15.06.2021 TW: Vergewaltigung

49 3 0
                                    

Wir haben in WiPo gerade "Todesstrafe" und dazu haben wir am Montag einen Film geschaut. Der Film war sogar gar nicht schlecht, auch wenn mein bescheuerter Lehrer in ausgesucht hat.

Am Anfang meinte er noch, dass es im Film eine Wendung geben würde. Die Wendung war jedoch nicht unbedingt überraschend und auch nicht schockierend.

Im Film geht es über einen Mann, der hingerichtet werden soll, weil er zwei Teenager getötet und das Mädchen von ihnen vergewaltigt haben soll. Schon als das Wort Vergewaltigung gefallen war, war ich angespannt und habe versucht das Thema nicht nah an mich rankommen zu lassen.

Das hatte für knapp 2 Stunden auch geklappt. Ich konnte den Film sehen, es wurde mehr über den Tod als über seine Tat geredet, ich kam damit klar.

Kurz vor Ende des Films wurden Szenen seiner Tat gezeigt. Es wurde gezeigt, wie er dem Jungen in den Kopf geschossen hat. Und es wurde gezeigt, wie er das Mädchen vergewaltigt hat. Ohne Vorwarnung. Ich habe vielleicht eine Sekunde gesehen. Habe mich schnell vom Whiteboard weggedreht und mir die Ohren zugehalten, habe angefangen zu zittern und fast geweint.

Ohren zuhalten hat nichts gebracht, ich habe die Schreie des Mädchens gehört. Ich habe angefangen zu zittern. Meine Freunde haben mich angesehen, sie wussten sofort, dass ich damit zu kämpfen habe. Dass sexuelle Gewalt mich nicht kalt lässt. Und das nicht nur auf die „Oh, das tut mir leid" Weise. Es macht mich fertig.

Die Szenen kamen immer wieder, für vielleicht 5 Minuten insgesamt. Es war etwas, was unser Lehrer uns hätte sagen müssen. Mir geht's nicht gut damit. Mir geht es richtig schlecht. Seit gestern geht es mir richtig schlecht.

Ich sitze in meinem abgedunkelten Zimmer, vegetiere vor mich hin, versuche mich mit Musik abzulenken, vernachlässige meine Freunde und heule circa 5-8 Mal am Tag. Einmal vor der Schule, kurz nach dem Aufwachen. Dann direkt, wenn ich nach Hause komme. In der Schule kann ich es unterdrücken. Ich kann es verhindern, meine Freunde lenken mich ab. Ich kann nicht richtig schlafen, habe Angst einzuschlafen. Hatte gestern Alpträume. Einen Flashback zu dem Grund, warum mich das so getriggert hat.

Meine Freunde wissen teilweise davon. Wissen, dass ich erst 13 war, als mir das passiert ist und ich nie richtig darüber reden konnte. Das kann ich erst seit ein paar Wochen, weil ich mich in der Therapie auf Traumata konzentriere.

Vor zwei Wochen hat sich ein Mann im Bus an mir gerieben. Knapp 10 Minuten lang. Ich konnte mich nicht bewegen, konnte nichts sagen, konnte mich nicht wehren. Ich konnte nichts tun. Stand einfach nur da und habe es ertragen. Bin dann eine Woche lang nicht mehr mit dem Bus gefahren. Das klappt jetzt schon wieder.

Aber ich beginne wieder mich damit unwohl zu fühlen.

Ich merke, wie mich dieser Scheiß Film getriggert hat, so sehr, dass ich wieder Angst bekomme rauszugehen. Ich konnte mich nicht auf diese Szenen vorbereiten. Ich hatte nicht damit rechnen können. Ich hätte nur eine verdammte Warnung gebraucht.

Meine Freunde machen sich Sorgen um mich, bieten mir ihre Hilfe an. Doch ich weiß nicht mal, wie man mir helfen soll. Ich will das einfach alles vergessen, die Szenen aus dem Film und die Erinnerungen einfach löschen. Will einfach normal den Tag genießen können, ohne, dass ich getriggert werde. Ohne, dass ich weine. Und ohne, dass ich Angst bekomme.

Ich will grad am liebsten alleine sein, mich abschotten und nie wieder rausgehen. Aber auf der anderen Seite, will ich jemanden bei mir haben, der auf mich aufpasst. Der mir nichts tut und einfach da ist. Mir Sicherheit gibt. Dass ich keine Angst mehr haben muss, wenn ich zuhause bin. 

Irregular DiaryWhere stories live. Discover now