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JENNIFER CORT HATTE DEN GANZEN MATHEUNTERRICHT ÜBER GESCHWIEGEN. Ihre Freunde waren besorgt und hatten versucht mit ihr zu reden, sie aufzumuntern, oder ihr gut zuzusprechen. Doch sie reagierte nicht. Sie war komplett in ihrer eigenen Welt versunken. Als würde dort bloß die leere Hülle ihres Körpers sitzen und ihr Verstand ganz woanders sein. Wenn man die Brünette von außen betrachtete, sah sie so aus, als wäre sie nur in Gedanken verloren. Sie hatte einen Punkt im Raum fixiert und ihren Blick kaum abgewendet. Doch ihre Hand, die nervös mit ihrer Halskette spielte und ihr Bein, mit dem sie heftig unter dem Tisch wippte, verrieten sie. Sie verrieten den Krieg, der tief in ihrem Inneren vorging.

Erst die Schulglocke, welche signalisierte, dass die neunzig Minuten, in denen das Mädchen keinen Mucks von sich gegeben hatte, vorbei waren, riss Jennifer aus ihrer Trance. Sie griff nach ihrer Tasche und war die erste auf ihren Füßen. Ihre beste Freundin konnte ihr nicht einmal hinterherrufen, da war sie schon aus dem Klassenraum gestürmt und hatte sich unter das Getümmel auf dem Schulflur gemischt. In ihren Ohren rauschte ihr eigenes Blut, als sie ihre Beine wie von alleine in Richtung der Sporthalle der Hawkins High führten.

Einerseits war sich die Brünette den Blicken ihrer Mitschüler nun bewusst - vielleicht übertrieb sie, doch es war, als würden alle Augen auf ihr kleben und sie verurteilen. Doch andererseits war sie noch viel zu sehr mit ihren rasenden Gedanken beschäftigt, als sich für die Gaffer zu interessieren. Je näher sie der Umkleide der Sporthalle kam, desto stärker spürte sie die Wut in ihr aufkommen. Ihr Herz, welches brutal gegen ihren Brustkorb bebte. Ihre Hände, die an ihren Seiten zitterten. Und das Adrenalin, welches durch ihre Adern schoss.

Sie öffnete mit Leichtigkeit die schwere Tür zur Sporthalle und wurde direkt mit dem vertrauten Geruch von Gummisohlen und männlichem Schweiß getroffen. Die Metalltür fiel mit einem Knallen ins Schloss und für einen Moment hörte Jennifer bloß das quietschende Geräusch ihrer Markenturnschuhe auf dem Hallenboden und das Klopfen ihres eigenen Herzens durch den Raum hallen.

Kurz bevor sie die Tür zu den Umkleiden und Duschen erreichte, blieb sie für einen Moment einfach stehen und atmete tief durch. Das Rasen ihrer Gedanken wurde nicht besser, und es fiel ihr schwer, einen davon wirklich zu greifen. Sie hatte Billy so viel zu sagen. Sie hatte so viele Fragen. Doch allen voran war dort diese Wut, die sich in ihrem Körper breit machte, die sie loswerden musste.

Und noch bevor die Aggressionen die Überhand nahmen, umgriff die Brünette mit zitternden Fingern den Griff und riss die Tür auf. Sie hörte das Rauschen von Duschen und die wirren Stimmen ihrer Freunde aus dem Basketballteam. Entschlossen steuerte sie auf die Umkleide zu und ignorierte dabei die unbekleideten Jungs, die gerade dabei waren, sich umzuziehen oder zu duschen.

„Hey Cort, hilfst du mir beim Einseifen?", die Gestalt, die in ihrem Sichtfeld erschien umging das Mädchen geschickt und ignorierte den nackten Körper einfach. Sie konnte auf ihre Umgebung gar nicht eingehen - alles prallte an ihr ab und raste an ihr vorbei. Sie hatte nur einen Fokus. Billy zu finden.

Noch bevor sie die blonden Locken und das schiefe Grinsen vor ihr überhaupt richtig registrieren konnte, hallte ein ohrenbetäubendes Klatschen durch die Umkleidekabine, dichtgefolgt von den überraschten, fast schon animalischen, Reaktionen des Basketballteams, welche die Brünette wieder in das Hier und Jetzt saugten.

Nun nahm sie alles wahr. Den Wasserdampf in der Umkleide. Die halbnackten Körper. Den erschrockenen Ausdruck auf Billys Gesicht. Die Rumore der Jungsmannschaft. Ihr Handabdruck, welcher sich rot auf der Wange von dem Jungen vor ihr abzeichnete.

„Scheiße, Hargrove!", rief einer der Jungs - bei dem Gegröle der Mannschaft konnte Jennifer keine Stimme so wirklich ausmachen oder jemandem zuordnen. „Was hast du angestellt, man?"

JENNIFER'S BODY [BILLY HARGROVE]Opowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz