Kapitel 14

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Von dem Rauch der meine Lungen füllt werde ich ganz benommen. Prüfend betrachte ich die Wege, die ich einschlagen könnte. Wenn ich geradewegs weiter rennen würde könnte ich dem Feuer vielleicht entkommen. Doch dann fällt mein Blick zurück zu Caleb, der schwach und verletzt vor mir liegt und schon aufgegebenen hat. Ich weiß, zwinge mich zumindest daran zu glauben, dass tief in ihm, weit unter seinem selbstlosen Befehl ihn zurückzulassen, noch ein Funken Überlebenswillen sein muss. Ich muss ihn bloß vergrößern.

„Kommt nicht infrage!", blaffe ich ihn regelrecht an. Er antwortet sofort, fast so, als hätte er seine Antwort einstudiert. „Musst du aber. Ich werde das nicht durchstehen und, wenn du noch länger hier bleibst, dann wird dir das selbe widerfahren, also hör auf zu zögern und lauf!" Jetzt drückt er mich sogar von sich weg, doch er bringt zu wenig Kraft auf, um irgendetwas zu bewirken, was mich jedoch noch betrübter macht.

Was wenn er nun Recht hat? Wenn für ihn keine Überlebenschance mehr besteht? Doch dann denke ich daran, wie Willow zu Hause in Distrikt 12 vor dem Bildschirm sitzt und darauf vertraut, dass ich ihren Bruder rette. Oder mich. Oder keinen von uns. Und wie Caleb wohl an das selbe denkt. Er denkt, dass Willow es nicht verkraften wird uns beide zu verlieren. Und deshalb will er, dass ich ihn zurück lasse. Ja, ihm geht es um Willow, um ihretwillen, will er, dass ich weiter lebe. Und da kommt mir eine Idee.

„Entweder du kommst mit mir, oder ich bleibe hier und wir beide sterben.", erkläre ich ihm wütend. „Und das wird nicht mehr lange dauern." Ich weise auf die riesige Feuerwand, die mit jeder Sekunde, die vergeht, näher an uns rückt. Da nimmt er plötzlich mein Gesicht in seine Hände, guckt mir genau in die Augen und sagt: „Ich kann nicht. Geh. Geh, das ist alles was ich will. Für mich ist es zu spät." Ohne zu zögern gebe ich ihm eine Ohrfeige.

Vielleicht ist das bei einem tödlich Verletzten unangebracht, doch in dem Moment benimmt er sich so idiotisch, dass es mir auch im Nachhinein, kein bisschen Leid tut. „Ich lass dich hier nicht allein!", schreie ich ihn an. „Und du lässt mich hier auch nicht allein, hörst du?"
Und da nickt er auf einmal, wie betäubt.

Ich packe ihn am Arm und ziehe ihn mit mir. Erst stolpert er, sackt fast in sich zusammen, doch langsam merke ich, wie seine Beine ihn beginnen zutragen, es jedenfalls versuchen.

Mit dem Feuer dicht auf den Fersen gelingt es uns irgendwie an einen Teich zu gelangen. Fast schon synchron lassen wir uns in das kühle Wasser fallen. Sofort spüre ich Erleichterung, der Schmerz lässt nach. Ich lasse das kühle Wasser meinen Hals durchspülen, dann wird mir schwindlig.
Nur geradeso schaffe ich es zum Rand des Teiches, da verliere ich das Bewusstsein.

Als ich die Augen wieder öffne, ist es schon hell. Ich huste ein paar Mal, dann gehe ich wieder ins Wasser um etwas zu trinken.
Das Wasser tut genauso gut, wie vor ein paar Stunden. Wohlig seufze ich auf, lasse mich langsam durchs Wasser treiben und untersuche meine Verbrennungen. Meine Hände sehen ziemlich übel aus, aber abgesehen von einer leichten Verbrennung an der Schulter, sind sie meine einzige Verletzungen. 
Erst jetzt wird mir klar, was für ein Glück wir hatten. Caleb und ich, wir haben überlebt, Caleb und.
Ich stocke. Caleb. Wo ist er? Hektisch drehe ich mich herum, um ihn zu suchen. Was wenn er es nun doch nicht geschafft hat, er an den Verbrennungen, oder gar einer Rauchvergiftung gestorben ist?

Doch das ist er nicht. Er kauert am Rand des Teiches, sein Blick ist immer noch schmerzverzerrt, und kaut nervös auf einem Grashalm herum.

„Oh Caleb", flüstere ich und wate durch das Wasser auf ihn zu. „Wir haben es geschafft, wir haben überlebt." Ich will ihn gerade umarmen, da sagt er: „Da wäre ich mir, was mich betrifft, nicht so sicher."
Er krempelt seine Hose hoch und legt die Sicht auf seine Wade frei, doch alles was ich sehe ist eine unfassbar große Wunde, die bis auf den Knochen reicht und von kleinen Körnchen bedeckt ist, die ich mir weder erklären noch erkennen kann.

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⏰ Last updated: Apr 03, 2021 ⏰

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