Teil 60

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Mein Handeln, meine Verantwortung, mein Leben

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Ich sitze im Auto und schaue durch das Seitenfenster zu unserem Haus auf der anderen Straßenseite. Nur das alte Auto von meinem Dad steht in der Einfahrt. Also kein Besuch da.

Es wirkt so friedlich, so still. Ich habe meine komplette Kindheit hier verbracht. Bin hier groß geworden, erwachsen geworden, habe Erfahrungen gesammelt und habe dies hier als Zufluchtsort gesehen. Ich habe hier glückliche Momente erlebt, auch mit meinem Dad. Aber in den letzten Jahren wurde aus dem trauten Heim eine erdrückende Last.

Trotzdem bildet sich ein Kloß in meinem Hals bei dem Gedanken das ich hier wegziehen muss. Ich sitze bereits seit 10 Minuten hier in Kims Auto. Mein Handy liegt in meiner Hand, Erics Name leuchtet mir entgegen. Ich muss nur die Worte abschicken, nur den blauen Pfeil berühren, dann währe er bestimmt innerhalb der nächsten 10 Minuten hier.

Jetzt oder nie. Ich atme ein letztes Mal tief ein und aus, setze ein neutraler Gesichtsausdruck auf und öffne die Autotür während ich gleichzeitig die Nachricht an Eric abschicke.

Mit aufrechten Gang und gezielten Schritten steuere ich unsere Haustür an. Ich klingle und warte.

Ich höre die Schritte von meinem Vater bevor er die Tür öffnet. Ich bereite mich vor aber sobald er die Tür geöffnet hat fällt meine Maske beinahe in sich zusammen. Verdammt.

Mein Vater reißt die Augen auf nur um sie gleich darauf böse zusammen zu ziehen. "Wo warst du?" fragt er mich grimmig und tritt beiseite damit ich eintreten kann.

Eilig betrete ich das Haus. "Wir müssen reden, Dad." Weiche ich seiner Frage aus und steuere das Wohnzimmer an. "Ja, das müssen wir definitiv. Was ist zur Hölle los bei dir? Du triffst dich wieder mit dem Jungen habe ich recht?" fragt Dad gleich. Okay, er will den Weg so gehen, dann gehen wir den Weg ebenso.

Schwungvoll drehe ich mich zu ihm um und schaue ihn mit einer Ernsthaftigkeit an, die ihn zu überraschend scheint.

"Ja Dad, ich treffe mich wieder mit Kenan. Und dieser Junge wurde gestern zusammengeschlagen, er kam ins Krankenhaus. Er musste operiert werden! Der Junge den ich liebe wurde von 3 Jungs zusammengeschlagen und wegen was?" Es ist eine ironische Frage, ich rechne kaum mit einer richtigen Antwort.

Mein Dad zuckt mit den Schultern. "Weil er es verdient hat?" "NEIN! Weil er verdammt nochmal eine andere Hautfarbe hatte!" schreie ich meinen Dad an. Er zuckt vor meinem Geschrei zurück. Heftig atme ich ein und aus. Ich muss mich beruhigen.

"Habe ich dir nicht den Umgang mit dem Jungen verboten?" Mein Vater verzieht das Gesicht zu einer eiskalten Maske. Ich recke mein Kin ein winziges bisschen weiter höher.

"Hörst du mir überhaupt zu?" frage ich ernsthaft. "Dad." Ich schließe kurz die Augen und sammle mich. "Eric, Steve und alle anderen aus der Gemeinschaft verfolgen eine Ideologie die nicht richtig ist. Dad, das ist schlecht was hier ihr macht."

"Das verstehst du noch nicht, Ever. Du bist noch ein Kind."

"Ich bin kein Kind mehr. Schon lange nicht mehr. Ich verstehe sehr wohl was hier gespielt wird. Dad, all dieser Nationalsozialistischer Dreck geht zu weit. Ihr habt Vorurteile die euch in so eine Wut gefangen halten das ihr es nicht schafft etwas anderes zu sehen als eure Wut, angetrieben durch Vorurteile und falsche Ansichten." Flehend schaue ich zu meinem Dad.

"Dad, ich flehe dich an, versuche mich zu verstehen. Hör auf mit diesen Leuten dich abzugeben, steige aus! Bitte! Sie haben einen Jungen grundlos zusammengeschlagen, sie verleugnen Massenmorde! Sie reden sich das schlechte schön." Ich sehe wie meine Worte gegen eine Wand aus Angst, Trauer und Wut prallen. Mein Dad hört mir nicht zu. Eine Welle der Traurigkeit überkommt mich.

The DifferenceWhere stories live. Discover now