Kapitel 6

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Während einer äußerst nervtötenden Pandemie habe ich mal beschlossen, mich bei einem Online- Walisischkurs anzumelden

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Während einer äußerst nervtötenden Pandemie habe ich mal beschlossen, mich bei einem Online- Walisischkurs anzumelden. Ich wusste nämlich nichts mit meiner Zeit anzufangen und es würde mich bestimmt nur noch die Hälfte der Leute konsterniert anstarren, wenn ich mit Gustav und Martin auf Walisisch kommunizierte anstatt auf Deutsch. Außerdem kommt die Sprache aus England.

Die Stunden fanden jeden Montag und Mittwoch um 8:30 Uhr als Zoom-Konferenz statt. Wir waren eine ziemlich große Gruppe und hatten alle genau gleich wenig Ahnung von Walisisch und einen enthusiastischen Lehrer, dessen Namen ich nicht aussprechen kann.

Einmal wöchentlich hatten wir sogar eine Einzelbesprechung. Llewellyn Hughes, genannt Mr. Hughes, bekannt als unser Lehrer, stellte uns in diesen Konferenzen alle möglichen Fragen, denen man  im walisischen Sprachraum normalerweise niemals begegnen würde. (Magst du rote oder blaue Geodreiecke lieber? Keine Ahnung, ich meide diese Dinger wie Wodka Martinis, seit ich aus der Schule raus bin!)
Er machte sogar ein persönliches Aussprachetraining, was wohl den Preis von 55€ pro Monat rechtfertigen sollte.

Der Kurs machte überraschend viel Spaß. Bis die walisische Grammatik beschloss, jede noch so kleine Flamme an Begeisterung schneller auszupusten als Hurrikane Irene es jemals könnte. Von nun an mussten wir Wörter wie ffynidwydden nicht nur kennen und aussprechen, sondern auch schreiben und in wenigstens halbwegs anständige Sätze einfließen lassen können.
Ich hasste die Grammatikstunden. Das war auch der Grund, wieso mein Wlan bei ebendiesen Lektionen immer ausfiel. Einmal trieb ich es sogar noch weiter und ging währenddessen duschen.

Den Laptop neben dem Waschbecken, die Scheiben von Dampf angelaufen, machten mir Wörter wie bysedd y traed schon etwas weniger Angst.
Bis ich unverhofft angerufen wurde.
Leider war ich zu diesem Zeitpunkt gerade aus der Dusche getreten. Der Anrufer war Mr. Hughes. Mir fiel ein, dass ich vorher durch den Wasserstrahl irgendwas von »Since you all have got so many troubles with speaking properly, I will call you in order to help you« ausgemacht hatte. (Mr. Hughes sprach mit uns Englisch, da wir nicht so viel vom alltäglichen Gebrauch mancher walisischen Doppelkonsonanten hielten.)

Hektisch lief ich zum Laptop, weil dieser aufgrund der Vibration fast vom Waschbecken kippte. Spätestens da wünschte ich mir, ich hätte die Stunde blaugemacht, da es ja keine Anwesenheitspflicht oder sowas gab.
Kurz bevor mein Laptop endgültig am Boden kaputt ging, fing ich ihn auf und nahm dabei das Gespräch unabsichtlich an.

Mit Kamera.

Ich realisierte es erst nach Mr. Hughes erschrockenem »Ruby!«

Ich war nackt. Splitterfasernackt.
In der Eile hatte ich vergessen, mir ein Handtuch umzuwerfen und beglückte Mr. Hughes gerade unfreiwillig mit privaten Videos meiner Corona-Couch- Figur.

Beglücken ist dabei ziemlich relativ, denn er hielt sich mit einem bestürzten Schrei die Augen zu. (Was ich für sehr übertrieben und unhöflich hielt, denn erstens, hatte ich die Kamera mit der Bestimmtheit, mit der er walisische Grammatik unterrichtete, sofort ausgeschalten, und zweitens hatte ich zwar etwas zugenommen, was aber niemals eine solche Reaktion auch nur im Mindesten rechtfertigt. Schließlich sind die meisten auch nur normale Menschen und keine Sporttussen mit eigenem Fitnessstudio zuhause, verdammt! Naja, wahrscheinlich war er nur höflich gewesen. Und prüde. Ich mochte ihn trotzdem nicht mehr.)

KirschkuchenkatastropheWhere stories live. Discover now