18-/Ein Tag, zu schön zum streiten

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Tenko PoV.

Touya schaut mich an, als müsste ich genau wissen, was er meint, als müsste ich diese Fassade fallen lassen und ihm gestehen, dass ich seit Jahren keinen einzigen Brief verschickt habe.

Dem ist jedoch nicht so, ganz im Gegenteil sogar- Touya müsste eine ganze Menge Briefe bekommen haben.

Versucht er mich reinzulegen?

Will er sich bloß einen spaß erlauben und mich nervös machen?

Falls das sein Ziel gewesen sein sollte, hatte er es schon längst erreicht.
Jedoch wirkt er nicht so, ganz und garnicht... Nur irgendwer von uns muss falsch liegen, einer lügt- und ich bin es sicher nicht.

"Ich habe dir von allem geschrieben- meinen Gefühlen u-und Gedanken und... Naja von allem halt. Du musst sie bekommen haben! Du... Du hast sie wahrscheinlich einfach nur nicht geöffnet"
Nachdem ich meinen Gedanken, mehr oder weniger absichtlich, Sprache verliehen habe, tritt mein gegenüber wieder einen Schritt zurück und wirft mir einen überraschten Blick entgegen.

"Was redest du da? Ich hätte damals alles für ein Lebenszeichen von dir gegeben! Kannst du dir Vorstellen wie enttäuscht ich war? Ich hab mir alles mögliche als Grund ausgemalt"

Touya scheint sich dieses Gespräch wohl ebenfalls etwas anders Vorgestellt zu haben.

Er klingt beinahe etwas genervt und frustriert, ja fast schon bitter.
Ich für meinen Teil schaue mich hilfesuchend um, spüre aber bloß die Sonne auf meiner Haut und den dazugehörigen, leichten Wind, welcher meine dunklen Haarsträhnen etwas umher tanzen lässt.

Heute ist wirklich ein wunderschöner Tag, zu schön, um sich streiten - wenn man mich fragt zumindest...

Leider driften aber auch meine Gedanken, immer weiter in eben diese Richtung.

"Ich kann mir sehr gut Vorstellen wie enttäuscht du warst Touya! Keine ahnung was du hier grade machst, aber ich weiss ganz genau, dass ich die letzten Jahre genug 'Lebenszeichen' verschickt haben sollte!"

Auch ich habe nämlich meine Stimme, ungewollt, etwas gegen den größeren erhoben und erneut meine Hände zu Fäusten geballt- diesmal aber nicht aus purer Nervosität.
Das was er sagt- das, von dem er denkt, dass es richtig wäre, verwirrt und frustriert mich aber langsam mehr als nur ein bisschen.

Wäre ich heute nur im Bett geblieben und hätte weiter vor mich hin existiert... Dann würden wir uns nun nicht gegenseitig diese dinge unterstellen und uns mitten am Tag im Garten streiten.

Ob meine Eltern es wohl bemerkt haben?

Oder Hana?

Oder vielleicht Touyas Familie?

Während ich weiterhin an irgendwelche belanglosen sachen denke und eigentlich auf eine Reaktion warte, krallen die Finger des anderen sich bloß in den Stoff seiner Hose, ehe er seine Arme vor der Brust verschränkt und den Mund einen spalt öffnet.

Jedoch hört man keinen Ton.

Er scheint beinahe so, als wäre er genauso verwirrt und überrascht wie ich selbst...
Ich will nicht sauer auf ihn sein, ich will ihn auch nicht hassen oder anschreien - ich will nichts davon.
Jedoch habe ich im moment garkeine Meinung mehr zu diesem jungen Mann- nicht mal eine verschwommene.
Er hat, mit den wenigen Sätzen, die er bis jetzt von sich gegeben hat, meine Gedanken und Ängste der letzten Jahre komplett auf den Kopf gestellt.

Außerdem spüre ich diesen Frust, den ich sonst immer mit Musik übertönt habe, stärker als jemals zuvor.

"Was ICH hier mache? Ich frage bloß den Typen, der nach Ōsaka gezogen ist und mich hier im Stich gelassen hat, nach einem warum. Mehr nicht"

"Der Typ der nach Ōsaka gezogen ist, hat leider kein warum für dich- Ich habe dir zum Geburtstag gratuliert, dir von jeder änderung geschrieben, die es in meinem scheiß Leben gab und war auch noch so dumm, an jeden Brief ein 'ich vermisse dich Touya, bitte schreib doch zurück Touya, bitte sei ok Touya' anzusetzen? Ich hab Jahre lang auf eine antwort gewartet und Gedacht du hasst mich, oder hättest mich ersetzt- dafür?!"

Als das letzte Wort meines kleinen Vortrages meine Lippen verlässt, Strecke ich meine Arme Sinnbildlich in Touyas Richtung und schaue ihn verzweifelt an.
Anstatt aber auf meine Worte von vor wenigen Augenblicken zu reagieren, scheint sein Blick bloß an meinen Armen zu kleben.

Er schaut Ausdruckslos auf die vernarbte Unterseite meines Armes, ebenfalls scheint er ein kleines Stück zurück gewichen zu sein.

Es sammelt sich sofort eine unangenehme Hitze in meinen Wangen und lässt mich vor Anspannung erröten, während ich meine Arme schnell zurück ziehe und an meine Seiten presse, damit er keinen weiteren Blick auf sie werfen kann.

Ich schäme mich eigentlich nicht für diese Narben, ich finde sie sind eine Art Überbleibsel, eines sehr schweren Parts meines Lebens, für den ich mich einfach nicht schämen sollte...

Schließlich lebe ich noch, ich stehe hier und Atme, aber ich weiss doch, was er denkt-
Ich schiebe all meine Probleme auf ihn- den Sündenbock den ich mir ausgesucht habe, da ich selber nicht damit klarkomme.

Ein Aufmerksamkeitsgeiler Loser.

Ich hätte mir heute Mittag einen Pullover anziehen sollen...
Zu meiner Überraschung aber, scheint Touya nicht zu wissen was genau er antworten soll-

Soll er eben gesehenes kommentieren?

Ganz normal auf meine Anschuldigung antworten, oder... Was ist das richtige?

Ich selber weis langsam auch nicht mehr, was eigentlich 'das richtige' wäre.
Mein Herz rast, mein Puls ist so hoch wie lange nicht mehr, während meine Hände zittern und mir die Tränen, die ich so krampfhaft versuche zurückzuhalten, langsam die Sicht erschweren.
Ich werde nie laut und habe auch noch nie jemanden angeschrien, ich wusste garnicht, dass ich sowas überhaupt kann.

Das hier, dieses Gespräch, kann ich im moment aber nicht mehr- weshalb ich Touya bloß noch mit ruhiger Stimme

"Tut mir leid"

Entgegen flüstere, mich umdrehe und endlich nach der Tasche greife, welche noch immer unter dem schattigen Baum liegt.
Die tatsache, dass ich durch ihr unerwartetes Gewicht beinahe stolpere, lässt auch die Röte auf meinen sonst so blassen Wangen, nicht vollständig abklingen.

Auch jetzt scheint er mich nicht vom gehen abhalten zu wollen, er schaut mir bloß dabei zu wie ich die Tasche an ihm vorbei schleppe und ihm mit meiner leicht zitternden Stimme, vorerst einen letzten Satz entgegen werfe.

Kurze Zeit später, stehe ich auch schon vor der Gläsernen Terrassentür und spüre, wie mir meine so verhassten Tränen die Wangen hinunter laufen.
Die Gartengeräte, welche meine Mutter so dringend wollte, lasse ich Wortlos vor ihre Füße fallen und mache mich dann sofort auf den weg in mein Zimmer.

Es mag etwas Dramatisch sein, jedoch ist das letzte was ich jetzt will, mit jemandem über diese sache zu sprechen...

Ich hoffe doch bloß, dass dieses Gespräch meinem 'besten Freund' weitergeholfen hat.
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Ein längeres Kapitel, aber das konnte ich einfach nicht aufteilen- ich bin manchmal gerne gemein aber so... Neh :(

Naja, deren erstes wiedersehen lief jetzt irgendwie nicht so Klasse-

Ich hoffe trotzdem es hat euch gefallen

Everything stays --Shigadabi ff--Where stories live. Discover now