie sie Julie vernichten konnte.

Ruckartig stand sie auf und lief zu ihrem Schreibtisch. Schnell nahm sie ihr Handy und rief ihre Freunde an. Seufzend setzte sie sich an den Laptop und versuchte etwas mehr über die alte Band ihres Vaters herauszufinden. Doch wie sollte sie mit diesen Informationen ihre Feindin vernichten?

Es war vergeblich. Keiner war ans Telefon gegangen. Carrie legte das Handy zur Seite und öffnete ein kleines Programm auf ihrem Laptop. Es war eine Musiksoftware, mit der sie ihre Songs im Vorhinein schrieb.

Wie automatisch legten sich ihre Finger auf die Tastatur und setzte die Kopfhörer auf.

Nach einer Weile lächelte sie, erhob sich und lief mit dem Laptop in einen anderen Raum. Hier würde sie schnell die Lyrics einsingen und dann zusammenschneiden. Anschließend würde der Song im Netz landen. Mal sehen, wie Julie darauf reagieren würde.

Flynn hatte es als erste mitbekommen. Wütend pfefferte sie ihr Handy auf das Bett. Sie musste so schnell wie möglich zu Julie und ihr alles erklären, bevor sie das vernichtende Video von Carrie im Netz entdeckte. Oder sie sollte mit jemandem reden und diesen zu Rate ziehen.

Sie nahm das Handy und wollte gerade ihr Zimmer verlassen, als das Gerät vibrierte. Ohne zu überlegen, nahm sie den Anruf an. Am anderen Ende: Carlos, Julies kleiner Bruder, der bitterlich weinte. Er hatte doch nicht etwa... Flynn nahm ihre dünne Jacke und lief aus dem Zimmer. Sie musste zu Julie. Vielleicht würde sie dort alles erfahren.

"Ich bin sofort bei euch", sagte sie. Carlos weinte noch immer. Sie verstand nicht, was er sagte, doch andere Gedanken ratterten in ihrem Kopf. Diese wollten nicht verstummen. Egal wie sehr Flynn sich anstrengte.

Ray öffnete, als Flynn wie eine besessene an der Türklingelte.

"Wo ist Julie?"

Er zuckte mit den Schultern. "Bestimmt in ihrem Zimmer."

Ohne ihn zu beachten, lief sie hinein und riss die Tür von Carlos' Tür auf. Er hockte auf dem Bett. Als er Flynn entdeckte, sprang der kleine Junge auf und umklammerte ihre Beine. Vorsichtig hockte sie sich hin und streichelte ihm über den Kopf.

Mittlerweile war auch Ray hereingekommen und hatte sich von Flynn besagtes Video zeigen lassen.

"Dieses", sprach er, ließ den Satz jedoch unvollendet in der Luft schweben. "Sie sollte von der Schule verwiesen werden."

Flynn nickte. "Denken Sie, dass Julie es schon gesehen hat?"

"Geh du in ihr Zimmer. Ich kümmere mich um Carlos."

Flynn nickte und löste die kleinen Hände von ihrem Bein. Dann erhob sie sich und lief i Julies Zimmer.

Diese lag nichts ahnend in ihrem Bett und schien zu schlafen. Als Flynn versuchte Julie zu wecken, passierte nichts. Vermutlich war sie wirklich am schlafen. Oder es war etwas geschehen und Flynn musste handeln. Schnell legte sie Julie eine Hand auf den Arm. Gut, der Puls war vorhanden.

Erleichtert schloss sie Julies Zimmertür und lief nach unten. Direkt in die Arme von Ray, der erschöpft in seine Kaffeetasse blickte.

"Julie schläft", flüsterte sie und setzte sich. "Was ist eigentlich mit ihren Bandkollegen? Können wir die nicht fragen? Oder sie bitten, uns zu helfen? Wenn Julie das jetzt nicht erfährt, wird es morgen die ganze Schule wissen. Und Carrie, dieses hinterlistige Miststück hat es in einen gottverdammten Song gepackt."

"Aber das ist nicht wahr, was sie über meine Tochter erzählt hat?"

In seiner Stimme schwan ein fragender Unterton mit. hastig schüttelte Flynn den Kopf. "Sie kennen Julie. Das würde sie niemals tun. Sie ist nicht so."

Ray nickte. Und schämte sich, dass er so etwas gedacht hatte.

Am liebsten hätte Luke etwas zerstört, jemandem eins übergebraten, doch der junge Sänger hielt sich zurück. Stattdessen blickte er auf die Noten, die Julie liegengelassen hatte. Dann setzte er sich ans Klavier und legte die Hände auf die weißen Tasten. Alex, der auf dem Sofa fläzte, schaute fragend.

"Was hast du vor? Willst du ihr einen Song schreiben?"

Luke presste die Lippen aufeinander. Als würde das alles wettmachen, was diese Kuh aus der schrecklichen Band Dirty Candy in einem schlimmen Song berichtet hatte.

"Denkst du, dass Julie es weiß?", flüsterte Reggie und legte eine Hand auf seinen Mund. Seine Freunde zuckten mit den Achseln. Hoffentlich wusste sie es nicht. Wenn, dann war alles vorbei. Wenn, dann mussten sie etwas finden, um sie wieder beruhigen zu können.

Vorsichtig legte er die Noten in eine offene Schublade und schob diese zu. Dann schloss Luke die Augen und begann zu spielen. Einfach was ihm durch den Kopf ging.

Reggie erhob sich und nahm seine Gitarre. Alex ging ans Schlagzeug, um den Beat anzugeben.

Julie and the Phantoms - Season 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt