Die Suche nach Unsterblichkei...

By LisMari94

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Als Waisenkind auf der Straße war es Eliza nie wichtig ihre Eltern zu finden. Im Gegenteil sich selbst einen... More

Einleitung
1. Der Auftrag eines Fremden
2. Keine Wahl
3. Nicht die erste Wahl
4. Erinnerungen einer alten Dame
5. Wertvoll und Wertlos
6. Ein unbedachter Kuss
7. Schwierige Gefühle
8. Postkarte mit froher Botschaft
9. Die Wahrheit
10. Ein Wunder
11. Eifersucht und ihre Folgen
12. Schick wie Vivian Ward
13. Der unsterbliche Club
14. Das Sexleben deiner Eltern
16. Gefunden
17. Verzweifelte Lügen
18. Was zurück bleibt
19. Ein Anrecht
20. Am Ende der Welt
21. Die Heimkehr
22. Hast du einen Plan?
23. Unsterblich
24. Epilog

15. Verfolgung im Regen

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By LisMari94

Sie verließ den Club mit einem unangenehmen Gefühl im Magen. Zwar hielt Vincent weiterhin ihre Hand und Mila sang ihnen bulgarische Festtagslieder vor, doch irgendetwas an der Begegnung mit Celeste Yao ließ sie nicht los. Der ganze Abend war ein kompletter Reinfall und die Enttäuschung lag schwer auf ihrem Herzen.

"Hey. Wartet auf mich!", rief jemand hinter ihnen und verwundert drehten sie sich um. Kerem trat aus dem Club und gesellte sich zu ihnen auf den Bürgersteig. Seine Wangen waren rot und die Haare zerzaust.

Das Hemd war falsch zugeknöpft und weiter wollte Eliza ihn gar nicht taxieren. Es war ziemlich offensichtlich wie sein Abend gelaufen war.

"Du wurdest flach gelegt!", verkündete Mila mit dem glückseligen Lachen einer Betrunkenen.

"Mila!", entfuhr es Eliza und mit drohendem Blick brachte sie die Dolmetscherin zum Schweigen. Kerem strich sich peinlich über wirren Haare und räusperte sich.

"Ihr geht schon?", fragte er und lenkte seine Aufmerksamkeit auf Vincent. Eliza konnte ihm da nicht mal böse sein. Unter ihnen dreien war er der nüchternste. Sie wusste nicht mal ob er etwas getrunken hatte. Ganz im Gegenteil zu Mila und ihr. Vincent nickte.

"Es war ein langer Abend für uns."

"Habt ihr weswegen ihr gekommen seid?", entgegnete Kerem bedächtig und leider mussten sie verneinen. Keiner dieser Unsterblichen hatte ihnen eine Spur liefern können.

Ihre letzte Chance waren die Briefe und Postkarten. Vielleicht würden sie ihnen noch einen letzten Hinweis schenken. Die wachsende Verzweiflung war Vincent deutlich anzusehen und Eliza musste sich zusammenreißen um nicht in ein ähnliches Loch zu fallen.

"Das tut mir leid. Ich werde euch ins Hotel begleiten."

"Das musst du nicht, Kerem, geh lieber zurück zu Nicole und hab eine gute Zeit." Vincent klopfte dem jüngeren Mann freundschaftlich auf die Schulter, doch Kerem ließ sich nicht umstimmen.

"Ich begleite euch. Nicole und ich sind morgen früh wieder verabredet. Ich..ähm brauche eine kleine..Pause."

"Hat sie dich etwa ausgelaugt?", wisperte Mila mitleidig und versuchte Kerem über die Haare zu streichen. Dieser wich aus und half Vincent Mila ohne weitere Worte zum wartenden Taxi zu schleppen.

"Du bist so süß. Der Sex war sicher super. Nicole ist eine Bombe.", lallte Mila und gnädig ignorierten sie sie. In ihrer Suite angekommen hievten die Männer Mila in eines der Betten und verließen dann das Schlafzimmer. Eliza zog ihr die Schuhe aus und öffnete das Kleid. Mila wand sich kichernd, ihre Augenlieder hingen bereits tief.

"Nein...nicht..ich bin kitzlig. Geh lieber zu deinem Schnucki da draußen."

"Das werde ich. Ich will es dir nur ein wenig bequemer machen." Vorsichtig zog sie die Spangen aus Milas Haar. Zum Schluss stellte sie noch ein Glas Wasser neben das Bett und deckte ihre Freundin zu. Beinahe sofort war sie eingeschlafen.

Seufzend beugte Eliza sich über Milas Tasche und zog die Schriftstücke und Milas Übersetzungsbuch hervor. Leise verließ sie den Raum und trat zu Vincent und Kerem ins Wohnzimmer. Sie unterhielten sich und tranken dabei aus hübsch verzierten Gläsern. Das Gespräch verstummte als sie sich neben Vincent auf die Bank fallen ließ.

"Alles okay mit Mila?", fragte Vincent sofort. In seinen Augen stand Besorgnis. Eliza lachte leise.

"Es ist alles in Ordnung. Sie ist nur betrunken und muss sich ausschlafen. Das hier habe ich in ihrem Kleid gefunden." Grinsend ließ sie mehrere Geldscheine auf den Couchtisch fallen.

"Das ist echt nicht wenig. Den Unsterblichen muss ihre Show gefallen haben." Vincent stimmte in ihr Lachen ein und begann neugierig das Geld zu zählen.

"Unglaublich. Das sind fast dreihundert Dollar." Kerem gähnte laut.

"Ich glaube ich gehe auch schlafen. Wir sehen uns morgen in der Früh." Leicht schwankend tapste Kerem in das zweite Schlafzimmer. Vincent steckte das Geld weg und drehte sich zu Eliza. Diese legte die Schriftstücke vor ihnen auf den Tisch.

"Und was machen wir jetzt?", fragte er sie und wieder sah sie diese Sorge in seinem Blick.

"Ich dachte, wir schauen noch mal nach ob sich nicht doch ein Hinweis hier versteckt. Seufzend lehnte Vincent sich zurück.

"Ich glaube nicht, dass ich dafür heute noch die nötige Ruhe habe. Ganz zu schweigen davon, dass unsere Chancen doch noch einen Hinweis zu finden sehr gering sind."

"Aber Sangai-"

"Wird morgen früh genauso wütend sein wie heute. Ein paar Stunden Schlaf werden keinen Unterschied mehr machen." Nähe suchend legte sie den Kopf an seine Schulter.

"Ich weiß nicht, was wir als nächstes tun sollen." Vincent suchte ihren Blick und schenkte ihr ein kleines Lächeln.

"Ich aber. Wir gehen jetzt schlafen. Komm." Schwerfällig stand er auf und zog Eliza mit sich. Hand in Hand gingen sie in eines der verbliebenen Schlafzimmer. Eliza kümmerte es nicht, dass sie keinen Pyjama hatte. Erschöpft schlüpfte sie aus dem Kleid und legte sich neben Vincent, der ebenfalls auf Schlafkleidung verzichtet hatte.

Sie kuschelte sich an seine Brust, spürte seine Haut an ihrer. Er war warm und roch gut. Mehr als dieses Kuscheln kam für beide nicht infrage. Die Müdigkeit schläferte jede Erotik ein und schon nach wenigen Minuten hörte Eliza seinen Atem ruhiger werden.

Erschöpft verbannte sie jeden Gedanken an die Zukunft und gestattete sich stattdessen einzuschlafen.

"Steh auf!! Los, Eliza. Komm schon. Schnell!", schrie Vincent in ihr Ohr und erschrocken riss sie die Augen auf. Sein Gesicht war nahe an ihrem und an ihren Schultern rüttelnd versuchte er ihren Schlaf zu vertreiben.

Er hatte Erfolg. Mit klopfendem Herzen warf sie die Decke von sich und nahm eine sitzende Position ein. Ihr Blick wanderte durch das hell erleuchtete Zimmer. Was war los? Vincent packte hektisch seinen Rucksack. Er war bereits vollständig bekleidet.

"Was ist passiert?" Ungeschickt zog sie das Cocktailkleid von letzer Nacht an. Vincent schien ebenfalls keinen Gedanken an Kleidungswechsel verschwendet zu haben. Der Anzug stand ihm nach wie vor sehr gut.

"Wir müssen hier raus. Weck Mila, ich hole Kerem. Sangai hat beschlossen, dass er nicht mehr länger warten wird." Furchtsam trat sie in Wohnzimmer, dicht gefolgt von Vincent.

"Was soll das heißen?", fragte sie als sie Milas Schlafzimmertür öffnete und das Licht anschaltete. Aus dem Zimmer hörten sie Mila in mehreren Sprachen fluchen.

"Sangai wird uns umbringen. Dich vielleicht nicht. Aber Mila, Kerem und ich haben keinen Zweck mehr für ihn. Wir müssen verschwinden!", rief er aufgeregt und weckte Kerem unsanft mit Licht und lautem Rufen. Mila trat verkatert aus dem Zimmer und sah sie verwirrt an.

Ihre blonden Haare standen in alle Richtungen ab und die dunklen Augenringe ließen ihre Haut kränklich wirken. Eliza spürte die Dringlichkeit in Vincents gesamten Wesen und beschloss ihm zu vertrauen. Wenn er sagte, sie wären in Gefahr, musste es so sein.

"Mila, hör mir gut zu. Ich weiß, dass wird seltsam klingen, aber wir müssen weg. Schnell. Männer werden gleich kommen und versuchen uns umzubringen." Die Dolmetscherin war wesentlich unbeeindruckter als sie angenommen hatte.

"Ach so. Wusste doch das dieser Job zu gut bezahlt war. Warte kurz." Keine zwei Sekunden später war sie angezogen und hatte eine Notfalltasche mit den wichtigsten Gegenständen gepackt.

"Und deswegen machst du so einen Wirbel?", kopfschüttelnd verschränkte Mila die Arme und wartete auf ihre Begleiter. Fassungslos starrte Eliza ihre Freundin an. Mila zuckte nur gleichgültig mit den Achseln.

"Ich hatte mal so eine Geschichte mit der Mafia in Bulgarien. Nichts Außergewöhnliches. Ein Job, Verrat, eine kleine Schießerei und Zeugenschutzprogramm für eine Weile. Das hier ist Standard für mich." Eliza wollte etwas erwidern, doch Vincent drängte sie zur Eingangstür. Kerem trottete schlaftrunken hinter ihnen her, noch nicht alarmiert genug um Fragen zu stellen. Der Flur vor ihrer Suite war ruhig, es war niemand zu sehen.

"Bist du sicher, dass Sangai kommt?" Irgendwie hatte Eliza etwas anderes erwartet, andererseits war dies ihre erste Flucht vor einem Mordkommando. Vincent nickte.

"Ich habe einen Ziehbruder, dem ich nahe stehe. Er war es, der mich gewarnt hat. Und ich glaube ihm. Sie sind in der Stadt und werden demnächst die Verfolgung aufnehmen."

So schnell und so leise sie konnten, liefen sie zu den Aufzügen als diese plötzlich aufgingen. Bewaffnete, schwarz gekleidete Männer traten heraus und suchten nach dem Weg zu ihrer Suite.

Eliza und die anderen drückten sich automatisch in eine Nische im Gang. Adrenalin jagte durch ihren Körper, Angst ließ sie zittern, Wut ihr Herz wild pochen. Sangai hatte wirklich mit ihnen gebrochen und versuchte nun sie umzubringen. So eine miese Ratte. Mila machte mit einer Handbewegung auf sich aufmerksam und zeigte auf das Treppenhaus.

Der Kater war ihr nun nicht mehr anzusehen, ihre Augen waren zielgerichtet und entschlossen. Nickend folgten sie ihr durch die Tür ins Stiegenhaus. Es war kahler und weniger geschmückt als die offiziellen Flure des schicken Hotels.

Mila lief in einem schnellen Tempo voran, dicht gefolgt von Eliza, Vincent und zum Schluss Kerem. Der junge Mann hatte den Ernst der Lage verstanden, doch sein Körper brauchte noch ein wenig Zeit um aufzuwachen.

Sie hatten Glück. Ihr Zimmer befand sich im dritten Stock. Es hätte in diesem fünfzehnstöckigen Hotel auch anders aussehen können. Keuchend betraten sie die Lobby und hasteten zur Tür.

"Da sind sie!", rief ein schwarzbekleideter Soldat hinter ihnen und nahm die Verfolgung auf. Eliza hörte sein Funkgerät knattern und wusste, dass er Verstärkung anforderte. Panisch, von Furcht getrieben liefen sie weiter durch die Tür ins Freie. Es war noch immer Nacht draußen.

Regen ließ Singapur in Wasser ertrinken und malte ein verwaschenes Bild ihrer Umgebung. Durch einen flüchtigen Blick auf die Uhr wusste Eliza, dass es kaum drei Uhr morgens war. Ihre Verfolger waren ihnen dicht auf den Fersen.

"Wohin?", rief Eliza über den Straßenlärm. Vincent griff nach dem Stadtplan, als Mila schon loslief.

"Mir nach!", schrie sie ihnen über die Schulter zu und ohne nachzudenken folgte Eliza ihr. Alles war besser als jetzt im Stadtplan nach einer geeigneten Route zu suchen. Das würde ihren Verfolgern sicherlich nur Zeit geben aufzuholen. Sie mussten sich schnell in den Massen aus Partygängern und Touristen verstecken.

Mila schien einen sechsten Sinn für Verfolgungen zu haben. Während Kerem, Vincent und Eliza längst die Orientierung verloren hatten, war Mila offensichtlich genau im Bild darüber wo sie waren. Reifen quietschten hinter ihnen, Rufe wurden laut. All das ignorierte Mila und führte sie tiefer in die kleinen, weniger besuchten Gassen der Metropole.

Es wurde dunkler, die Neonschilder wurden weniger und außer dem konstanten plätschern des Regens war kaum noch etwas zu hören.

"Haben wir sie abgehängt?", keuchte Eliza und sah sich ängstlich um. Keine Spur von Sangais Männern, war es wirklich so einfach gewesen? An einem überdachten Hauseingang blieben sie stehen und drückten sich in die enge Nische um von der Gasse aus versteckt zu sein. Alle vier schwitzten und atmeten schwer.

Die Angst stand ihnen deutlich im Gesicht. Selbst Mila, die während der Jagd ruhig geblieben war, hatten einen angespannten Zug um den Mund. Eliza konnte ihr Herz schnell schlagen spüren. Das Adrenalin hielt sie wach und alarmiert, doch mit jeder Sekunde ließ ihre Kraft nach.

Die wenigen Stunden Schlaf machten sich bemerkbar.

"Wir müssen uns aufteilen.", meinte Mila entschlossen.

"Nein, das ist zu gefährlich.", entgegnete Vincent sofort vehement, doch Mila wich nicht von ihrem Plan. Mit ernstem Blick, der keine Widerrede duldete sah sie ihnen in die Augen.

"Vertraut mir. Ich weiß, wie das hier läuft und vier Leute sind einfach zu viele. Sie würden uns überall erkennen. Ich nehme Kerem und gehe nach Norden. Ihr nach Westen, Richtung Küste. Dort gibt es viele kleine Cafés und ihr könnt gut in der Masse untertauchen."

"Und wenn sie euch finden?", fragte Eliza besorgt. Sie fühlte sich schuldig die Dolmetscherin und ihren unschuldigen Gast in diese Sache verstrickt zu haben. Mila lächelte sie zärtlich an.

"Mach dir um uns keine Sorgen. Ich habe schon so einige Verfolgungsjagden hinter mir und bis jetzt hat mich noch niemand gefunden. Das wird heute auch nicht der Fall sein." Kopfschüttelnd umarmte sie Mila fest.

"Irgendwann musst du mir erzählen, was da damals mit der bulgarischen Mafia gewesen ist."

"Sicher. Jetzt los. Und lasst euch nicht erwischen." Eliza nahm Vincents Hand. Dieser schien Milas Plan immer noch nicht gutzuheißen. Sein unruhiger Blick wanderte über ihre Umgebung wie ein vorsichtiger Luchs. Gemeinsam rannten sie durch den Regen, immer einen ängstlichen Blick hinter sich werfend. Milas Tipp jedoch schien seinen Wert zu haben.

Für mehrere Kilometer arbeiteten sie sich durch die kleinen Gassen Singapurs ohne ein einziges Mal ihre Verfolger zu sehen. Alles war ruhig, bis auf ihre laut klopfenden Herzen.

Die Luft roch salziger als sie dem Meer näher kamen. Was sie tun würden, wenn sie die Küste erreicht hätten, wusste keiner von ihnen. Eliza kämpfte mit ihren Kräften. Das Cocktailkleid war keineswegs für eine Verfolgungsjagd geeignet und selbst ihre flachen Sneakers waren zum Laufen kaum das richtige Schuhwerk.

Der Regen ließ kälte in ihre Knochen kriechen und die Angst ließ sie zittern. Vincent tat sein bestes sie vor dem Regen zu schützen, doch auch er war völlig durchnässt. Zusätzlich trug er den Rucksack in dem nicht nur seine Wertsachen, sondern auch ihre waren.

Mit jedem Schritt hörte sie ihren Laptop schwer an den Riemen des Rucksacks ziehen. Sie wünschte sich ihm sagen zu können, dass er den Laptop einfach wegschmeißen solle, doch sie konnte nicht.

Ohne den Computer hätte sie erneut keine Einnahmequelle falls sie diese Nacht überlebten und niemals wieder wollte Eliza in solch eine Situation kommen.

"Da sind sie!", rief jemand hinter ihnen und zerstörte die hübsche Fantasie die Eliza sich erhofft hatte. Sie erhöhten das Tempo. Liefen durch die engen Gassen und sahen doch aus drei von ihnen bereits weitere Verfolger.

So rannten sie den einzigen Weg entlang, der ihnen noch blieb. Sie waren beinahe umzingelt. Das Gefühl der Panik machte sich in ihr breit. Die Welt schien zu schrumpfen. Vincent hielt ihre Hand, drückte sie unbewusst fester. Sie sah die Angst in seinem Blick. Unerwartet trat eine junge Frau in die Gasse und versperrte ihnen die Möglichkeit weiterzulaufen.

Ihr Gesicht war unter der Kapuze eines roten Regelmantels verborgen. Eliza wollte ausholen und der Fremden einen Schlag versetzten, als diese ihre Hände hob.

"Kommt mit mir. Ich bring euch hier raus.", hauchte sie in perfektem Englisch.

Cataleya 1880 Indien

Das Farbenfest war ihr immer der liebste Tag des Jahres. Kalkutta erblühte dann in allen Farben und ließ den meist schweren Alltag vergessen. Sie hatte sich mit Tristan in dem kleinen indischen Dorf ein Leben aufgebaut.

Erneut hatten sie sich Land erarbeitet und ein Haus gebaut. Sie hatten sich Arbeit gesucht und Freundschaften genährt. Allerdings war Cataleya aufgefallen, wie schwierig es Tristan fiel Bekanntschaften zu Freundschaften werden zu lassen.

Er wirkte auf die meisten Menschen kühl und abweisend. In ihrem Herzen wusste sie, dass es die Angst war alles wieder zu verlieren, die ihn daran hinderte zu lieben. Nur nicht sie. Bei ihr zeigte er all seine Gefühle.

Er hatte wirklich aus seinem Fehler gelernt und auch als die Zeiten schwer wurden blieb er bei ihr.

Die Jahre vergingen und ihnen wurden Kinder geschenkt. Zwillinge. Kamika und Pran. Mädchen und Junge. Cataleya dachte mit Freude an all die schönen Erinnerungen mit diesen beiden und musste sich ein ums andere Mal daran erinnern, dass ihre Zwillinge bei weitem keine Babys mehr waren.

Mit ihren knapp siebzehn Jahren, waren sie fast Erwachsene und führten ein eigenes Leben. Tristan und sie hatten jahrelang versucht weitere Kinder zu zeugen, doch die Natur weigerte sich. Nun es machte ihr nichts aus.

Sie war froh, über das Mutterglück, dass ihr vergönnt worden war und würde sich auch nie beschweren.

Sie wusste, dass es andere Unsterbliche durchaus schlimmer hatten. Eine gute Freundin von ihr, Rose, neidete ihr die Kinder. Ihre Unsterblichkeit schien anders als bei Cataleya zu einer Unfruchtbarkeit zu führen. Es tat ihr leid um Rose, sie wünschte ihrer Freundin nichts als Glück auf dieser Welt.

Lächelnd bereitete Cataleya die Farben für das Fest vor. Die Haut ihre Hände hatte bereits ein buntes Durcheinander angenommen als Tristan sie von hinten auf den Nacken küsste. "Brauchst du Hilfe, Schönheit?" Kichernd drehte Cataleya sich um und küsste ihn. Hingebungsvoll verschmierte sie dabei die Farben auf seinen Wangen.

"Das hast du absichtlich gemacht.", schmunzelte Tristan mit leuchtenden Augen.

"Natürlich.", wisperte sie liebevoll.

"Wo sind die Kinder? Sind sie für das Fest bereit?", fragte Tristan und sah sich in ihrem bescheidenen Heim um. Cataleya schüttelte den Kopf und machte sich wieder an den Farben zu schaffen.

"Kamika ist bei ihrem Freund. Pran wollte sie abholen und dann zurück kommen. Sie wissen beide wie wichtig uns dieses Fest ist." In diesem Moment klopfte es an der Tür ihres Hauses und drei Jugendliche sprudelten in den Wohnbereich. Kamika, Pran und Rohan, Kamikas fester Freund. Alle drei lachten laut und hatten bereits erste Farbtupfer.

"Worauf wartet ihr! Es geht los!", rief Kamika und strahlte sie mit ihren blauen Augen an. Es waren diese Augen und die Grübchen ihres Vaters, die sie zu einer der schönsten Mädchen des Dorfes machten.

Cataleya war stolz darauf, dass sie sich dennoch niemals auf ihr Äußeres verließ. Pran war genauso. Sie hatten zwei starke, selbstbewusste Kinder erzogen. Und zugegebenermaßen wussten sie nun weitaus mehr als bei ihren ersten Kindern.

Tristan umarmte die Zwillinge fest und verteilte dabei absichtlich etwas rote Farbe auf ihren Wangen. Die Jugendlichen lachten erneut und ließen ihrerseits Farbe fliegen.

"Nicht im Haus! Raus mit euch.", zeterte Cataleya und scheuchte sie mitsamt den vorbereiteten Farben hinaus. Tristan hielt ihr grinsend eine Hand entgegen.

"Komm schon. Lass uns Spaß haben.", hauchte er zärtlich und zog sie aus dem Haus. Zusammen liefen sie der Musik, dem Lachen und Tanzen entgegen. Cataleya fühlte ihr Herz flattern. Das ganze Dorf kam zusammen und feierte.

Kamika und ihr Freund Rohan tanzten im bunten Meer und freudig feuerte Cataleya sie an. Bald schon würde für die beiden die Hochzeitsglocken läuten, das wusste jeder und tatsächlich stimmten sowohl Tristan als auch sie dieser Verbindung zu.

Rohan war ein guter Mann, ehrlich und respektvoll. Nichts anderes hätten sie erlaubt. Bis die Sonne unterging und die Menschen sich zur Ruhe begaben, tanzten und sangen sie die Lieder dieses Dorfes.

In der Nacht lagen Cataleya und Tristan beisammen. Das Echo des Festes hallte noch in ihren Ohren nach. Nicht weit entfernt in einem kleinen Raum, schliefen Kamika und Pran auf ihren Matratzen. Keiner von ihnen hatte sich die Mühe gemacht die Farbe abzuwaschen.

Erschöpft waren sie in ihre Betten gefallen und hatten die Sorgen auf Morgen verschoben. Sanft strich Tristan über ihr blau und gelb gefärbtes Haar.

"Seit knapp zwanzig Jahren feiern wir mit den Farben.", murmelte Tristan leise.

"Stimmt. Wundervolle zwanzig Jahre.", erwiderte Cataleya glückselig, doch als sie in sein besorgtes Gesicht sah, verging ihr das Lächeln.

"Was ist los?" Tristan biss die Zähne zusammen und mied ihren Blick.

"Es gehen Gerüchte über uns um. Ich habe es heute bei der Arbeit mitbekommen. Die Leute machen sich langsam Gedanken über uns." "Was?! Jetzt schon? Aber das ist zu früh.", zischte sie erschrocken. Tristan seufzte schwer.

"Ich weiß. Aber wie es aussieht ist schon einmal jemand wie wir durch dieses Dorf gekommen und die Älteren können sich erinnern."

"Wer? Wer war es? Kennen wir den Unsterblichen?", fragte Cataleya bestürzt und ging in ihrem Kopf die Liste ihrer unsterblichen Bekannten durch. Es waren nicht so viele und keiner von ihnen hatte je diesen Teil der Welt erwähnt. Tristan strich sich angespannt über die roten Haare.

"Sein Name soll Sangai sein. Rupert Sangai. Den Erzählungen zufolge, soll er hier viel Grausamkeit verbrochen haben. Cat...sie haben Angst vor uns. Und diese Angst wächst mit jedem Jahr. Ich weiß nicht wie lange wir noch hierbleiben können."

Überwältigt von Furcht griff Cataleya sich an die Brust. Ihr Herz schlug wild und unregelmäßig. Die Tränen rannen seltsam leise über ihre Wangen. Zärtlich legte Tristan seine Arme um sie, doch den Schmerz in ihrem Inneren konnte er nicht vertreiben.

"Was ist mit den Kindern? Wie sollen wir ihnen sagen, dass wir umziehen müssen?", schluchzte sie an seiner Schulter. Tristan küsste ihren Scheitel.

"Wir..wir müssen darüber nachdenken, ob es nicht besser für sie wäre hier zu bleiben."

"Aber Tristan.."

"Ich weiß..ich weiß..aber Kamika und Rohan werden bald heiraten. Und Pran ist mit seiner Ausbildung fast fertig. Er könnte in der Schmiede Erfolg haben. Sie haben ein Leben hier. Eine Vergangenheit und eine Zukunft. Wurzeln. Ich weiß nicht, ob wir das Recht haben, sie mitzunehmen, wo immer wir auch hin gehen. Ihnen bleibt nicht so viel Zeit wie uns. Ihre Jahre sind kostbar."

Seine Augen waren tränennass und mit zittrigen Händen hielt er ihre fest. Diese Entscheidung würde ihnen erneut das Herz brechen. Cataleya fühlte es bereits knacken.

"Wir sollten sie morgen fragen." Nickend stimmte er ihr zu. Bekümmert kuschelte sie sich an ihren Geliebten.

Anmerkung der Autorin: Happy Birthday to me! 26 Jahre...boah wie die Zeit vergeht. Mein Leben ist so abenteuerreich wie ich es mir immer gewünscht habe.

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