„Es ist nicht nur Bill, oder?", frage ich leise. Kingsley schaut zu mir auf und seufzt. „Der eigentliche Grund, warum ich Arthur gebeten habe, euch alle herzurufen ist, dass eines unserer Mitglieder heute sein Leben lassen musste." Meine Finger bohren sich feste in Freds Arm. Dass es keiner der Anwesenden sein kann, erleichtert mich, doch gibt es dennoch genügend Möglichkeiten, wen es getroffen haben könnte. Meine Gedanken huschen wieder zu Ron und Ginny – doch die beiden hätte Kingsley wohl kaum als Mitglieder des Ordens betitelt. Oder? „Es ist Albus."

Irgendwem fällt eine Tasse aus der Hand. Ein lautes Klirren erklingt. Gefolgt von Keuchen. Empörte und bestürzte Blicke ruhen auf Kingsley. „Wie?" – „Wer?" – „Das kann nicht sein!" Stimmen rufen durcheinander, doch ich bin einfach nur sprachlos. Mein Herz wird schwer und mein Magen überschlägt sich. Albus Dumbledore, der Schulleiter von Hogwarts; der Gründer und Anführer des Orden des Phönix; der Mann, der mir diese wundervolle Welt gezeigt hatte... Tot? Das kann einfach nicht sein.

„Ruhe! Bitte!", ruft Kingsley und atmet schwer aus, als die Stimmen schlagartig verstummen. „Ich weiß, dass es nicht einfach zu begreifen ist. Wir haben diesen Verlust nicht kommen sehen, und doch war der Mord an ihm – wie es scheint – lange geplant." Bei dem Wort Mord schaue ich zu Fred auf. Seine Stirn liegt in Falten und er sieht mich nicht an. Sein Blick ist starr auf Kingsley gerichtet. „Es war Snape. Severus Sn-" – „Warte... Professor Snape?!", schießt es aus mir heraus und ich schlage mir schnell die Hände vor den Mund. „Tschuldigung.", murmle ich und beiße mir auf die Lippen. „Ja, Emilia. Professor Snape.", beantwortet Kingsley meine Frage ruhig und räuspert sich. „SNAPE hat Dumbledore UMGEBRACHT?", fragt Charlie entrüstet. Seine Augen sind geweitet und sein Mund vor Unglauben geöffnet. „Das kann nicht sein... Das... Albus hat ihm vertraut!!", keucht Hestia. Ich bin sprachlos und muss das Gehörte erst einmal verarbeiten. Das kann einfach nicht wahr sein. Das DARF einfach nicht wahr sein. Ich blicke zu meinem Vater. Sein Blick ist immer noch leer und zu Boden gerichtet. Er hält sich eine Hand ans Kinn und schließt die Augen, als Kingsley weitererzählt. Ob er wohl dabei war? „Der Malfoy Junge sollte es tun. Aber er konnte es wohl nicht - hat zu lange gezögert. Dann ist Severus ihm zur Hilfe gekommen. Er hat ... ihn mit dem Todesfluch getroffen und" Er schluckt und senkt den Blick. „und sein lebloser Körper ist den Astronomieturm hinabgestürzt." Meine Augen weiten sich vor Schock. „Harry hat alles gesehen. Er war vorher mit Albus unterwegs – er konnte uns nicht sagen, worum es ging, aber es muss wichtig gewesen sein." Er seufzt. „Gottseidank hatte Albus vorgesorgt und Ordensmitglieder ins Schloss schicken lassen." Kingsley schaut zu Tonks und meinem Dad auf. „Dadurch konnte weiterer Schaden verhindert werden."

Einen Moment lang herrscht eine erdrückende Stille im Raum. Der Schock ist den Anwesenden ins Gesicht geschrieben und niemand scheint passende Worte zu finden. Wie auch? Was gibt es dazu noch zu sagen? Es gibt nichts, was diese schreckliche Botschaft besser machen könnte, oder weniger wahrhaftig. Es gibt nichts, was Dumbledore wieder ins Leben holen könnte. Dumbledore ist tot. TOT. Mein Atem geht schwer. Mein Blick wandert durch den Raum, findet jedoch keinen Halt. Mir ist plötzlich eiskalt und ein Schauer überkommt mich. Als mir die tatsächliche Bedeutung der Neuigkeiten bewusst wird, drücke ich meine Faust gegen meine Lippen, um sie zu stützen und die Schreie zu ersticken, die meiner Kehle entfliehen wollen. Wenn Dumbledore tot ist... gibt es keinen Zauberer, den Voldemort mehr fürchtet. Es gibt niemanden mehr, der Hogwarts beschützt und der uns führt. Können wir diesen Krieg überhaupt noch gewinnen?

Kingsley räuspert sich und durchbricht damit das Schweigen. „Ich weiß, dass es ein großer Schock für uns alle ist und ein schwerwiegender Verlust, nicht nur für uns als Einzelne, sondern für die gesamte Zaubererwelt. Wir haben nicht nur unseren Freund und Vertrauten verloren, sondern einen unserer wichtigsten Anführer. Dennoch muss ich an euch appellieren: wir dürfen den Mut nicht verlieren und uns von diesem Schicksalsschlag nicht verunsichern lassen. Wir sind immer noch stark und wenn überhaupt macht uns diese Nachricht nur noch stärker." Ein Kloß bildet sich in meinem Hals. Ich schlucke und fahre mir dann nervös mit den Fingerspitzen über mein Schlüsselbein. Als Kingsley eine kurze Pause macht, huscht mein Blick zu Dad. Er hat einen Arm vor der Brust verschränkt und hält sich mit der anderen Hand die Stirn. Sein Blick ist stetig zu Boden gerichtet und seine Brust hebt uns senkt sich in zittrigen Schüben. Ich möchte mir gar nicht ausmalen, was in ihm gerade vor sich geht. Ob er Dumbledores Leiche gesehen hat? Ich stelle mir vor, wie sein Körper wohl ausgesehen haben muss – nach einem so tiefen Fall – und schüttle den Gedanken mit einem tiefen Atemzug schnell wieder weg.

Meine Aufmerksamkeit wandert zurück zu Kingsley, der noch immer seine Ansprache hält. „Lasst uns auf Albus anstoßen.", sagt er gerade und ich sehe dabei zu, wie er den Zauberstab schwingt und ein Tablett voller Gläser aus dem Nichts erscheinen lässt. Mit einem weiteren Schwung des Zauberstabs erscheint eine Flasche aus dem nichts, die durch die Luft schwebt und wie aus Geisterhand die leeren Gläser auf dem Tablett mit einer gold-braunen Flüssigkeit. Mit einem Blick auf das Etikett der Flasche identifiziere ich das Getränk als im Eichenfass gereiften Met. Das Tablett fliegt durch den Raum und macht vor jedem von uns Halt, sodass wir uns daran bedienen können. Ich greife nach einem Glas und umklammere es mit einem festen Griff. Es ist als könnte mir der Whisky Halt geben, so sehr klammere ich mich an das Getränk und schlinge beide Hände darum. „Auf Albus.", sagt Alastor dann bestimmt und hebt sein Glas in die Luft. „Auf Albus." Ein Chor an Stimmen durchdringt den Raum und wir erheben unsere Gläser im Klang seines Namens.

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„Es ist, als wäre jeder einzelne, der je Einfluss auf mein Leben genommen hat, zum Sterben verurteilt. Vielleicht bin ich verflucht?", murmle ich und atme laut hörbar durch die Nase aus. „So ein Blödsinn, Emilia." Ich kauere neben Fred auf der Couch in unserem Apartment. Er hat einen Arm um mich gelegt und starrt ins Leere. „Überleg doch mal: Erst meine Mutter, dann Cedric, durch den ich erst die Plattform gefunden habe, dann Sirius und jetzt Dumbledore, der mir den Weg in die Welt hier eröffnet hat. Wer kommt als nächstes? Du und Dad?" – „Emilia. Sowas solltest du nicht sagen und darfst du erst recht nicht denken." Er schaut zu mir herunter. Sein Blick ist ernst, seine Augenbrauen zusammengezogen. Meine Augen verengen sich, schmerzverzehrt, als sich unsere Blicke treffen. Tränen schwimmen in meinen Augenwinkeln und drohen jeden Moment überzulaufen und in einem Fluss über meine Wangen zu enden. „Emilia..." Fred fasst mich mit festem Griff an den Schultern an. „Nichts, rein gar nichts von dem, was passiert ist, war deine Schuld oder hatte mit dir zu tun. Ich weiß, dass dieser ganze Mist sich anhäuft und in den letzten Jahren viel zu viel um dich herum passiert ist. Aber erstens ist das um uns alle herum passiert und zweitens hättest du keines dieser Unglücke verhindern können. Außerdem warst du schon gar nicht für irgendeins davon verantwortlich. Dieser ganze Scheiß passiert einzig und allein wegen Voldemort. Red' dir bloß nichts anderes ein. Hast du mich verstanden?" Ich bin überrascht von der Schärfe in seiner Stimme und öffne meinen Mund leicht, um ihm etwas zu erwidern, doch finde keine passenden Worte. Ich atme zittrig ein und schließe meinen Mund dann wieder zu einem schmalen Schlitz. „Aber...", setze ich an, doch Fred lässt mich nicht ausreden. „Kein Aber. Ich lasse sicher nicht zu, dass du dir irgendwas einredest." Meine Schultern sacken zusammen und ich gebe mich geschlagen. Meine Gedanken fahren Achterbahn und überschlagen sich immer wieder. Seit wir wieder zu Hause sind, konnte ich nicht aufhören, die ganzen Todesfälle in meinem Umkreis miteinander zu verknüpfen. Ich weiß, dass es Unsinn ist und ich weiß, dass es zwecklos ist, aber mein Verstand sucht nach einer Erklärung, nach etwas, das den Schmerz lindern kann – auch wenn ich mich damit in etwas verzettle.

Freds Blick wird weicher. „Es tut mir leid, Em. Ich will nur nicht mit ansehen, wie du dir so einen Schwachsinn einredest und dann daran kaputt gehst." – „Ich weiß doch, dass es Schwachsinn ist." Ich halte kurz inne, dann fahre ich fort: „Aber... Aber was, wenn wirklich einer von euch der Nächste ist?" Mein Herz rast und ein Kloß setzt sich in meinem Hals fest. Fred schnaubt. „Erinnerst du dich an den ‚Schwachsinn'-Part?" – „Aber was, wenn?" Er seufzt. „Wenn es so kommt, dann bin ich mir sicher, dass du die Verantwortlichen finden wirst und ihnen gehörig die Hölle heißmachen wirst." Ich schaue ihn mit hochgezogener Augenbraue an. „Was erwartest du denn für eine Antwort?", fragt er und zuckt mit den Schultern. „Das mit Dumbledore zeigt uns doch nur wieder, dass wir uns wahrhaftig im Krieg befinden. Und Kriege fordern Opfer. Aber abgesehen davon: Wie wahrscheinlich ist es schon, dass es uns trifft?" Er verschränkt die Arme hinter dem Kopf und wirft seine Füße auf den Tisch, um seine Beine auszustrecken.

Ich seufze und lasse mich zurückfallen. Meine Finger trommeln einen schnellen Takt auf meinem Bein. Dann wechsle ich meine Position schlagartig, falte meine Hände ineinander und knete sie nervös. Mein Herzschlag hat sich nicht beruhigt. Seine Worte beruhigen meine Gedanken kaum, doch ich versuche, mir nichts anmerken zu lassen. Zwanghaft dränge ich mich dazu, an etwas anderes zu denken, doch ohne Erfolg.

In meinem Kopf kreist alles immer wieder um diesen einen Gedanken: Was, wenn Fred der nächste ist?

𝕝𝕠𝕤𝕥 𝕒𝕟𝕕 𝕗𝕠𝕦𝕟𝕕 - die Tochter des letzten Rumtreibers ➵ Fred WeasleyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt