𝐓𝐡𝐢𝐫𝐭𝐲 𝐬𝐢𝐱

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„Was- Was ist das?", fragte ich an Jungkook gewandt. Ich riss meinen Blick von dem Bild ab und fand mich in dem Spiegel seiner Edelsteine wieder. Seine Augen schienen auf mich gewartet zu haben - als würde ihn das Bild selbst nicht kümmern, sondern nur meine Reaktion darauf. „Das, Taehyung" Ich spürte, wie seine warme Hand sich von meiner löste. „Das sind Glühwürmchen. Sie werden auch greifbare Sterne genannt." Er drückte sich von hinten an mich und legte seine Arme um meinen Körper. Sein Kopf war ganz nah an meinem Ohr. Ich probierte mein bestes, möglichst leise zu atmen, doch seine Präsents machte mich atemlos.

„Greifbare Sterne?", fragte ich, ohne selbst zu wissen, worauf ich hinaus wollte. „Ja, eigentlich ironisch, denn sobald du wirklich versuchts, nach ihnen zu greifen, sind sie verschwunden. Solltest du sie fangen, verlieren sie ihr Licht. Sieht so aus, als sollte kein Stern seiner Freiheit beraubt werden."
Sein Haar kitzelte mich am Nacken. Dabei war es so weich.

„Das hat meine Mutter auch immer gesagt.", meinte ich, bevor ich mich verbesserte. „Also ich kann es nicht wissen, aber es stand in ihrem Tagebuch. Ich ging einfach davon aus, dass sie- ich weiß auch nicht." Mein Blick verhakte sich in dem Anblick dieser leuchtenden Kreaturen. Ich fing an, mich zu fragen, welche Spezies ich sonst alles nicht kannte.

„Wirklich? Es ist ein altes Sprichwort der Seratra." Ich legte meinen Kopf schräg und ließ meinen Blick zu ihm wandern. Seine Lieder verdeckten die Edelsteine, doch kannte ich das Funkeln bereits so gut, dass mein Gehirn sie automatisch vor sich sah. Ich war nicht besonders überrascht, dass er von den Seratra wusste. Dennoch-

„Meine Mutter war ein Seratra, weißt du." Ich hielt den Atem an. Angst vor seiner Reaktion mischte in mir mit. Es war nur ein einfaches unterdrücktes Ziehen, das darauf wartete, mitgerissen zu werden. „Das hab ich mir schon gedacht."
Ich löste mich etwas von ihm. Sofort fror ich. Die Nacht war nicht kalt, doch sobald mich seine Wärme verließ, schien der Wind viel frischer zu wehen. „Woher das den?" Seine Lieder gaben seine Augen mit einem einzigen Ruck frei. Ich war ihm so nah. So nah das es wehtat, nicht näher zu sein. Bevor er seinen Mund öffnete, zog er mich zurück an sich. Ich donnerte wieder gegen seinen Oberkörper und spürte sein schlagendes Herz an meinem Rücken. Gar meinte ich, dass es an Schnelligkeit zunahm. „Denkst du nicht, das ist offensichtlich?"

Mein Blick nahm die fliegenden Sterne auf. Es herrschte Stille für die wenigen Momente, die niemand etwas sagte. „Du bist ein Seratra. Zumindest ein Elternteil muss es dann auch sein. Ich weiß nur von deinem Vater, dass er es nicht ist."
Ich nickte. Die Antwort schien weniger kompliziert zu sein, als erwartet. Vielleicht war nicht alles immer so schwierig, wie ich glaubte, zu sein? Vielleicht machen nur unsere Gedanken die Welt so verkorkst?

„Komm, setzten wir uns." Jungkook umfasste mein Handgelenk, um mich mit sich zu ziehen. Er wählte einen Fleck auf den Boden aus, der ganz nah am Wasser zwischen zwei Steinen versteckt lag. Sanft drückte er mich in eine sitzende Position und nahm den Platz neben mir ein. Sein Kinn legte sich auf seine angezogenen Beine. Es wirkte so ruhig. Ich wünschte mir gar, dass es immer so sein könnte. Ich wünschte mir, wir könnten unsere Vergangenheit, unsere Pflichten und unsere Geheimnisse einfach von uns schütteln. Ich würde gerne alles mit einem der Glühwürmchen in den Himmel aufsteigen lassen. Sobald wir probieren würden, nach ihnen zu greifen, wäre ihr Licht verloren. Doch scheinbar galt diese Regel nur für das Ungreifbare.

„Was ist mit deinen Eltern?" Abermals hielt ich den Atem an. Es war gefährlich Jk nach seiner Vergangenheit zu fragen. Er kam mir manchmal vor wie ein Stern. Versuchte man, zu nah an ihn heranzukommen, entfernte er sich doppelt so schnell. Doch diesmal schien er nicht davonrennen zu wollen.
„Meine Eltern? Schwierig."

Mir war nach seufzen zumute, aber ich untersagte es mir. Ich versuchte, mich damit zufrieden zu geben. Mir einzureden, dass ich warten könnte. Warten bis er bereit war.
„Meine Mutter starb als ich noch ziemlich jung war." Überrascht blickte ich in sein Gesicht. Ich hatte mich schon damit abgefunden, die restliche Zeit in Schweigen zu verbringen. Auch er sah zu mir - mit diesem seltsamen verschleierten Ausdruck, der mir alles und nichts sagen wollte. Seine Lippen hoben sich zu etwas, das ein Unwissender als Lächeln beschrieben hätte. Aber ich kannte ihn. Vermutlich nicht gut, doch gut genug, um hinter diesen Ausdruck zu blicken.

𝐅𝐨𝐮𝐫 𝐒𝐲𝐥𝐥𝐚𝐛𝐥𝐞𝐬 (𝖳𝖺𝖾𝗄𝗈𝗈𝗄)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt