Back to Life

بواسطة _time_to_fly_

4K 637 528

*** WATTYS 2018 GEWINNER *** Nachdem Betty den Kampf gegen den Krebs verloren hat, hinterlässt sie nichts als... المزيد

Prolog
1. Brief
Challenge Nr. 1
1. Antwort
2. Brief
Challengen Nr. 2
2. Antwort
Challenge Nr. 3
3. Antwort
4. Brief
Challenge Nr. 4
4. Antwort
5. Brief
Challenge Nr. 5
5. Antwort
6. Brief
Challenge Nr. 6
6. Antwort
7. Brief
Challenge Nr. 7
7. Antwort
8. Brief
Challenge Nr. 8
8. Antwort
9. Brief
Challenge Nr. 9
9. Antwort
10. Brief
Challenge Nr. 10
10. Antwort
11. Brief
Challenge Nr. 11
11. Antwort
12. Brief
Challenge Nr. 12
12. Antwort
Epilog
Danksagung

3. Brief

92 16 25
بواسطة _time_to_fly_





Allerliebste Leica,

ich melde mich wieder und kann es nicht glauben, dass wir inzwischen schon bei Monat drei angekommen sind.

Wie immer hoffe ich von ganzem Herzen, dass es dir gut geht.

Mir selbst geht es in diesem Moment, in dem ich diesen Brief verfasse nicht ganz so prickelnd, was allerdings keinesfalls an irgendwelchen schlechten Diagnosen liegt, sonder vielmehr an deiner Wendigkeit.

Die Challenges sind es, die mir in den letzten Wochen zu schaffen machen. Deine Challenges wohl bemerkt und selbst wenn ich hier diejenige bin, die anderen immer vorhält nicht zweifeln zu dürfen, so tue ich im Moment genau das – zweifeln.

Ich will dir mit meinen Challenges einen Weg zurück ins Leben zeigen und irgendwie habe ich die Befürchtung, dass das alles nicht ganz so klappt wie ich mir das vorstelle.

Die Befürchtung, dass du beispielsweise in ein noch tieferes Loch fällst, weil meine Ideen für dich momentan nicht umsetzbar sind.

Die Befürchtung, dass du dir irgendwelche Vorwürfe machst und ganz besonders die Befürchtung, dass dich diese blöden Challenges immerzu an mich erinnern und genau das will ich doch eigentlich vermeiden, ich will, dass du einen Weg zurück ins Leben findest, dass du wieder glücklich und zufrieden wirst – allein ohne mich und ich weiß nicht, ob ich dir da sonderlich behilflich bin. Nicht wenn ich versuche dir jeden Monat mit irgendwelchen Aufgaben zu helfen.

Und glaube mir, ich meine es wirklich gut. Ich will helfen mehr nicht und ich will keinesfalls, dass du deshalb ständig an mich denkst und mir nachtrauerst, eher beabsichtige ich das genaue Gegenteil.

Das Problem? Was ist wenn es nicht funktioniert? Was ist wenn meine ach so tollen Ideen doch gar nicht so toll sind wie angenommen?

Meine Güte Leica, ich brauche mal kurz einen Moment um mich selbst zu schlagen, so unsicher und verzweifelt bin ich normalerweise wirklich nicht.

Warte...

Aua...

Okay, das hat weh getan. Ich wusste gar nicht, dass eine Ohrfeige von mir selbst so sehr schmerzen kann, jetzt verstehe ich auch, warum dieser Typ vor zwei Tagen im Park vor Schmerz geschrien hat, als ich ihm eine über gezogen habe.

Aber mal ehrlich, er hat mich da angebaggert wie sonst etwas und irgendeine Scheiße an mich hingelabert, von wegen wie hübsch ich doch wäre, ganz im Gegensatz zu seinen Exfreundinnen und so ein Müll und ob ich nicht Lust hätte mit ihm eine heiße Nacht zu verbringen.

Meine Sicherungen sind leider durchgebrannt und da du nicht zur Stelle warst, konnte mich auch niemand zurück halten, dem überaus netten Mann eine gehörige Ohrfeige zu verpassen. Ehrlicherweise, hättest auch du beschriebene Aktion nicht verhindern können, aber vielleicht wäre sie nicht ganz so brutal ausgefallen.

Grundsätzlich hat er jedoch nichts anderes verdient und übrigens hat es echt Spaß gemacht. Du hättest sein Gesicht sehen sollen, ich glaube er wusste bis dahin nicht, dass Mädchen überhaupt fähig sind Gewalt anzuwenden, nicht das ich jemals bösartig Gewalt anwenden würde, aber in diesem Fall... ich schäme mich dafür wirklich nicht. Vielmehr bin ich ein wenig stolz.

Jedenfalls hat er schon angesetzt mich zurück zu schlagen, die Ohrfeige von gerade eben hätte ich mir dann wohl ersparen können, der Typ hatte wirklich Maße eines Boxers, aber als ich ihm auf den Fuß getreten bin und meinte, dass man bei allen Manieren nun wirklich keine Mädchen schlägt, da hat er sich umgedreht und ist davon gestürmt.

Ich habe ihn ausgelacht, nicht böse gemeint natürlich, aber... okay, doch böse gemeint. Er hat nun mal wirklich nichts anderes verdient.

Ich wiederhole mich...

Und außerdem schweife ich schon wieder ab, denn eigentlich wollte ich diesen Brief mit meiner heutigen Challenge beginnen.

Ich habe wirklich lange hin und her überlegt ob ich das mit diesen Challenges jetzt weiter fortführe, oder ob ich es lasse und dann bin ich zum Schluss gekommen, dass es erneut eine Aufgabe für dich gibt, dieses Mal allerdings in einer etwas anderen Ausführung.

Zur Abwechslung gibt es einmal keine Besuche, dafür wird deine Kreativität etwas gefordert.

Sag mal Leica, schreibst du eigentlich noch Poetry Slams. Also das du sie nicht vorträgst, dass weiß ich selbst, aber schreibst du sie noch? Deine Gedichte halt, du weißt schon was ich meine...

Wenn nicht habe ich sogar gleich drei Challenges für dich, wenn doch sind es leider nur zwei.

1. Schreibe einen Poetry Slam! Du bist darin absolut begabt und ich liebe deine Wortwahl und anstatt deine Texte fein säuberlich zu zerreißen, könntest du sie übrigens auch mal jemandem zeigen. Deiner Oma zum Beispiel, oder jemandem aus der Gemeinde, oder wem auch immer.

Als zweiter und dritter Punkt, wären da zwei Briefe. Ich würde mich freuen, wenn du Briefe an Leute schreibst, die dir viel bedeuten. Nicht an mich, falls du das jetzt denkst, das Ziel ist nach wie vor, dass du von mir los kommst und einen Weg zurück ins Leben findest und dabei sollen dir heute die Briefe helfen.

Also zwei dieser Art. Was du rein schreibst bleibt dir frei gestellt, weil ich für so etwas viel zu unkrativ bin und ich dir dahingehend vollkommen vertraue, ich weiß, dass du wunderbare Worte, Sätze und Formulierungen zaubern wirst.

Ach und übrigens, nur schreiben zählt nicht, die Briefe müssen schon auch einen Empfänger finden. Das coole an dieser Challenge ist aber, dass du die Briefe nicht an eine bestimmte Person schreiben musst, das kannst du auch gerne, aber wenn dir niemand einfällst, dann schreibst du einfach für eine imaginäre, super liebe Person etwas mindestens genauso liebes und dann trägst du diesen Brief mit dir herum und wenn du jemanden triffst, dem du deinen Brief anvertrauen willst, dann schenke ihn her. Eine coole Idee oder? Finde ich absolut. Ich bin fast schon ein wenig stolz auf mich.

So, das also zur heutigen Challenge, kommen wir zu den angerissenen Themen aus dem letzten Brief, die ich noch fortführen wollte und ebenso zu einer Geschichte meinerseits.

Ich liege heute schon den ganzen Tag im Bett, eben weile es mir nicht sonderlich gut geht, ich Schnupfen habe, du in der Schule bist, ich krank geschrieben und meine Laune ziemlich mies.

Und deshalb habe ich mir überlegt, was für eine Geschichte ich dir denn erzählen könnte und irgendwie ist mir keine eingefallen, weil in den wichtigsten Momenten meines Lebens warst du an meiner Seite und ich würde dir gerne einmal zur Abwechslung etwas ganz Neues, einzigartiges, noch nie gehörtes berichten, das hört sich jetzt vielleicht ganz großartig an, mache dir aber lieber nicht so viele Hoffnungen, ganz so spektakulär ist es eigentlich gar nicht.

Ich habe jedenfalls meine Fotoalben durchgeblättert und Bilder aus und umsortiert und dann bin ich auf ein Foto gestoßen, da war ich vielleicht 12 Jahre alt und auch wenn ich absolut glücklich aussehe, auf jenem Foto, jedenfalls auf den ersten Blick, so war ich das definitiv nicht und weil ich dir zeigen will, dass es auch mir nicht immer gut geht, so wie heute zum Beispiel, und es mir auch nicht immer gut ging, habe ich genau jenes Foto heraus gesucht. Es liegt nun neben mir und ich will dir ein wenig von meinem 12-jährigen ich berichten.

Und ja, das Leben eines 12 jährigen Mädchens ist sicherlich nicht ganz so angenehm und du hast keine Ahnung wie froh ich bin inzwischen nicht mehr in ihrer Haut stecken zu müssen.

Die Pubertät ist ein echter Miesepeter und ob man es will oder nicht, nimmt sie manchmal ziemlich ungehalten von einem Besitz ein.

Es nervt und die Chance zu entfliehen sind ziemlich unmöglich und wenn ich dann aber an meine Probleme als 12 jährige denke, kann ich heute darüber nur lachen.

Da wäre erst mal das plötzliche Auslaufen von Blut, was sich eigentlich Periode nennt und zuerst hatte ich Angst, ich würde sie nie bekommen und kaum hatte ich sie war es mir grausam peinlich, das ganze Blut, super eklig und ungeschickt und dann dieses blöde Bauchweh, was es auch nicht besser macht...

Nicht dass ich meine Tage inzwischen gern gewonnen habe, ich hasse sie nach wie vor wie die Pest, das Bauchweh mit eingeschlossen, aber es ist mir keinesfalls mehr peinlich und eben das Los einer Frau. Ob man will oder nicht, man muss damit fertig werden und vielleicht sollte ich langsam mal schwanger werden, dann hätte sich dieses Problem für die nächsten neun Monate erledigt, die neuen Probleme wären dann vermutlich aber um ein Vielfaches größer. Okay, Spaß bei Seite. Bin ich eigentlich die einzige die ständig über ihre viel zu schlechten Witze lacht.

Gut, zum Glück nicht, wenigstens habe ich ja dich und du lachst gerade, oder? Hab ich recht? Spätestens jetzt? Lache!

Ein unheimlich großes weiteres Problem ist allgemein der Körper, beziehungsweise die Veränderungen, wobei ich meine Beinhaare jetzt als weniger großes Problem bezeichnen würde, die Rasur ist hier viel mehr das Problem, die Schnittwunden, wenn man es zu eilig hat wie ich, oder die Schmerzen des Epilierens und ja, man hat es als Frau wirklich nicht leicht, dass sollten die Jungs definitiv mehr tolerieren.

Wo wir übrigens bereits beim nächsten Problem werden, ein äußerst großes Problem und absolut riesiges Gesprächsthema: Jungs!

Zuerst sind sie definitiv eklig, genauso sehr wie das oben beschriebene Blut. Ihh, okay, das war ein sehr, sehr merkwürdiger Vergleich, was ich zur Abwechslung einmal sogar selbst zugebe.

Aber mal ehrlich, die ganzen knutschenden Großen und Händchen halten und so... Widerlich, nicht?

Mir ging es jedenfalls nicht besser und dennoch hatte ich plötzlich grundlos Schmetterlinge im Bauch, wegen eines Jungen aus der Paralellklasse, mit braunen Locken und grünen Augen, von dem ich inzwischen aber leider den Namen vergessen habe, so groß waren die Schmetterlinge also dann wohl doch nicht. Vielleicht war auch einfach der Name zu kompliziert und ich wieder einmal zu schusselig.

Auf einmal waren Jungs aber dann doch nicht mehr ganz so eklig und die Sache wurde nur noch komplizierter.

Mein erster Kuss dann mit 13 und mit viel zu viel Zunge, weil man gleich zu hundert Prozent austesten wollte, was die Großen da so veranstalten und so wie wir das gemacht haben macht man es nicht – definitiv nicht!

Ich will hier aber nicht weiter über meinen ersten Kuss philosophieren oder über meinen zweiten, oder was auch immer, weil es absolut nicht von Bedeutung ist und man mit 12 sowieso viel zu jung für eine ernsthafte Beziehung – jedenfalls in den meisten Fällen, die Ausnahme bestätigt allerdings ja bekanntlich die Regel.

Zurück zum Wesentlichen, meine Ausschweifungen sind wirklich immer unglaublich und führen zu Dingen, die ich so gar nicht vor hatte zu schreiben. Vermutlich werden meine Briefe auch genau deshalb immer so grausam lang.

Jedenfalls... Es gab ein Theaterstück in unserer Schule. Ich war in der 6. Klasse so weit ich weiß, zwölf eben, verknallt in diesen Typen und er war mit einer der Gründe warum ich unbedingt die Hauptrolle spielen wollte. Ich wollte es so sehr, dass ich mich mit meiner damals besten Freundin, natürlich nichts im Gegensatz zu dir, regelrecht zerstritt und es letztendlich schaffte – ich bekam die gewünschte Rolle.

Im Nachhinein bereue ich es zutiefst. Nicht wirklich, dass ich mit gemacht habe, ich habe so einiges daraus gelernt, dazu aber später, vielmehr, dass ich die Hauptrolle lediglich aus Mitleid bekam. Weil ich das erste und einzige Mal in meinem Leben diese komplett bescheuerte Mitleidstour gefahren bin und meiner Lehrerin und all den Klassenkameraden erzählt habe, dass ich jeden Moment sterben kann und dass diese vielleicht meine letzte Gelegenheit ist in einem Theaterspiel mitzuspielen.

Natürlich kann ich jeden Moment sterben, vielleicht war dies mein letztes Theaterspiel, und es war tatsächlich so, allerdings aus ganz anderen Gründen, dennoch, es gibt keinen Grund für diese Mitleidstour.

Mal abgesehen davon, dass ich erst sterbe wenn Gott es will, ist es absolut erbärmlich sich so eine Hauptrolle zu ergattern.

Ich wurde dafür bestraft, aus gutem Grund, ich ekele mich vor mir selbst, wenn ich an meinen damaligen Egoismus denke. Ein solches Verhalten ist einfach nur abscheulich und für mich heute nicht mehr nachzuvollziehen.

Wie dem auch sei, ich durfte spielen, aber schnell habe ich gelernt, dass die Vorstellung auf einer Bühne zu stehen und das Publikum zu begeistern und in seinen Bann zu reisen deutlich von der Realität abweicht.

Ich hatte zu jener Zeit nicht einmal übertrieben viele Krankenhausaufenthalte, in den Proben habe ich relativ selten gefehlt und dennoch hat es nicht geklappt.

Mal abgesehen davon, dass mir das ständige Wiederholen einzelner Szenen bald zu lästig wurde, machte mir besonders das auswendig Lernen zu schaffen.

Selbst wenn meine Lehrer Mitgefühl zeigten, vorzüglich betreffend meiner Krankheit, sollte es letztendlich schon funktionieren und nicht nur sie auch ich hatte einen gewissen Ehrgeiz.

Es ging nicht. Stundenlang bin ich vor meinen Texten gesessen und wusste am nächsten Morgen wieder nicht was ich zu sagen hatte und umso mehr ich mich hineinsteigerte, umso schlimmer wurde es. Manchmal kapierte ich nicht einmal mit einem Souffleur wo genau wir gerade waren, was für eine Szene folgte, geschweige denn welche wir gerade probten.

Es war die Hölle und es ging nicht. Nichts ging in meinen Kopf.

Ich flehte Gott an, doch nichts änderte sich. Wenn ich lernte starrte ich nur auf den Text, der vor meinen Augen verschwamm und ich an alles dachte, aber keinen halben Satz in meinen Kopf hinein bekam.

Hinzu kam, dass ich mir langsam aber sicher Vorwürfe betreffend meiner oben genannten Mitleidstour machte.

Ich begann zu glauben, Gott wolle mich bestrafen und von Tag zu Tag wurde ich verzweifelter und ungehaltener und meine Geduld um zu Lernen nahm dennoch nicht zu, eher ab.

Und schließlich warf ich meine Rolle hin. Übergab sie meiner besten Freundin, wohl eine der besten Entscheidungen meines Lebens.

Die ganze Last fiel von mir ab und mir ging es trotz ein paar Hänseleien immer besser.

Jetzt im Nachhinein schaue ich auf das Geschehene.

Als erstes bin ich unglaublich dankbar dafür, dass Gott mir diese Mitleidstour vergeben hat und ich mir deshalb keine Vorwürfe mehr machen muss und ich kann mich allgemein jeden Tag erneut glücklich schätzen, dass egal was für Fehler ich begehe, wenn ich später einsehe was ich falsch gemacht habe, wenn ich es ehrlich und aufrichtig bereue, dann kann ich zu Gott kommen und um seine Vergebung bitten und er wird mir meine Schuld vergeben. Ein absolut atemberaubendes Gefühl und ich möchte dich bitten liebe Leica, mache dir auch dass immer wieder klar, Gott wird dir deine Schulden vergeben – er liebt dich. Habe keine Angst Fehler zu machen, er ist immer für dich da und unterstützt dich in jeder Situation.

Weiter habe ich gelernt, dass Gott mich nicht bestrafen wollte, indem er verhindert hat, dass ich diesen Text erfolgreich auswendig lernen konnte, es lag an etwas anderem, es lag an meinen Grenzen.

Im letzten Brief habe ich die guten und schlechten Eigenschaften eines jeden Menschen angesprochen und dass die schlechten ebenso wie die guten von Gott gewollt sind und sie uns ausmachen, jeden einzelnen von uns und viel zu oft sehen wir manche Eigenschaften einfach nur als schlecht an, obwohl sie das gar nicht sind. Oft sind da einfach Grenzen, Grenzen die nicht überbrückt werden können, Grenzen die akzeptiert werden müssen und die relativ wenig mit besagten schlechten Eigenschaften zu tun haben.

Ich war mir vollkommen sicher, dass ich es schaffen würde. Auf einer Bühne zu stehen, im Mittelpunkt, umjubelt und Theater zu spielen. Es war vielmehr ein Traum als eine reale Möglichkeit.

Meine Grenzen haben verhindert etwas zu schaffen für was ich sowieso nicht im Stande wäre.

Das Auswendiglernen.

Du kennst mich besser als jeder andere und du weißt dass auswendig Lernen definitiv nicht zu meinen Stärken gehört und das weiß ich in der Zwischenzeit selbst.

Nicht umsonst lerne ich in Englisch schon längst keine Vokabeln mehr, weil ich sowieso eine sechs so oder ähnliches einkassiere.

In Geschichte handhabe ich es mit Eselsbrücken, wortwörtlich lerne ich sowieso nichts auswendig, oft bilde ich mir eigene Sätze, irgendwelche Witze, die ich mir besser merken kann. Es funktioniert gerade so gut, dass ich durch die ganzen auswendig-lern-Fächer mit einer vier, manchmal auch fünf durchkomme.

Dafür habe ich keine Probleme in Chemie oder Physik. Ich muss das Zeug einmal kapieren und dann kann ich es. Mathe ist da ein anderes Thema. Warum weiß ich auch nicht... Mathe hat definitiv zu wenig mit der Realität zu tun und außerdem kannst du es, also kann ich auch abschreiben.

Das nicht auswendig Lernen könne ist definitiv eine Grenze, doch sie hat auch eine Ursache, die ein wenig tiefer geht.

Meine Geduld.

Meine Geduld, ist um es milde auszudrücken nicht vorhanden.

Länger als eine halbe Stunde ruhig zu sitzen ist unmöglich, mit einer der Gründe warum ich von Lehrern ständig Ärger bekomme, weil ich entweder unter dem Tisch lese, mit dir rede oder aufstehe, um ein paar Dehn- oder Kraftübungen zu machen.

Aber hallo wer hat bitte auch festgelegt, dass eine Unterrichtsstunde genau 45 Minuten lang sein muss, wobei ich dahingehend ja sogar noch Glück im Unglück habe, die 60 Minuten in Frankreich würde ich definitiv nicht überleben.

Naja, du kennst mich und du kennst auch meine nicht vorhandene Geduld. Selbst wenn es mir heute nicht so gut geht und ich eigentlich nur im Bett liege, habe ich schon ein komplettes Buch gelesen, mir gefühlte hundert Haartutorials auf YouTube angesehen; obwohl ich nicht einmal mehr so etwas wie Haare besitze was ziemlich absurd ist, es aber dennoch Spaß macht und ich außerdem sowieso nie die Geduld hätte mir irgend so eine aufwendige Hochsteckfrisur zu zaubern; und jetzt in genau diesem Moment schreibe ich deine Brief, habe zwischendurch aber auch schon zwei Pausen eingelegt, einmal zum Duschen und ein zweites Mal um die Musik ganz laut aufzudrehen und zu tanzen. Meine Mum fand das übrigens alles andere als witzig.

Ich schweife schon wieder ab.

Jedenfalls ist mir meine Geduld wirklich ein Dorn im Auge. Nicht nur was das Hausaufgaben machen oder puzzeln angeht, auch Dinge wie Zuhören und geduldig warten kommen zu kurz. Sogar tiefgründige Gedankengänge sind bei mir meist eine Sache von wenigen Sekunden.

Und ja, das sind definitiv extrem große Defizite was meinen Charakter betrifft und ich frage mich nach wie vor, wie du es überhaupt mit mir aushältst, schon seit wir 14 sind und dass sind 4 Jahre und verglichen mit meiner Lebensdauer eine wirklich lange Zeit.

Ich bin also alles andere als perfekt und ich habe meine Grenzen und ich musste, vermutlich wie jeder Mensch, zuerst lernen sie zu akzeptieren, weil das wirklich nicht so leicht ist, denn manchmal fragt man sich schon, warum sich alle so gut konzentrieren können, alle so viel Geduld haben und man selbst nicht, aber das ist okay. Es ist von Gott genau so gewollt und er will, dass wir diese Grenzen akzeptieren, genauso wie er sie akzeptiert, denn nicht alles an uns ist perfekt, aber als Ganzes, als Gesamtpaket sind wir es doch – perfekt!

Und genau deshalb möchte ich dich auffordern, deine Grenzen herauszufinden und zu akzeptieren. Vielleicht zum Beispiel auch, dass du nicht ganz so redegewandt bist, aber das ist in Ordnung, du kannst das durch deine unendliche Geduld und dein Einfühlungsvermögen ausgleichen und außerdem kann man sich mit Gottes Hilfe teilweise doch ein kleines Stückchen ändern, beziehungsweise sich Dinge aneignen, die es einem leichter machen mit beschriebenen Grenzen umzugehen.

Bei mir sind das, als dummes, vielleicht nicht ganz passendes Beispiel, zum Beispiel das nicht Lernen der Englisch Vokabeln oder auch das ausdenken von Witzen und Eselsbrücken für Jahreszahlen und sonstigen unnötigen Scheiß.

Damit wären wir dann wohl auch am Ende angekommen, weil meine Geduld schon wieder schwindet und das hat absolut nichts mit dir zu tun, ich liebe es dir diese Briefe zu schreiben und dennoch... du kennst mich ja...

Denke immer daran, Gott ist bei dir, er hält deine Hand, führt und leitet dich und lässt dich niemals im Stich auch nicht wenn du an den Rand deiner Fähigkeiten kommst und an deine Grenzen stößt.

Sei gesegnet und ganz herzlich umarmt.

Deine Betty

واصل القراءة

ستعجبك أيضاً

40.9K 2.2K 14
Das Vertraute zurückzulassen ist schwer; das erfährt Lynne am eignen Leib, als ihre vermögende Familie kurzerhand auf einen anderen Kontinent auswand...
6.9K 590 26
Eine schöne, entspanne Vorweihnachtszeit - dass ist es was sich Jill dieses Jahr erhofft. Familie und Freunde besamen. Gemeinsam Traditionen erleben...
14.9K 264 10
Ihr wollt eine Geschichte zu einem bestimmten Genre schreiben, doch wisst nicht, wie ihr beginnen sollt? Dann seid ihr hier genau richtig!
scattered thoughts بواسطة witch

القصة القصيرة

13.2K 1.3K 16
,ich bin nicht das, was sie sehen.' Es ist nicht das, was man sieht. Das ist der Beweis.