Kapitel 44

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Owen stellte sich für den zweiten Versuch auf. Alles an seinem Körper brannte oder schmerzte. Nur noch mit Mühe kam Luft in seinen Lungen an. Er hörte, wie Anthony etwas rief und befiel seinen Muskeln, jetzt bloß nicht schlapp zu machen.

Mit aller Kraft begann Owen seinen Sprint und drehte sich erst nach dreißig Metern um, um zu sehen, wo der Football war. Sein Herz pochte nur noch schneller, als er sah, dass das Leder direkt auf ihn zuflog. Der Ball war noch etwas zu hoch und wenn er das Tempo beibehalten würde, würde Owen ihn niemals fangen.

Also machte er zwei große Schritte und sprang in die Luft, als er meinte, dem Ball am nächsten zu sein. Deine Fingerspitzen berührten das Leder und im nächsten Moment griff er mit seiner Hand um den Ball, klemmte ihn sich mit seiner Hand und Unterarm gegen die Brust und rannte die letzten Meter bis in die Endzone.

Er spürte, wie sein Gegenspieler ihn fast berührte, fühlte das Licht der Scheinwerfe in seinen Augen und hörte die aufgeregten Schreie aus dem Publikum.

Keine zwei Sekunden waren vergangen, da lag er schon unter einem Haufen von Spielern der Huntsville High. Er hatte es geschafft. Anthonys Hail Mary Pass war wirklich zu ihm angekommen und sie hatten die Meisterschaft dadurch doch noch für dich entscheiden können.

***

„Mom, bei Anthony findet noch eine Party statt und ich würde echt gern hingehen." Amber las die Nachricht, in der Jessica von Anthonys Plänen berichtete und wartete die Antwort ihrer Mom ab.

„Ich fahre dich hin."

„Wirklich?"

Ambers Mom nickte nur und stand von der Tribüne auf. Die Spieler hatten sich einige Minuten zuvor noch ordentlich feiern lassen und waren nun in der Kabine verschwunden. Auch die Tribüne lehrte sich allmählich und überall um das Footballfeld und auf dem Parkplatz sammelten sich Grüppchen die sich ausgelassen unterhielten.

„Was würdest du machen, wenn ich mich für die University of Tennessee entscheiden würde?", fragte Amber, als ihre Mom gerade vom Parkplatz fuhr.

Sie räusperte sich und drehte stellte die Lautstärke des Radios leiser. „Ich würde genau dasselbe tun, wie wenn du dich für Vanderbilt entscheiden würdest."

„Wieso unterstützt du mich eigentlich auf einmal so? Vor ein paar Wochen hättest du mich noch dazu gezwungen was ganz anderes zu tun." Amber strich dich die Haarsträhne aus den Augen.

Wieder räusperte sich ihre Mom. „Ich war mit deiner Schwester auf einem Turnier und ich habe diese Leidenschaft in ihren Augen gesehen, die ich auch damals immer beim Turnen hatte. Ich dachte immer, du würdest das auch fühlen und war wirklich der Meinung, dass ich immer das Beste für dich tat. Doch als ich Leslie turnen sah ist mir das erste Mal der Unterschied aufgefallen. Deine Augen haben nie so geleuchtet wie ihre. Und in dem Moment ist mein Herz gebrochen. Ich wollte wirklich immer nur das Beste für dich, Amber. Das musst du mir glauben. Ich habe erst jetzt gemerkt, dass ich dir das nie gegeben habe und frage dich einfach nur nach einer zweiten Chance. Ich kann eine bessere Mutter für dich sein."

Amber sah sie mit großen Augen an und kämpfe gegen ihre Tränen an. Das war alles, was sie sich die ganzen Jahre gewünscht hatte. Verständnis. „Und was ist mit Dad? Was denkt er von der ganzen Sache."

„Er ist vielleicht noch nicht ganz eingeweiht. Aber lass das mal meine Sorge sein, ich werde ihn schon noch überzeugen, dass du alles richtig machst."

*

Amber betrat Anthonys Haus und wurde von lauter Musik und dem Geruch von Alkohol begrüßt. Diesmal mussten sie sich nicht im Keller aufhalten, sondern hatten das ganze Haus um die Meisterschaft zu zelebrieren.

Sie suchte in der Menge nach Jessica, doch blieb wie angewurzelt stehen, als sie eine orangene Kappe mit einem weißen T erkennen konnte. Zu gut erinnerte sie sich an diese Kappe. Sie hatte sie Owen bei ihrem Ausflug zur University of Tennessee gekauft.

Die orangene Kappe kam ihr immer näher und ihr Atem stockte, als sie Owen direkt in die Augen sah.

„Hey", flüsterte er, als er vor ihr stand und lächelte ihr unbeholfen zu.

„Glückwunsch. Das war echt ein krasser Pass am Ende."

Owen lachte kurz. „Anthony ist ein verdammt guter Quarterback."

„Du bist einfach nur ein verdammt guter Wide Reciever", konterte sie.

Sie sahen sich lächelnd an, bis Owen eine Hand ausstreckte und ihr eine Haarsträhne, die ihr ins Gesicht gefallen war, hinters Ohr strich. „Kann ich mit dir reden?"

Amber nickte und spürte immer noch das Kribbeln, das Owens Berührung auf ihrer Haut hinterließ.

„Wollen wir rausgehen? Hier ist es furchtbar laut um sich zu unterhalten."

Wieder nickte Amber und folgte Owen aus dem Haus. Ohne nachzudenken vertraute sie ihm vollkommen und lief mit ihm durch die dunkle Straße, bis sie an seinem Truck ankamen.

„Warte kurz hier", murmelte er und kramte etwas von der Rückbank hervor. Zwei große Decken häuften sich in seinen Armen, die er weiter balancierte und auf der Ablagefläche des Pick-Ups ablegte. „So, jetzt sollte es hier ein wenig gemütlicher sein."

Owen streckte Amber seine Hand entgegen, die sie ergriff und auf die Ladefläche kletterte.

„Du hast also tatsächlich immer Decken im Auto."

„Natürlich. Wieso sollte ich dich anlügen?"

Amber zuckte lachend mit den Schultern. „Weiß nicht. Ist aber auf jeden Fall praktisch."

Sie lehnte sich am Ende der Ladefläche neben Owen mit ihrem Rücken ab und zog eine der Decken über ihren Körper.

„Ich habe dich vermisst", hörte sie Owens tiefe Stimme neben sich flüstern.

Ihre Mundwinkel zuckten nach oben, als sie zu ihm blickte und seinen ehrlichen Ausdruck erkannte. „Ich habe dich auch vermisst", gab sie zurück.

„Wie blöd waren wir eigentlich? Ich kann mich nicht mal mehr genau daran erinnern, wieso wir nicht mehr miteinander geredet haben. Ich weiß nur wie furchtbar langweilig die Zeit ohne dich war."

„Owen, ich habe heute mit meiner Mom geredet. Wir haben völlig grundlos nicht miteinander gesprochen."

Er legte einen Arm um ihre Schultern und zog sie näher an sich heran. Und wie auf Knopfdruck begannen die Schmetterlinge wieder in Ambers Bauch herumzuflattern. „Über was habt ihr geredet?"

„Sie hat sich bei mir entschuldigt. Kaum zu glauben, oder? Naja, aber sie hat mir gesagt, dass sie mich bei allem unterstützt, was ich mir vornehme. Und als ich sie gefragt habe, was sie machen würde, wenn ich mich für die University of Tennessee entscheiden würde, hat sie ganz normal reagiert. Und weißt du was? In dem Moment habe ich mich sogar für die Uni entschieden. Und das ist nicht nur, damit wir zusammen studieren können, sondern einfach, weil ich es will."

Owen küsste sie auf die Haare und ließ seine Stirn gegen ihre fallen. „Ich hatte so Angst, dass du dich meinetwegen für was entschiedest, dass du später vielleicht bereuen würdest."

„Das werde ich nicht."

„Ich weiß"

Amber nahm sein Gesicht zärtlich in ihre Hände, sie spürte seine raue Haut unter ihren Fingerspitzen, als sie ihren Kopf senkte und ihre Lippen auf seine legte.

Hail Mary | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt