Kapitel 7

210 31 183
                                    

Schon als der Wecker klingelt, weiß ich, dass etwas anders ist

Oops! This image does not follow our content guidelines. To continue publishing, please remove it or upload a different image.

Schon als der Wecker klingelt, weiß ich, dass etwas anders ist. Während mein Bewusstsein langsam den Schlüssel in das vom Schlaf errichtete Schloss steckt, das mich von der realen Welt trennt, spüre ich das Kribbeln in meinem Bauch.

Ist mir eine Ameise durch den Mund bis in den Bauch gekrabbelt?

Der Schlüssel dreht sich, die Tür schwingt auf. Und dann durchfährt mich der Schreck wie Martins Nadeln meinen Finger am ersten Tag, als er mich noch nicht gemocht hat. (Er ist ein schüchterner Kaktus.)

Heute werden wir gefilmt. Vielleicht ist in diesem Moment schon eine Kameralinse auf mich gerichtet, während ich mit halboffenen Mund und Haaren wie Struwwelpeter im Bett liege. Meine Müdigkeit ist schneller weggeblasen als die geriebene Muskatnuss, die ich mir vor ein paar Tagen statt Zimt in die Palatschinke gekippt habe.

Da das Zimmer relativ klein ist, bin ich schnell im Bad. Inständig hoffend, dass hier keine Kameras versteckt sind, mache ich mich fertig. Das rote Haar zu einem hohen Zopf gebunden und in einer Bluse und Jeans überlege ich schließlich, ob ich die Augenringe überschminken soll. Sie sind noch tiefer als Gustavs Enttäuschung, als ich ihn unter Brittas Aufsicht zurückgelassen habe. Allerdings entsprechen meine künstlerischen Fähigkeiten wohl auch denen eines Goldfisches, also lasse ich die Augenringe Augenringe sein und mache mich auf den Weg in die Küche, die sich im unteren Stockwerk befindet.

Schon bevor ich die Treppe sehen kann, höre ich ein Husten. Meine Schritte tragen mich um die Ecke und ich entdecke Adrian, der sich keuchend und schniefend die Stufen hinaufschleppt. Und dann passiert es: Er stolpert über die letzte Stufe.

Habt ihr euch schonmal gefragt, wie ein Weberknecht aussehen würde, wenn er das Gleichgewicht verlöre?

Ich mich auch nicht. Aber ich vermute, dass es so ähnlich aussehen würde wie der Mensch vor mir, der plötzlich doppelt so viele Gliedmaßen zu haben scheint, so wild rudert er mit den Armen. Aber vergeblich, er knallt mit einem durch den Teppichboden gedämpften Knall und einem leisen »Autsch« auf den Boden und bleibt mit dem Gesicht nach unten liegen.

Einen Moment starre ich ihn fassungslos an, während sich Schlagzeilen vor mein inneres Auge schieben. »Ruby Roth und die Leiche des Herrenhauses« ist mein Favorit, »Captain Jaquelines neuestes Opfer« und »Die Rübe und der Tod« (gelesen mit der Melodie von »Die Schöne und das Biest«) verbanne ich in die hintersten Winkel meines Gehirns.

Dann packt Paula (die Panik) mich mit aller Kraft. Ich bin Provokateur! Mein Job ist es, andere zu verarzten! Ich schwanke zwischen der Herzdruckmassage und der Mund-zuMund-Beatmung, aber mit keinem von beiden habe ich Erfahrung. Hektisch sehe ich mich nach einem Elektroschocker oder eventuell auch einer Musikbox um, um Schlager abzuspielen. (Da würde wohl jeder auferstehen, ob mitzutanzen wie Klaus oder zum aggressiven Stromsteckerziehen wie ich.) Natürlich ist nichts in Sicht, also knie ich mich nieder und starre den Rücken des jungen Mannes vor mir entsetzt an. Wie konnte ich mich nur so blauäugig zu dieser Rolle überreden lassen? (Ich will nichts über meine dunkelblauen Augen hören.)

You've reached the end of published parts.

⏰ Last updated: May 24, 2021 ⏰

Add this story to your Library to get notified about new parts!

KirschkuchenkatastropheWhere stories live. Discover now