Back to Life

By _time_to_fly_

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*** WATTYS 2018 GEWINNER *** Nachdem Betty den Kampf gegen den Krebs verloren hat, hinterlässt sie nichts als... More

Prolog
1. Brief
Challenge Nr. 1
1. Antwort
2. Brief
Challengen Nr. 2
2. Antwort
3. Brief
Challenge Nr. 3
3. Antwort
4. Brief
Challenge Nr. 4
4. Antwort
5. Brief
Challenge Nr. 5
6. Brief
Challenge Nr. 6
6. Antwort
7. Brief
Challenge Nr. 7
7. Antwort
8. Brief
Challenge Nr. 8
8. Antwort
9. Brief
Challenge Nr. 9
9. Antwort
10. Brief
Challenge Nr. 10
10. Antwort
11. Brief
Challenge Nr. 11
11. Antwort
12. Brief
Challenge Nr. 12
12. Antwort
Epilog
Danksagung

5. Antwort

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By _time_to_fly_




Bettyyyy,

Wir müssen reden und zwar dringend. Hast du Zeit? Sehr schön! Einfach nur Zuhören und mich labern lassen, ja? Normalerweise bin zwar ich diejenige die immer mehr zuhört und weniger quasselt, aber dieses Mal müssen wir das Ganze mal umdrehen, was wenn man von der Tatsache absieht, dass du längst nicht mehr reden kannst, ziemlich kompliziert sein könnte, schließlich hast du diese schlechte Angewohnheit ständig dazwischen quasseln zu müssen, besonders wenn es um ein Thema geht wie das Folgende, aber dennoch... genau dafür liebe ich dich unglaublich. Bitte vergiss das nicht.

Ich habe ein Date.

Jetzt ist es raus.

Wobei... Betty, ich weiß gar nicht so genau ob das ein Date ist. Er hat es nur als Treffen bezeichnet. Allgemein habe ich gar nicht zugestimmt, er hat es einfach festgelegt, das angesprochene Date. Och man, warum kannst du eigentlich nicht antworten? Ich glaube sogar dein unnötiges Gequassel wäre mir gerade lieber als diese schreckliche Stille.

Du kennst dich doch da aus, oder? Immerhin warst du öfter auf irgendwelchen Dates als ich. Genauer gesagt, ich war noch nie auf einem. Aber ich weiß ja auch nicht ob das jetzt ein Date ist, er hat es nur als Treffen bezeichnet wie bereits erwähnt. Macht das einen Unterschied?

Was glaubst du was wir unternehmen werden? Er sagt ich solle mich überraschen lassen. Was aber, wenn wir zum Beispiel in einen Kino Film gehen und was angucken, was ich gar nicht schauen kann. Du weißt doch wie ich bei Horrorfilmen ticke. Und er weiß es nicht. Er weiß gar nichts! Wir haben uns über so grausam unnötige Dinge unterhalten. Ich weiß gerade mal sein Alter, das war es dann aber auch schon wieder. Mensch Betty, was soll ich nur machen?

Ich meine ich kann nicht mal reden, wenn wir doch nicht ins Kino gehen sollten, sondern Essen oder so... wenn ich doch nicht reden kann... Wo mir einfällt, Kino kommt nicht in Frage, schließlich ist Philip taubstumm. Wir können uns doch nicht nur übers schreiben unterhalten, oder doch? Und was wenn uns irgendwann die Gesprächsthemen ausgehen? Wenn wir irgendwann nicht mehr wissen was reden? Ich meine wir kennen uns gerade seit ein paar Wochen, wobei kennen jetzt doch etwas übertrieben ist... macht das alles überhaupt Sinn? Mein Selbstgespräch hier? Macht das Ganze überhaupt Sinn? Dass ich Zeit mit ihm verbringe?

Betty, ich merke doch schon jetzt, wie ich immer mehr an ihn denke, anstatt an dich und das will ich doch gar nicht. Ich will nur an dich denken! An niemand anderes - Nur an dich!

Ich habe Angst dich zu vergessen Betty, mit jedem Tag mehr. Gleichzeitig habe ich Angst mich einzulassen. Ich habe Angst enttäuscht zu werden. Ich bin an einem Punkt in meinem Leben, da kann ich es mir nicht leisten noch tiefer zu fallen Betty, das geht einfach nicht. Ich würde daran zerbrechen, ich bin schon jetzt unglaublich zerbrechlich, unendlich fragil, ich bin nicht fähig ein Leben eines typischen Mädchens in meinem Alter zu leben. Das geht einfach nicht. Ich kann doch nicht auf Dates gehen, nicht nach all dem was passiert ist.

Und er ist nach wie vor ein Junge und ich kenne zu viele Menschen, bei denen Jungs es geschafft haben ganze Leben zu zerstören, ganze Familien kaputt zu machen, Herzen auseinander zu reißen und ich will nicht, dass mir so etwas jemals passiert und im Moment schon gleich zweimal nicht, da bleibe ich lieber für immer Single.

Und genau an diesem Punkt halte ich inne... Meine Gedanken schweifen zu deinem letzten Brief. Zu dem was du da geschrieben hast. Dass allein Gott mein Herz regieren soll. Da darf es nicht verschiedene Kammern geben. Eine Kammer voller Schmerz, eine mit tausenden Sorgen, eine für dich, eine für mein eigenes Ego. Nein, da soll es nur eine riesige Kammer geben, die strahlt und in der du wohnst, in der du herrschst, über mich, über mein komplettes Leben, über jeden Moment.

Viel zu oft vergesse ich das, ich vergesse dich, ich vergesse, dass du alles in deiner Hand hast, dass du Philip in deiner Hand hast und alles was in betrifft und ebenso mich und alles was uns einzeln, aber auch zusammen betrifft.

Es ist so verrückt und doch so wunderbar.

Manchmal, da wünschte ich mir, dass er mir keinen freien Willen gegeben hätte, denn dann müsste ich nicht so viele Entscheidungen treffen und du weißt wie sehr ich Entscheidungen hasse. Und doch besteht unser ganzes Leben genau daraus, aus Entscheidungen. Entscheidungen tagein, tagaus.

Stehst du auf oder bleibst du doch lieber liegen? Was isst du zum frühstück? Beginnst du mit deiner Mutter ein Gespräch oder doch lieber nicht? Meldest du dich in der Schule egal ob du die gute Note jetzt brauchst oder nicht. Nimmst du den Bus oder bevorzugst du doch das Fahrrad. Unser ganzes Leben besteht aus Entscheidungen, aus großen und kleinen Entscheidungen.

Die Entscheidung ob ich mich weiter auf Philip einlasse und ob ich diesem Date eine Chance gebe oder lieber doch nicht, ist momentan eine relativ große Entscheidung. Noch größer als jene, die sich die Frage stellt, was ich an besagtem Tag denn anziehen soll. Ich weiß ich bin kein typisches Mädchen, oder vielleicht bin ich das ja doch, aber vielleicht gibt es momentan einfach wichtigere Dinge. Entscheidungen.

Gott soll die Herrschaft über mein Herz übernehmen und das schließt doch auch ein, dass er meine Entscheidungen leiten soll. Du, liebste Betty hast immer gesagt, dass Gott das tut, dass er das definitiv tut. Manchmal aber, da müssen wir selbst Schritte voran gehen und dann wird er wirken. Er wird Türen öffnen und welche schließen. Vielleicht müssen wir manchmal einfach Dinge wagen, ins kalte Wasser springen, vielleicht müssen wir manchmal einfach los laufen, so wie Petrus damals los gelaufen ist, über das Wasser, den Blick stets auf Jesus gerichtet. Wir werden nicht sinken, nicht wenn wir unsere Blick durchgehend auf ihn gerichtet haben. Dann werden wir nicht fallen und wenn doch, seine Hand hält uns, seine Hand hat auch Petrus gehalten. Wir können nicht tiefer fallen als in seine Hand.

Das zu wissen und hier gerade aufzuschlüsseln gibt mir irgendwie Mut. Mut Dinge im Gebet vor Gott zu bringen, etwas was wir beide schon immer gerne und mit großer Leidenschaft getan haben. Beten. In ganzen Gruppen, zu zweit, allein. Wir haben gebetet für die Menschheit, für verfolgte Christen, für unsere Gemeinde, unsere Familie, Freude, Ärzte, dich und mich und ebenso für ganz konkrete Dinge. Für Operationen, Arbeiten, Veranstaltungen, für so viele Dinge.

Ich liebe das Beten und dennoch habe ich es in letzter Zeit etwas vernachlässigt. Ich bete, ab und an, aber nicht so wie du, nicht den ganzen Tag. Nicht während ich durch die Straßen laufe, nicht während ich mit anderen Menschen Kontakt habe, wenig beim Fahrrad fahren und schon gar nicht laut für andere, weil ich das nicht kann, weil ich nicht reden kann und weil ich manchmal das Gefühl habe, dass meine Gebete gar nicht bei Gott ankommen, nicht, wenn ich sie nicht ausspreche und das schmerzt, das tut weh und das demotiviert ziemlich. Doch ich will es versuchen, ich will in den nächsten Wochen wirklich versuchen alles - wirklich alles im Gebet vor Gott zu bringen, so wie du das immer getan hast. Oft jedenfalls. Vielleicht auch nicht immer, weil auch du mal schwach warst, aber du bist mein Vorbild, auch im Bezug auf das Gebet.

Wobei das teilweise echt absurd bist, weil du zwar eine begeisterte Beterin, aber nicht wirklich geduldig. Das hast du jedenfalls immer gesagt und darin haben wir uns super aneinander angepasst.

Unser Pastor hatte dazu mal ein unglaublich tolles Bild. Beten heißt nicht nur all seine Gedanken vor Gott zu bringen, sondern auch auf eine Antwort zu warten. Es ist wie, wenn du dem Arzt einen Besuch abstattest und seien wir mal ehrlich, damit kennst du dich ja bestens aus. Man geht nicht einfach nur zum Arzt und erzählt was einem alles weh tut. Halsschmerzen, Kopfweh und so, bei dir waren es oft ein paar krassere Dinge, man erwartet doch auch eine Antwort, nicht wahr? Man dreht sich nicht kurz nach seiner Erzählung wieder um und verschwindet. Nein, man will doch wissen was los ist.

Gott spricht zu uns, aber wir müssen auch hören, wir müssen auch in der Stille zu ihm kommen und einfach warten was er sagt. Wir müssen aufmerksam sein. Er redet. Durch Bilder, Bibelverse, andere Menschen, aber er tut es definitiv.

Weißt du noch, als ganz banales Beispiel, als ich mir einmal überlegt habe, über die Sommerferien zu meinem Dad zu reisen, um ihn zu besuchen?

Wir haben gebetet und wir haben auf eine Antwort gewartet und damals wurde sogar ich irgendwann ziemlich ungeduldig. Gott redet, aber manchmal braucht das seine Zeit, so wie auch der Arzt manchmal seine Zeit benötigt, herauszufinden warum man sich eigentlich so schlecht fühlt. Was aber gleichzeitig nicht heißt, dass unser Papa im Himmel nicht zuhört. Er hört auf alle Fälle hin, er hört alles, aber manchmal, da ist eben noch nicht die richtige Zeit für eine Antwort. So bescheuert es klingen mag, Gott stellt unsere Geduld manchmal ganz schön auf die Probe.

Genauso wie bei angesprochenem Beispiel. Wir bekamen keine Antwort und so beschloss ich letztendlich einfach zu meinem Dad zu reisen. Ich suchte nach einem Flug. Hürde Nummer eins! Alles ausgebucht oder mega überteuert. Ich fragte nach Geld. Hürde Nummer zwei! Meine Mum stand absolut gar nicht hinter meinen Plänen. Ich telefonierte noch einmal mit meinem Dad. „Ach, du willst kommen, das hatte ich schon wieder vergessen, können wir das irgendwie verkürzen, ich bin die letzten zwei Sommerferienwochen vereist." Hürde Nummer drei lässt grüßen. Dann kamst du ins Krankenhaus und ich hatte Angst du würdest sterben, während ich nicht da bin. Wir hatten die Idee einer christlichen Kinderferienwoche, ein anderer Termin wie die erste Sommerferienwoche kam nicht in Frage. Nach Hürde Nummer 5, vermutlich habe ich aber die andere Hälfte vergessen, gab ich es auf.

Die besten Sommerferien meines Lebens verbrachte ich in genau diesen sechs Wochen. Du wurdest ganz überraschend aus dem Krankenhaus entlassen und warst tatsächlich über den ganzen Sommer Zuhause. Wir hatten jede Menge Spaß beim Organisieren der Kinderferienwoche. Gemeinsam machten wir Urlaub im Baumhaus und schliefen dort einige Nächte, während wir stundenlang die Sterne beobachteten, lachten und beteten, denn zu beten gab es eine ganze Menge.

Gott hatte keine klare Antwort gegeben, aber er hatte Türen geöffnet und in diesem Fall vor allem richtig viele Türen verschlossen, aber das war in Ordnung, es war mehr als in Ordnung, Gott hat einen Plan, einen wundervollen Plan, einen perfekten Plan.

Wir müssen nur zu ihm kommen, vor ihm auf die Knie gehen und ihm alles überlassen, er wird es richtig machen. Mit seinen Methoden. Manchmal da müssen wir Dinge wagen, mutig voran gehen, übers Wasser laufen, möglicherweise müssen wir auch mal fallen, aber nur um zu spüren, was es heißt aufgefangen zu werden und manchmal da müssen wir auch einfach nur Geduld haben, vertrauen und daran arbeiten unser Herz zu reinigen.

Und genau das steht mir nun bevor. Ich muss mein Herz reinigen, vor all den Ängsten, die ich mit Jungs in Verbindung bringe und das sind einige, vor all den Sorgen und den depressiven Gedanken, von deiner Wendigkeit ausgelöst und dann muss ich mutig voran gehen.

Betty, ich werde zu diesem Date gehen und es einfach in Gottes Hand abgeben. Alles in Gottes Hand abgeben und wenn ich alles sage, dann meine ich es genau so! Alles! Auch die Frage nach dem: Was soll ich anziehen? Hoffen wir mal, dass Gott mich in diesem Fall nicht ewig zappeln lässt und mir möglichst schnell antworten gibt und im aller schlimmsten Fall, muss ich halt auch da mutig voran gehen, ich meine ich kann ja sowieso nur in seine Hand fallen und keinen Zentimeter tiefer.

Woooow! Ich bin stolz auf mich. Ich habe es tatsächlich geschafft mich mit diesem Brief zur Abwechslung einmal nicht komplett herunter zu ziehen, nein ich habe mich vielmehr aufgebaut und dass soll etwas heißen. Danke Betty, danke Gott Vater, Sohn und heiliger Geist.

Und zur feiert des Tages. Es juckt mich gerade in den Fingern, will ich einfach noch einen kleinen Text zum Gebet schreiben. Für dich, meine liebste Freundin, für meinen Vater im Himmel und ganz vielleicht für Philip.

Ich liebe und vermisse dich.

Deine Leica


***

Beten

Reden mit der besten Freundin? Dem besten Freund? Quatschen über komplett unnötiges Zeug. Alltagsgedanken, Alltagsprobleme, Alltagsmomente.

Alltag.

Das ist beten.

Sich selbst mitteilen, wissen, dass da jemand zuhört, mit weint, mit lächelt. Wissen, dass es gehört wird, verstanden ebenso, aufgenommen, verarbeitet und erns genommen. Alles!

Alltagsgedanken, Alltagsprobleme, Alltagsmomente.

Alltag! Kaputte Fahrradreifen, Streitereien bei der Arbeit, ein dreckiges T-shirt, Lustlosigkeit, Motivation, Spaß, Freude, Druck.

Was erzählst du deiner besten Freundin? Alles?

Was erzählst du Gott? Alles und noch viel mehr!

Beten ist nicht zu ihm kommen, wenn es gerade brenzlig wird. Dann wenn man selbst keinen Ausweg mehr weiß, dann wenn das eigene Ego plötzlich erkennt, dass es doch nicht ganz so cool ist.

Beten ist Alltag. Beten ist Austausch. Beten ist reden.

Über Großes und Kleines. Wichtiges und Nichtiges.

Beten ist anvertrauen, selbst loslassen und Antworten bekommen.

Bekommst du eine Antwort von deiner Freundin?

Bekommst du eine Antwort von Gott? Natürlich!

Beten ist nicht nur Wissen, dass da jemand zuhört, mit weint, mit lächelt. Wissen, dass es gehört wird, verstanden ebenso, aufgenommen, verarbeitet, ernstgenommen.

Beten ist Wissen, dass man kommuniziert. Sich austauscht. Antworten bekommt, Gegenfragen, Rückfragen. Beten ist reden, beten ist diskutieren, beten ist das was wir machen, alltäglich.

Reden. Lachen. Weinen. Streiten. Diskutieren.

Alltag!

Das ist beten. Nicht mit Freunden, sondern mit einem Vater, bei dem wirklich alle Geheimnisse sicher sind, der nichts vergisst, nicht verurteilt und niemals auslacht. Mit einem Papa der unendlich liebt und der dein bester Freund sein will.

Er will wissen was du tust, was dich beschäftigt, wo du lang gehst und wo du stolperst.

Er will mit gehen in deinen Alltag.

Er will Alltag sein.

Beten soll nicht frommes beten sein. Beten ist Alltag!

Nicht mehr, nicht weniger.

Einfach Alltag!

***

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