4. Kapitel

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Ich war verstört. Einen anderen Ausdruck für das, was er mir angetan hatte, fand ich leider nicht. Ich wusste nicht warum, aber ich konnte es meinen Eltern nicht sagen. So sehr ich es auch wollte, ich konnte es einfach nicht. Ich hatte es schon abermals oft versucht, aber jedes mal, wenn ich anfangen wollte zu sprechen, fing ich an mich an jeder seiner Berührung, an jede einzelnen Geräusche, die ich in den Nächten wahrgenommen habe, zu erinnern. Jedes mal, wenn ich versucht habe ihnen die Wahrheit zu erzählen, dann blieb mir wortwörtlich die Spucke weg. Das war aber lange noch nicht alles. Ich weinte, litt an Appetitlosigkeit, so wie auch an akutem Schlafmangel. Ich veränderte mich Stück für Stück. Nein, er veränderte mich. Ich hatte Angst vor ihm, tierische Angst. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Ich hoffte nur, dass mich schnell jemand aus dieser Hölle befreite....

Seine Frau und seine Kinder hatten ihn jetzt vor gut einem halben Jahr verlassen und seitdem war ich jedes einzelne Wochenende bei ihm. Das heißt, seit gut einem halben Jahr hatte er mich berührt, geküsst und noch vieles mehr. Ich ekelte mich so vor ihm. Aber nicht nur vor ihm, sondern auch noch vor mir selbst. Ich fühlte mich so unwohl in meinem, nein, in dem Körper, der nicht mehr mir gehörte. Ich fing an viel länger und öfters zu duschen als nötig, mit der Hoffnung, dass mein Körper, dass ich, wieder rein und sauber wurde. Ich dachte so oft, dass es nicht noch schlimmer kommen könnte, aber jedes mal irrte ich mich.

Es vergingen wieder ein halbes Jahr. Seine Frau war wieder mit deren Kinder da. Ich dachte, dass alles jetzt ein Ende nehmen würde. Ich habe mich so sehr gefreut. Für einen kurzen Augenblick war ich glücklich. Ich dachte, dass das Glück nun ewig anhalten würde, aber nein. Ab hier wurde alles noch viel schlimmer. Thomas, der Sohn von Jack, der 2 Jahre älter war als ich, war an einem Samstagabend, als Lana und meine Eltern beschlossen hatten an der Kneipe, am Ende der Straße, einen trinken zugehen, zu Hause mit mir und Jack. Ich hoffte und war mir eigentlich auch sicher, dass Jack sich zurückhalten würde und mir nichts mehr antun würde, da sein Sohn da war. Ich war in Sicherheit. Irrtum! Er zog das volle Programm durch, vor den Augen von Thomas. Bis heute höre ich noch immer seine Stimme in meinem Kopf. "Thomas schau gut zu und werde ein großer, starker Mann. Schau gut zu und lerne, denn so verführt man eine Frau." Ich zitterte vor Angst. Er tat es schon wieder und ich verstand nicht warum. Er hatte doch jetzt seine Familie zurück. Warum hörte er dann nicht damit auf?! Thomas, hilf mir, wollte ich schreien. Ich sah ihn so oft so flehend an, aber er tat nichts. Nichts außer zu zu schauen. Ich weiß, ich hätte das, was ich damals tat  nicht tun dürfen, aber ich gab es auf. Ich gab es auf, jemanden um Hilfe zu bitten. Ich ließ es über mich ergehen. Ich überließ mein Leben dem Schicksal. Und das Schicksal war in dem Fall Jack.

An meinem 7. Geburtstag waren wir wieder in der Wohnung von Jack. Wir haben dort zusammen meinen Geburtstag gefeiert. Ich saß nur stumm auf dem Sofa. Ich war nicht mehr ich. Ich war nicht mehr die, die ich vor 3 Jahren war. Nicht mehr so lebensfroh, glücklich und Energie geladen. Nein, ich war nur noch eine leere Hülle. Eine Puppe. Nein. Eine Marionette. Ja genau, ich war wie seine Marionette, denn ich tanzte nach seine Pfeife. 

"Isa", raunte mir Jack ins Ohr, " geh doch schon mal in mein Zimmer. Ich hab da eine ganz besondere Überraschung für dich." Ich nickte, und bewegte mich langsam zu seinem Zimmer. So gesehen war es keine Überraschung, denn ich wusste schon was auf mich zu kam. Ich wollte mich auf sein Bett setzten und das übliche machen. Mir schon mal für ihn meine Anziehsachen ablegen. Aber ich konnte es nicht. Nicht wenn Thomas auf dem Bett saß. Das er meistens zu schaute, war nicht das, was mich mehr überraschte. Was mich überraschte, war der Blick mit dem er mich ansah. Er hatte Mitleid. Er wusste, wie es mir ging. Warum half er mir dann nicht. "Tut mir Leid", sprach er leise vor sich hin und senkte seinen Kopf. Das war auch das einzigen was er sagte, denn schon im nächsten Moment kam Jack ins Zimmer. "Wir haben jetzt genug Zeit. Die sind alle eingedöst." Er grinste mich an. Ich hasste ihn. "Weißt du, da heute dein Geburtstag ist, habe ich ein schönes Geschenk für dich." Er zog eine kleine Schachtel aus seiner Hose heraus und übergab sie mir. Sollte ich es öffnen? "Ja, sollst du. Los mach schon auf", forderte er mich auf. Ich öffnete also die Schachtel und fand eine Kette darin. Eine Kette mit einem schönen Schmetterling. "Freust du dich denn nicht?" Ich antwortete nicht. Denn ich wusste nicht, ob ich mich freuen sollte oder ob ich ihn dafür noch mehr hassen sollte, als ich es jetzt schon tat. Ich liebte Schmetterlinge und dass wusste er ganz genau. Aber alleine die Tatsache, dass die Kette von ihm kam beschmutze wieder einmal die Schönheit aller Dinge. "Los, gib schon her." Er nahm mir die Schachtel aus der Hand. Warum forderte er mich noch auf, wenn er doch immer das nahm was er wollte. "Dreh dich um." Ich tat dem nach. Er legte mir die Kette um und ich spürte, wie seine Hände meinen Hals streiften. Noch eine Stelle, die unreiner wurde, dachte ich mir. Tut mir Leid, hörte ich Thomas Stimme in meinem Kopf. Ich schaut zu ihm auf, doch seine Mimik hatte sich kein bisschen verändert. Er schaute immer noch so mitleidig. Ich sah ihm direkt in die Augen und er wusste was das bedeutete. Ich bat ihn wieder einmal um Hilfe und wieder einmal tat er nichts, nichts außer den Kopf zu schütteln und wegzuschauen. Ich weiß, dass ich gesagt habe, dass ich aufhören wollte jemanden um Hilfe zu bitten, aber, nein nichts aber, ich wusstr nicht warum ich das tat,was ich tat. "Isa", raunte er mir erneut ins Ohr, "Wollen wir dann mal anfangen?" Nein, hätte ich am liebsten gesagt, aber ich konnte es nicht. Wieder einmal ließ ich es über mich ergehen. Seine Küsse, seine Berührungen, alles. Nachdem er fertig, war und wieder aus dem Zimmer ging lag ich regungslos und nackt, mit verschränkten Armen vor dem Gesicht, da. Ich spürte, dass Thomas mich anschaute und erinnerte mich an seine Worte. "Wenn es dir Leid tut, dann hilf mir endlich", sagte ich mit der letzten Kraft, die mir noch geblieben war. Ich rechnete mit keiner Antwort, denn ich wusste, dass er so wie so nicht antworten würde. Er war nicht mehr der, der er einmal war. Auch er hatte sich verändert. Er ist nicht mehr der, der mich beschützt hat und mutig war. Nein, er ist zum Feigling geworden.

Butterfly// #Wattys2015Where stories live. Discover now