Hitler hat die Autobahn erfunden, oder? - Hartnäckige historische Irrtümer

Vikings

Auf Bitten hin (und aus eigenem doch großen Interesse) habe ich mich die letzten Tage mit der Serie "Vikings" beschäftigt.

Ich möchte sichergehen, deshalb:
ACHTUNG, in diesem Beitrag geht es um eine Fernsehserie und spoiler können nicht ganz umgangen werden, wenn ich versuche, in einzelnen Punkten darzulegen, wie historisch korrekt diese Serie ist.

Ich selbst habe die Serie nur bis zur zweiten Staffel geschaut, weil mir etwas Ästhetisches fehlte. Alles grau und düster (und na ja, die Schauspieler waren in meinen Augen auch nicht besonders attraktiv). Als dann der Blutatler über mehrere Minuten lang sehr detailliert gezeigt wurde, konnte mein Magen nicht mehr ... Aber das hier soll keine Serienkritik werden, dazu bin ich die falsch Person.

Als ich nämlich über mehrere Minuten lang meinen Blick vom Fernseher abwenden musste, weil dort ein Charakter durch den Blutatler hingerichtet wurde, fragte ich mich : Gab es diese Hinrichtungsart tatsächlich? Und dann begann die Recherche um die Serie.

Lassen sich die Protagonisten historisch nachweisen?
Passen die Übergriffe mit Quellen überein?
In welcher Zeit spielt die Serie genau?

Zuallererst möchte ich ein Zitat anführen, auf das ich bei Recherchen zu dem Thema gestoßen bin. Es stammt von dem Erfinder der Serie, Michael Hirst.

“I especially had to take liberties with ‚Vikings‘ because no one knows for sure what happened in the Dark Ages. [...] We want people to watch it. A historical account of the Vikings would reach hundreds, occasionally thousands, of people. Here we’ve got to reach millions.”

Eigentlich sagt dieses Zitat alles. Zu dramaturgischen Zwecke wurde hier Fiktionalität der Historizität vorgezogen. Aber damit geben wir uns noch nicht zufrieden :) Ich werde trotzdem ein paar Beispiele heraussuchen.

Zunächst sei dazu zu sagen, dass die Wikinger eine historisch schwer greifbare Gruppe sind. Sie lebten in einer Zeit, in der schriftliche Überlieferung rar war und sich meist auf Königshöfe und Klöster beschränkte. Es handelt sich hier aber um eine Seefahrer Gemeinschaft, die mehr Wert auf Eroberungen und Erhalt legen musste, sodass Schriftlichkeit hinten angestellt wurde.
Daraus folgt, dass hauptsächlich Quellen über sie bekannt sind, die vermutlich ein verzerrtes Bild abzeichnen. Auch die vermehrte Legendenbildung und ihre Darstellung in Literatur und Film, fördert nicht gerade eine historisch korrekte Darstellung.

Um eine Beschäftigung zu ermöglichen und nicht jegliche Kapazität zu sprengen, möchte ich mich auf den Protagonist Ragnar Lothbrok konzentrieren und mich quasi an seinem Leben entlanghangeln. Er ist nicht nur der Anführer aus einer fiktiven Serie, sondern auch eine ehemals real existierende Person, wenn auch historisch umstritten. Es wäre ja auch zu leicht, würde ich mich hier mal mit einer klar zu greifenden Person beschäftigen :D aber auch hier liegen die Gründe in der fehlenden schriftlichen Überlieferung.

Also: Ragnar Lodbrok war ein Wikinger und König in Dänemark, der im frühen neunten Jahrhundert gelebt haben soll (was zeitlich zum Beginn der Serie passen würde).  Doch die historische Existenz Ragnars ist in der Geschichtswissenschaft umstritten. Eventuell handelte es sich bei Ragnar und Lodbrok sogar um zwei verschiedene Personen (siehe: Problem mit den Vornamen im Mittelalter), die nur in späteren Überlieferungen vermischt wurden.

Was aber klar gesagt werden kann ist:
Rollo Sigurdsson, der in "Vikings" der Bruder von Ragnar Lodbrok sein soll, war den Überlieferungen nach  definitiv nicht dessen Bruder.
Er hat diesen auch niemals getroffen. Es ist anzunehmen, dass Rollo etwa 860 n. Chr. geboren wurde (ein Geburtsort kann nicht angegeben werden). Ragnar lebte hingegen im frühen neunten Jahrhundert. - Ups.

Die Grausamkeit der Wikinger ist auch in "Vikings" durchaus authentisch und unästhetisch dargestellt. Es kommt nicht von irgendwo, dass die Wikinger als "Terroristen des Mittelalters" galten. Sie plünderten, brandschatzten und nahmen Gefangene. Und nur selten hatten sie Mitgefühl für ihre Sklaven. Es gibt Berichte / Legenden darüber, dass Ragnar hundert Gefangene hängen ließ und sie gut sichtbar ausstellte.

Generell lässt sich sagen, dass die Serie mit historisch korrekten Ereignissen arbeitet. Diese aber in einem viel kürzerem Zeitrahem geschehen lässt. So fand der erste Wikingerüberfall auf England, explizit auf das Kloster Lindisfarne, 793 statt. Erst fast 50 Jahre später (845) wurde Paris angegriffen. Also sei festgehalten: Die Angriffe an sich lassen sich historische beweisen. Allerdings nicht zu den Zeiten, in denen sie angeblich in der Serie stattfinden.

Die Darstellung, wie diese Angriffe von statten gingen scheint allerdings recht historisch fundiert. So stimme die Größe der Heere inetwa (wobei auch hier ein Nachweis sehr schwierig ist, weil gerne zur Untermalung der eigenen Intention entweder übertrieben oder verharmlost wurde) und auch die kamoftechniken.
Was allerdings wieder nicht historisch gesichert ist, ist die Teilnehme der Frauen an Kampf.

Historiker haben sich ebenso bereits mit den Waffen, Kostümen und kampftechniken beschäftigt und diese kritisiert. Und hier möchte ich zustimmen. Die Kleidung aber auch die genutzten Waffen weisen meiner Meinung nach teils auf ganz andere Epochen hin (hier zu am Ende ein sehr interessantes, nicht zu langes Buch, das knapp eben diese Aspekte der Wikinger darstellt).
Ebenso stünde es um Lebensumstände und die Herrschaftsstrukturen, die laut Historikern nicht dem momentan Forschungsstand entsprächen.

Zu guter letzt noch einmal zum Anfang meiner Recherchen :
Der Blutatler oder Blutaar. Dieser taucht in vielen Sagen und Legenden auf und ist wirklich extrem widerlich. So seien beispielsweise ironischerweise Ragnars Söhne in England von dem König auf eben diese Weise hingerichtet worden.

Allerdings ist der Hintergrund dieses "Rituals" ebenso umstritten wie viele andere Dinge im Zusammenhang mit der Serie. Auch ob diese Hinrichtung tatsächlich ausgeübt wurde, ist nicht eindeutig klärbar. Neben Historiker, die die Ausführung nicht für ausgeschlossen halten, sehen andere sie eher als eine besonders brutale literarische Ausschmückung.

Und damit habe ich erstenmal genug über die "Bösen" auf See geschrieben :D