4. Erinnerungen einer alten Dame

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Mit einer Karte und Google maps ausgestattet machten sie sich daran die Adresse ihrer Eltern zu suchen. Es war bereits Nachmittag als sie durch die engen Gassen wanderten. Eliza musste ihrem Reisebegleiter recht geben. Die Altstadt war schön. Die Gebäude hatten einen anderen Stil und überall konnte man die Geschichte der Stadt fühlen.

Am liebsten wäre sie ziellos umher geirrt und hätte sich alles angesehen. Noch nie zuvor hatte sie die Lust zu reisen verspürt. Ihre primären Bedürfnisse nach Nahrungsmittel und einem Dach über dem Kopf hatten ihre Neugierde auf die Welt stets behindert.

"Übrigens ist der neue Lippenstift sehr schön. Er steht dir.", platzte Vincent überraschend neben ihr heraus und lächelte sie schüchtern an. Verwundert blickte sie weg und strich sich die Haare hinter die Ohren.

"Ähm, ja, danke. Es war eine gute Idee shoppen zu gehen." Er grinste sie an. Eliza wusste nicht so recht, was sie mit dieser Aussage anfangen sollte. Flirtete er mit ihr? Nein, wohl kaum. Das warme Gefühl in ihrem Bauch ignorierend lenkte sie ihre Schritte eine weitere Straße entlang. Es gab schließlich wichtigeres.

"Du sagtest vorhin ich sei wertvoll. Inwiefern? Ich verstehe das ganze einfach nicht.", meinte sie zögerlich. Vincent zuckte mit den Achseln und steckte die Hände in seine Lederjacke.

"Ich weiß es selbst nicht so genau. Ich war nie wirklich einer von Sangais Lieblingen, also hat er mir nicht viel erzählt. Aber ich weiß, dass ihm deine Eltern wichtig sind. Den Rest werden wir wohl so herausfinden müssen." Es war dieses wir, das nicht in ihr Konzept passte.

"Ich bin mir nicht sicher ob ich dir vertrauen kann.", gestand sie unwillig und erntete ein trauriges schiefes Lächeln ihres Begleiters.

"Das kannst du nicht. Wir haben alle unsere Rollen zu erfüllen. Das einzige, dass wir tun können ist, währenddessen Spaß zu haben." Mit dieser Philosophie kam Eliza klar. Sie hatte sie bereits ihr Leben lang angewandt.

"Da vorne müsste es sein.", meinte Vincent und zeigte auf ein dreistöckiges Wohnhaus. Die Fassade war bereits alt und beschädigt, doch das Straßenschild war eindeutig erkennbar.

"Hoffen wir mal, dass da jemand lebt, der englisch kann...", murmelte Eliza und wappnete sich innerlich.

"Ist gar nicht nötig. Ich kann ein bisschen ungarisch. Nicht viel, aber es wird sicher reichen um ein paar simple Fragen zu stellen."

"Okay. dann los." Sie läutete an der letzten Adresse ihrer Eltern an und wurde sofort reingelassen. Das Wohnhaus innen sah nicht besser aus als die Fasade. Zielsicher gingen sie zu der Tür auf der in schönen Buchstaben >Nagy< stand.

"Anscheinend lebt Pavlo hier nicht mehr.", flüsterte Eliza und klopfte an die Holztür. Eine ältere Damen öffnete sie und lächelte freundlich. Vincent trat vor und begrüßte sie auf Ungarisch. Er sprach noch einige Sätze, doch die alte Damen schien von Wort zu Wort verwirrter. Eliza hatte das Gefühl Vincents ungarisch war bei weitem schlechter als dieser sich eingestehen wollte. Die Haustür wurde weiter geöffnet und ein junger Mann trat neben die ältere Frau.

"Entschuldigung, was reden Sie da?", fragte der junge Mann etwas ärgerlich auf Englisch und erleichtert seufzte Eliza.

"Es tut uns leid, Sie zu stören. Wir haben ein paar Fragen über das Paar das hier vor 20 Jahren gewohnt hat.", antwortete sie ihm ebenfalls auf Englisch.

Der junge Mann nickte leicht und übersetzte ihre Worte ins ungarische. Er hatte kurze dunkle Haare und ein markantes Kinn. Ein paar Pfunde zu viel auf den Hüften und mehrere Ringe an den Fingern. Die ältere Frau nickte hektisch und zog Eliza in die Wohnung. Überrascht folgte Vincent ihr hinein. Gemeinsam wurden sie auf ein buntes Sofa gesetzt. Die Frau nahm ihnen gegenüber Platz, der junge Mann setzte sich neben sie. Die Wohnung war eindeutig das Domizil einer Oma wie man sie aus den Filmen kannte. Überall standen kleine Figuren und Bilder herum. Alles war mit einem Blumenmuster versehen und Eliza konnte sogar frische Kekse riechen. Ein kleines wohliges Paradies.

Die Suche nach Unsterblichkeit #Wattys20Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt