Tanz für mich, Sing für uns!

By Ternoa

41.3K 1.6K 129

Leichte Bekleidung, gedimmtes, violettes Licht, gaffende Augen und eine jede Menge Spaß - das ist die Welt vo... More

Kapitel 1 - Nach der Schule ist vor dem Spaß
Kapitel 2 - Meine ganz eigene Welt
Kapitel 3 - Adonis
Kapitel 4 - Mondenschein und Kerzenlicht
Kapitel 5 - Dans le love game
Kapitel 6 - Zu Besuch bei Bennylein
Kapitel 7 - Freundschaft
Kapitel 8 - Sehnsucht und Stolperdraht
Kapitel 9 - Nanana Come On!
Kapitel 10 - Picknick auf der Wiese
Kapitel 11 - Let me introduce you to my body
Kapitel 12 - Ein sonniger Tag am See
Kapitel 13 - Unter freiem Nachthimmel
Kapitel 14 - Teuflische Engel
Kapitel 15 - Zwei für eine Nacht
Kapitel 16 - Verwirrende Gespräche
Kapitel 17 - Kleiner Snack für Zwischendurch
Kapitel 18 - Dubiose Geschenke
Kapitel 20 - Tanz für mich...
Kapitel 21 - ...Sing für uns!
Kapitel 22 - Aphrodite
Kapitel 23 - Gelbe und rote Rosen
Kapitel 24 - Das Gewitter
Kapitel 25 - Schweigsame Dunkelheit
Kapitel 26 - Dunkle Schweigsamkeit
Kapitel 27 - Der dornenbesetzte Brief
Kapitel 28 - Verwelkte Rosen
Kapitel 29 - Leere Gläser
Kapitel 30 - Ein Ozean aus Nebel und Tränen
Kapitel 31 - Der goldene Ring

Kapitel 19 - Unverhoffte Begegnungen und erleuchtende Worte

750 46 1
By Ternoa

»Und? Was hat er gesagt? Sag schon!« Kaum hatte ich das Schulgebäude verlassen, nötigte Ben mich regelrecht ihm zu erzählen, was sich aus meinem Gespräch mit unserem Geschichtslehrer ergeben hat. Feige wie er war, hatte er mich vorgeschickt, damit ich fragen konnte, ob wir unseren Vortrag nicht noch um eine Woche verschieben konnten.


»Naja...«, begann ich zögernd, während Ben aufgeregt hin und her schwankte.
»Was naja?«
»Sieht nicht so gut aus...«, log ich.
»Och Nein...« Ben seufzte tief. »Immerhin haben wir es versucht.«
»Wir?«, fragte ich empört nach und zog eine Augenbraue hoch.
»In Ordnung... Immerhin hast du es versucht.« Genervt verdrehte Ben die Augen.
»Geht doch. Und noch etwas!« Ich sah Ben tief in die Augen. »Zweifle niemals an meinen Verführungfähigkeiten und meinem natürlichen Charme!« Elegant warf ich meine imaginären Haare zurück und stolzierte an meinem besten Freund vorbei.
»Was? Also hast du es doch geschafft?«, erkundigte sich Ben erneut bei mir, als er zu mir aufgeholt hatte.


»Blöde Frage... Natürlich hab ich das! Verschieb den Vortrag in Gedanken auf nächste Woche Donnerstag«, erwiderte ich läppisch.
»Sam!«, rief Ben laut meinen Namen und zog mich stürmisch in eine Umarmung. »Du bist der Beste!«
»Ach Schätzchen, das wusste ich doch schon.« Ich nahm einen tiefen Atemzug durch die Nase und strich Ben durch die Haare, welcher sich wie eine Klette in mein Shirt krallte.
»Bennylein... Du riechst heute wieder unglaublich gut...« Meine Hand wanderte von seinem Kopf, über seinen Nacken, den Rücken hinunter und...
Plötzlich riss sich Ben von mir los und starrte mich fassungslos an. Er verschränkte die Arme vor der Brust und schnaubte.


»Notiz an mich selbst: Sam nicht mehr umarmen, wenn ich mein neues Shampoo benutzt habe.«
»Das kannst du nicht machen!«, empörte ich mich lautstark.
»Und ob ich das kann!« Frech zwinkerte mir Ben zu. Ich schnaubte verächtlich und ging an Ben vorbei. Ich wollte endlich runter von dem Schulgelände.
»Ich traue es mich gar nicht zu sagen«, setzte Ben an, »aber du hast echt was gut bei mir.« Willkürlich verzog sich mein Mund zu einem hämischen Grinsen. »Du hast mir echt den Hintern gerettet! Du musst mir unbedingt beibringen, wie ich auch so überzeugend werden kann.«
»Ach, das ist eigentlich ganz einfach«, meinte ich und zuckte mit den Schultern. »Du musst dir nur endlich eingestehen, dass du schwul bist, an deinen Hüftschwungkenntnissen feilen und schon liegen dir alle Männer zu Füßen und küssen deine Zehen.« Langsam, fast einer Schnecke gleich, zog sich Bens Augenbraue über dem rechten Auge immer weiter nach oben.
»Nein danke, ich verzichte...«


Abrupt blieb ich stehen. Ben lief vorerst weiter, drehte sich jedoch keine paar Sekunden später um, als er bemerkte, dass ich Wurzeln schlug. Meine Augen hatten ihn erblickt. Das im Sonnenlicht gleißende Haar, die prallen Muskeln seiner Arme, die lässig vor der Brust verschränkt waren, die zärtlichen Lippen, umspielt von einem netten Lächeln und diese flackernden Augen, welche Freudensprünge vollführten.


Sein Blick brannte sich mir in die Brust und ließ sie glühen, als stände mein Hemd in Flammen. Mein Herz begann augenblicklich wie wild zu tanzen und zu toben, während meine Beine weich wurden. Ich nahm tiefere Atemzüge, brauchte mehr Sauerstoff, musste das Feuer tief in meiner Brust füttern. Mein Magen feuerte tausend Raketen ab, welche ein Chaos an Farben, Lauten und Gefühlen auslösten. Binnen Sekunden verwandelte ich mich in eine auf Hochtouren laufende Chemiefabrik, die beinahe implodierte.


»Sam? Ist alles gut bei dir?« Stumm nickte ich. Ich konnte meinen Blick nicht abwenden. Seine Lippen zeigten ein Schmunzeln. Sein Grinsen wurde breiter. Er spannte seine Schultern an. Er strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. Die Sonne ließ ihn im hellsten und wärmsten Licht erstrahlen, als sei er ein Engel, geschickt von Gott persönlich, mit einer ganz speziellen Aufgabe...


Plötzlich raste ich auf Ben zu und packte ihn an den Schultern. Ich musste ihn ablenken.
»Ben, ich... Ich hab was vergessen. Ich muss sofort los und noch etwas besorgen.«
»Also das du es dir selbst besorgen musst, weiß ich ja...« Ouch, das hatte gesessen - fester als ein Schlag in die Magengrube. Ich musste schmunzeln. Der Kleine hatte eben vom Besten gelernt!
»Und du schaust noch immer deine Schmuddelfilmchen, anstatt es richtig mit mir zu treiben, Bennylein.« Augenblicklich wich ihm jede Farbe aus dem Gesicht und er blickte mich verblüfft an.
»Woher weißt du...«, fing er an, stoppte aber, als er nicht mehr weiterwusste.
»Ich weiß eben alles über dich, Süßer«, flüsterte ich ihm mit einem verschmitzten Grinsen auf den Lippen zu.
»Wie dem auch sei, ich muss los! Wir sehen uns morgen! Und denk an den Test in Englisch, Schätzchen!« Ich hauchte ihm noch ein Luftküsschen zu, drehte mich um und ging in die entgegengesetzte Richtung davon.


»Wir sehen uns!«, rief Ben mir nach einigen Sekunden des Zögerns hinterher, drehte sich um und lief weiter. Zum Glück musste er gleich um die Ecke und... Als ich über meine Schulter schielte, war er bereits verschwunden. Plötzlich erfasste eine Kraft meine Beine, die mich binnen weniger Sekunden auf die andere Straßenseite katapultierte, mich weiter sprinten ließ. Und schon sprang ich in seine Arme.


Zärtlich zog er mich an seine Brust, legte eine Hand auf meinen Kopf und wuschelte mir vergnügt durchs Haar. Ich hörte seinen Herzschlag hinter all den Muskeln und spürte, wie wild es unter dem Shirt tobte. Der süße Erdbeergeruch, den er überall wie eine Spur hinter sich herzog, stieg mir in die Nase. Ich zog ihn tief ein, nahm eine übergroße Dosis Luft auf und stieß seufzend und vergnügt den Überschuss wieder aus. Ich wollte mit ihm zu Stein erstarren - genau in diesem Moment.


Als ich mich von seiner Brust löste und ihm direkt in die Augen sah, erkannte ich ein Brodeln in ihnen, ein Glitzern, welches aus einer kleinen Quelle sprudelte. Seine braunen Augen waren mit Freude getränkt. Die Vögel zwitscherten im Hintergrund ihre Lieblingslieder, während der Wind durch seine schwarzen Locken jagte.
Sanft legte er eine Hand an mein Kinn und drückte so meinen Kopf ein Stück nach oben. Den Blick nicht von ihm nehmend, bewegte ich mich näher auf ihn zu, auf sein Gesicht, auf seine Lippen. Ganz plötzlich und überwältigend legte sich sein Mund auf meine Lippen. Erdbeeraroma - süß, lieblich, entzückend. Eine Welle der Erregung schoss durch meinen Körper, stellte mir die Haare senkrecht auf und ließ sämtliche meiner Glieder kribbeln. Die wärmende Flut erreichte jede Zelle meines Körpers.


Als wir uns von einander lösten, keuchte ich heftig, als wäre ich für eine Ewigkeit unter Wasser gewesen. Ich tauchte wieder auf, aus den gigantischen Fluten.
»Kilian«, hauchte ich seinen Namen. Ich konnte den Blick nicht von seinen Augen lösen.
»Ich schätze, so heiße ich«, kicherte er und strich mir über die Wange. Damit war der Fluch gebrochen, das Siegel zerstört - ich konnte mich wieder rühren. Und als erstes wanderte meine Hand zu seinem Hosenbund - was Kilian mit einem schnellen Griff verhindern konnte.
»Nicht so voreilig, hier kann man uns sehen.« Er zwinkerte mir vielsagend zu und zog mich zu seinem Wagen, der nicht weit weg stand.


»Das gerade war also Ben, dein bester Freund?«
»Ja...«, seufzte ich verträumt. »Aber wenn du das sagst, klingt es so... komisch...«
Ich warf meinen Rucksack auf die Rücksitzbank, dann stiegen wir ein und schnallten uns an.
»Ihr steht euch ziemlich nahe«, bemerkte er schlicht.
»Wir sind eben wie zwei Brüder. Ich wüsste nicht, wie mein Leben ohne ihn aussehen würde...«
Aus dem Augenwinkel sah ich Kilian breit grinsen.
»Es freut mich wirklich, dass zu hören.« Und schon startete er den Motor des Wagens. 


»Aber er sieht echt schnuckelig aus, oder?«, fragte ich. Ich konnte nicht verhindern, dass sich ein verschmitztes Grinsen auf meine Lippen stahl.
»Muss ich die Frage beantworten?«, fragte er schlicht.
»Auf jeden Fall! Bitte!« Ich kam mir vor, wie ein Hund, der nach einem Leckerli bettelte.
»Nun... Er sieht schon ganz nett aus... Aber er würde niemals an dich herankommen, Sam, niemals.« Meine Wangen erröteten leicht, ich strich mir eine Strähne aus der Stirn und spielte nervös mit meinem Ring am Finger.


»Danke«, flüsterte ich aufrichtig. Jeder daher gelaufene Typ hätte das sagen können, jeder einzelne. Mit all den Phrasen und langweiligen Beteuerungen hätte ich tausende dicke Pullover stricken und an Kinderheime spenden können. Doch bei Kilian war es aussichtslos. Wie sollte man aus einem schillernden Diamanten nur einen Pullover stricken? Er war unverkäuflich, weswegen ich ihn in die Schatzschatulle meines Herzens legte und ihn dort aufbewahren würde - bis zu meinem Tod.


Ich wusste nicht, was noch weiter erwidern sollte und so schwiegen wie einfach nur, genossen die Gegenwart des anderen, während wir über die Straße rollten und durch die Stadt jagten. Ich schaute aus dem Fenster und betrachtete all die vorbei rauschenden Häuser, die Menschen, die Laternen. Alles verschwamm in einem riesigen Strom und vermischte sich zu einem einheitlichen Brei. Die Farben wurden bunter, die Formen runder, die Welt ansehnlicher. Alles wirkte wie ein Geschenk, ein Geschenk aus freundlicher Hand.


»Wohin entführst du mich eigentlich?«, fragte ich plötzlich. Kilian grinste schon wieder. Wenn er so weiter machte, dann würde sein Gesicht irgendwann mal genau so bleiben.
»Lass dich überraschen«, lautete seine einfallsreiche Antwort.
»Aber dieses Mal ist es ein FKK-Strand!« Als Antwort bekam ich ein Kichern.


»Gut möglich, Sam, gut möglich.« 






Als ich die Tür zu unserer Wohnung öffnete, stieg mir sofort der saftige Geruch gebratener Pilze in die Nase. Das Aroma waberte durch die Luft und verdrehte mir innerhalb weniger Sekunden schon die Augen. Mein Mund verwandelte sich in einen gigantischen Wasserstaudamm.
Ich warf meinen Rucksack auf den Boden, knallte die Tür hinter mir zu, schlüpfte aus meinen Schuhen und rannte schleunigst in die Küche - und fand einen oberkörperfreien Nico vor. Mein Onkel stand am Herd und zauberte uns, nach dem Geruch zu urteilen, ein grandioses Abendessen. Seine nackte Brust glänzte vor Schweiß.


»Da bist du ja endlich, Sam. Wo hast du dich denn so lange herumgetrieben?« Er maß mich flüchtig mit einem Lächeln, während es vor ihm zischte und brodelte.
»Erzähl ich gleich. Kann ich dir noch irgendwie helfen?«, fragte ich sabbernd.
»Gerne. Du könntest schon einmal den Tisch decken und den Salat fertig machen.«
Nachdem ich noch einmal schnell auf das Klo geflitzt bin und mir die Hände gewaschen habe, stand ich auch schon wieder voller Tatendrang in der Küche. Geschwind zog ich eine Schüssel hervor, ein Messer, welches auch einem Scharfrichter gehören könnte und jede Menge Gemüse - vor allem langes, dickes, phallusartiges...


»Ist das nicht ein bisschen gewagt, so halbnackt vor dem Herd zu stehen?«, fragte ich Nico nebenbei und begann auf einem Brettchen mit dem Zerkleinern der Leckereien. »Ich meine... Wenn es mal ordentlich... Spritzt...« Sofort musste er sich auf die Lippen beißen und verschmitzt grinsen. Es ist wirklich faszinierend was Worte alles anrichten konnten. Es ist, als könnte man zaubern - wenn man nur die richtigen Zaubersprüche kannte. Hier mal das Wort, dort ein anderes, zwei bestimmte miteinander kombiniert und Tada! Schon hatte man ein Zirkuszelt in die Hose eines Mannes gezaubert!


»Eigentlich schon...« Nico hob seine Stimme so weit an, dass sie durch die ganze Wohnung schallte. »Ich hatte auch erwartet, jemand ganz bestimmten damit beeindrucken zu können.« Ich musste grinsen, als keine paar Sekunden später Florian im Türrahmen stand.
»Und das ist dir großartig gelungen«, beeilte sich Flo zu sagen und lief auf Nico zu, welcher gerade die Schnitzel in der Pfanne umdrehte. Seine Brust glitzerte wie bei einem Schmied, der im Freien seine Eisenwaren schmiedete und schweißte. Florian schmiegte sich von hinten an seinen Freund heran und schlang seine Arme um dessen Bauch. Seine Hände rutschten dabei jedoch ein wenig tiefer und strichen über die sanfte Erhebung in der Hose meines Onkels.
»Nicht doch«, hauchte Nico, »Sam kann alles mit ansehen. Er ist dafür doch noch zu jung«, feixte er und blickte mich aus dem Augenwinkel heraus an. Ich stoppte das Zerhacken einer Tomate und funkelte ihn finster an.


»Dann hättest du dir lieber ein Shirt anziehen sollen«, meinte Flo.
»Dann würdest du aber jetzt nicht hier sein.« Florian pflanzte meinem Onkel einen leichten Kuss auf den Hals.
»Wohl wahr... Du riechst übrigens unwiderstehlich. So wie das Festmahl, das du zauberst.« Nico lachte auf.
»Vergleichst du mich gerade mit dem Essen?!«
»Und ob ich das tue.« Florian klang geradezu empört und löste sich mit einem Kuss auf Nicos Schulter von diesem.
»Nach dem Abendessen erwarte ich noch Nachtisch. Süß und himmlisch!« Schelmisch verzog Nico die Lippen und drehte seinen Oberkörper zu seinem Freund, damit er diesem ein Zwinkern schenken konnte.


»Ich werde dich vernaschen, Chefkoch!« Und mit diesen Worten war Florian auch schon wieder verschwunden. Wir hörten noch eine Tür knarren, welche daraufhin ins Schloss fiel. Flo arbeitete schon wieder. Wahrscheinlich ist es noch irgendein Zettelkram für unsere Bar. Nico seufzte schwer und wandte sich wieder dem saftigen Fleisch in der Pfanne zu. Auch ich begann wieder meine Tomate zu zerhacken.
»Und schon ist der Zauber verflogen...«
»Der kommt schon wieder, mach dir mal keine Sorgen«, beschwichtigte ich meinen Onkel.


Derweil wusste ich schon, was später auf mich zukommen würde. Als die beiden sich gerade angestarrt haben, loderte ein gieriges Feuer in ihren Augen - verlangend und inbrünstig. Wäre ich nicht anwesend, dann hätten sie es sofort hier auf dem Küchentisch getrieben.
»Sag mal Sam...« Ein Zischen in der Pfanne unterbrach Nico in seinen Worten. »Wo warst du denn jetzt eigentlich letztes Wochenende? Du hast mir immer noch nichts davon erzählt.« Nico klang besorgt und sogar ein wenig enttäuscht. Mit einem nun schlechten Gewissen im Magen warf ich die klein gehackten Tomaten und Paprikawürfel in die Schüssel neben mir.
»Und heute warst du auch schon wieder so lange weg. Muss ich mir Sorgen um dich machen?«
»Bitte was?!« Ich musste laut los prusten, als seine Frage an meine Ohren drang. Sich Sorgen machen? Wegen mir? Scherzpilz!


»Sam, ich meine das ernst.« Sofort verstummte ich und räusperte mich.
»Tut mir leid.« Dennoch wollte mir das Schmunzeln nicht von den Lippen weichen. »Ich hab da jemanden kennen gelernt«, begann ich und bemerkte, wie Nico die Ohren spitzte. Neugierig blickte er zu mir. »Er heißt Kilian. Wir verstehen uns wirklich super gut und haben das letzte Wochenende eigentlich fast ununterbrochen miteinander verbracht. Außer natürlich, wenn der andere einmal aufs Klo musste oder so... Und heute hat er mich völlig überrumpelt, als er auf einmal nach der Schule aufgetaucht ist!« Ich warf die nächste Fuhre Gemüse in die Schüssel und widmete mich nun der Gurke.


»Wir sind in einen Freizeitpark gegangen - es war Kilians Idee. Zusammen haben wir in der Achterbahn geschrien, sind beim Rafting nass geworden, haben tonnenweise Eis gegessen und noch so viel anderes Zeugs.« Was wir allerdings nach alledem gemacht hatten, behielt ich lieber für mich... »Wenn ich ehrlich sein soll, dann tut mir noch immer der Bauch vom vielen Lachen weh. So einen wundervollen Tag hatte ich schon seit Jahren nicht mehr.«
»Das ist echt schön das zu hören. Ihr zwei scheint ja perfekt zusammen zu passen«, bemerkte Nico und musste breit grinsen.
»Auf jeden Fall! Und am letzten Wochenende, da sind wir in einem Restaurant essen gewesen und zu dem kleinen See in der Nähe gefahren, wo wir uns ein wenig abgekühlt haben. Wir hatten so viel Spaß gehabt... Ich würde das gerne noch einmal wiederholen... Und wir haben mir einen Ring besorgt!« Wie ein kleines und überaus stolzes Kind streckte ich Nico meine Hand hin, sodass er den golden schimmernden Ring gar nicht übersehen konnte.


»Jetzt weiß ich auch endlich, woher du den hast«, meinte er und grinste mich an.
»Ich finde ihn genial! Ich war kurzzeitig noch am Überlegen, ob ich mir nicht noch ein Ohrloch stechen lasse...«
»Ein Ohrloch?«, fragte Nico stutzig nach.
»Jap, Kilian hat auch welche. Und seine Klunker stehen ihm echt verdammt gut!« Nico seufzte kurz auf.
»Ein Ohrring ist ja noch in Ordnung, aber bitte belasse es dann auch dabei, ja? Ich will nicht, dass du mir eines Tages voller Piercings im Gesicht nach Hause kommst, als hätte man dich mit einem Roboter fusioniert.« Ich begann zu kichern.


»Keine Sorge, ich glaube maximal ein oder zwei Ohrringe würden mir völlig ausreichen. Außerdem finde ich Piercings sowieso hässlich.«
»Hat Kilian denn Piercings?«, fragte mich Nico weiter.
»Nein, der nur Ohrringe. Aber eher Ketten, keine Ringe. Damit sieht er wie ein richtiger Pharao aus! Ich muss dir später unbedingt ein Bild von ihm zeigen. Er sieht zum Anbeißen aus! Und er hat auch eine verdammt geniale Stimme - wie ein Engel! Er singt total gerne und spielt auch Gitarre.« Bei all diesen Erinnerungen an ihn seufzte ich himmlisch in mich hinein. »Morgen sehen wir uns wieder. Wir haben uns verabredet - nur das du Bescheid weißt.« Nico nickte nur stumm und drehte die Herdplatte aus. Die Schnitzel schienen fertig zu sein.


»Du schwärmst ja ganz schön von diesem Kilian.« Grinsend blickte er zu mir.
»Mmhhh...«, murmelte ich vor mich hin. Irgendwie hatte er recht... Ich kam mir wie ein kleines Teenagerkind vor, welches sich sein großes Idol quasi zum Freund gemacht hatte. Ich konnte es eigentlich noch immer nicht ganz fassen, dass wir uns gerade einmal knapp drei Wochen kannten. Drei Wochen klang so lang, aber vom Gefühl her war es so verdammt kurz... Es kam mir vor, als kannte ich Kilian schon seit so vielen Jahren, vielleicht schon seit dem Kindergarten. Wegen ihm hatte ich in den letzten Tagen nahezu alles und jeden vernachlässigt. Ben, Mina, Flo und Nico, die Schule - auch wenn das das letzte ist, weswegen ich trauerte.


Kilian hatte etwas Besonderes. Er war etwas Besonderes. Allein seine Ausstrahlung machte ihn zu einem richtigen Magneten. Nicht nur, dass er verdammt heiß aussah, er war auch noch so... so... Ich weiß nicht... eben etwas Besonderes... Und immer mit diesem knuffigen Lächeln. Ich konnte es schon kaum mehr abwarten, ihn morgen wiederzusehen!
»Sam!« Bevor ich mir den Finger abhacken konnte, packte Nico mein Handgelenk und vereitelte den Beinahe-Selbstmord. Geschockt blickte ich auf meine Hand, die das Messer fest umschlossen hielt.


»Tut mir leid... Ich war völlig in Gedanken...«
»Du musst dich nicht bei mir Entschuldigen - eher bedanken.« Verlegen kratzte ich mich am Hinterkopf, als er seinen Griff um mein Handgelenk wieder löste.
»Hast recht - vielen Dank.« Nun aufmerksamer zerhackte ich weiter die Gurke.
»Und... Wie steht ihr so... zueinander? Du und Kilian?«, fragte Nico plötzlich.
»Wie gesagt, wir verstehen uns super, ich würde schon fast meinen besser als ich mit Ben...« Verblüfft zog Nico eine Augenbraue hoch und blickte mich. »Ja, schon irgendwie komisch... Wir sind so verdammt gute Freunde...« Aus dem Nichts prustete Nico plötzlich los und lachte schallend durch die ganze Küche. Er musste sich sogar am Küchentresen abstützen und hielt sich vor Lachen den Bauch. Sein Lachen war so ansteckend, dass ich auch ein wenig glucksen musste.


»Was lachst du denn so blöd?«, fragte ich ein wenig beleidigt. Ich hatte doch nur seine Frage beantwortet. Ich wusste nicht, was jetzt so witzig war...
Ich beförderte die letzten Reste des Gemüses in die Schüssel, während Nico noch immer lachend nach Luft japste. Sollte er doch umfallen. Noch einen ordentlichen Spritzer der Dressing Soße und... Plötzlich packten mich von hinten zwei Arme. Instinktiv riss ich den Mund auf und wollte schon seinen Namen rufen - doch dann realisierte ich, dass es gar nicht Kilian sein konnte. Stattdessen hatte sich Nico von hinten an mich geklettet.


»Sam!«, rief er noch immer kichernd meinen Namen. »Du Trottel!«
»Was denn?«, fragte ich gereizt und neugierig zugleich. Er löste sich wieder von mir und die Wärme, die von ihm ausging verschwand. Doch es war nicht dieselbe Wärme wie bei Kilian. Diese Umarmung war anders.
»Sag den letzten Satz nochmal«, bat mich mein Onkel, während sein Lachen noch abebbte.
»Kilian und ich sind verdammt gute Freunde!«, kam ich der Bitte nach und sprach etwas lauter. Vielleicht hatte er sich nur irgendwie verhört.
»Du Dummerchen!«, sagte Nico und streichelte mir über den Kopf, als wäre ich ein Hund. Wir hatten keine Haustiere. Nico und Flo meinten immer, mit mir hätten sie schon genug zu tun. Jetzt verstand ich langsam, was genau sie darunter verstanden...


»Selbst ein Blinder erkennt, wie sehr du für Kilian schwärmst! Ihr seid doch nicht nur Freunde Sam!« Verdutzt hob ich eine Augenbraue.
»Und was dann? Eine Freundschaft Plus?« Amüsiert schüttelte Nico den Kopf und blickte mich aus ernsten Augen heraus an. Er legte seine beiden Hände auf meine Schultern und starrte mich eindringlich an. Ein liebliches Lächeln umspielte seine Lippen, als würde endlich einer seiner lang ersehnten Träume wahr werden.
»Sam... Du bist verliebt!« Vom Unglauben gepackt, riss ich die Augen auf und schaute meinen Onkel fragend an. Ich? Verliebt? In Kilian?


»Wer ist verliebt?!«, fragte jemand. Florian stand im Türrahmen und blickte uns verwundert an.
»Sam! Er ist verknallt!«
»Unser Sam?! Niemals!«
»Doch! Und wie er das ist! Schau nur, Flo, er wird ganz rot!« Ich wollte gerade noch meine Wangen verdecken, als Flo auch schon angestürmt kam und mich meine beiden Lieblingsmenschen gemeinsam in eine herzliche Umarmung schlossen.
»Hey!«, beschwerte ich mich, »ich bin kein Kuschelteddy, welchen jeder nach Belieben knuddeln kann!«


»Oh doch, Kleiner«, meinte Flo, »für heute schon. Das du mal verliebt sein würdest! Und niemand hat mir bis jetzt etwas davon erzählt!«
»Unser Sam... Vielleicht ist er doch noch nicht ganz verloren«, feixte Nico und kicherte gemeinsam mit Florian, während ich mich ihrer Umarmung hingab. Ich kuschelte mich tiefer in ihre Arme, inniger an die Brust, näher an meine Väter. Doch schon bald bemerkte ich, dass es nicht dasselbe war, wie bei Kilian.


Ein wohlig warmes Lächeln breitete sich auf meinen Lippen aus. Mein Herz hüpfte schneller, mein Magen rumorte flau. Meine Lider schlossen sich schwer über meinen Augen, sämtliche Anspannung fiel von mir ab. Es war, als tanzten tausend Schmetterlinge in meinem Bauch umher und kitzelten mich überall. Und an jeder dieser Stellen brach eine innige Feuerbrunst aus, die mich von innen heraus wohltuend wärmte.


Verliebt...

Continue Reading

You'll Also Like

283K 21.3K 50
Shirin ist auf dem Weg einen neuen Abschnitt in ihrem Leben zu beginnen. Weg aus der Kleinstadt, welche man schon als Dorf bezeichnen kann. Mit ihren...
46K 1.5K 20
Zwei Jungs. Ein Internat. Hassliebe. Und zwei verschiedene Welten. Was sie trotzdem gemeinsam haben? Findet es heraus ^^ ©2020
4.5K 223 59
Ich lachte kurz sarkastisch. ,,Mein Name bedeutet übersetzt Geisel, welch Ironie..." ,,Tja, mein Name bedeutet irgendetwas mit allein sein", antwor...
20.7K 1.1K 13
𝑩𝒂𝒏𝒅 𝟑 Enisa die Tochter eines albanischen Mafia Bosses, der sich in dieser Branche nicht beliebt gemacht hat. Sie muss sich für ihre Rechte und...