Kapitel 19 ~ Erkenntnis

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„Sie kannte die Sprache eines anderen Kontinents?", fragt Seonghwa verblüfft und Aurea nickt. Schon komisch, dass eine Rauchgestalt, die sich in ihrem Zimmer aufgehalten hat, so mit ihr kommunizieren möchte, dass sie kaum ein Wort versteht. „Es ergibt einfach keinen Sinn." Kopfschüttelnd sieht Aurea in die Ferne. „Erst spricht sie mich direkt an und dann benutzt sie eine Sprache, von der ich knapp zehn Wörter kenne." Allerdings klang die Stimme vertraut. Aurea kennt sie. Es liegt schon einige Zeit zurück, dass sie sie gehört hat. Dennoch weiß sie ganz sicher, dass sie denjenigen kennt, dem sie gehört.

„Also es gibt einen Zusammenhang zwischen der Rauchgestalt und deiner Mutter", murmelt Freya. „Und deshalb auch Meliana." Aureas Blick schießt zu ihrer Freundin. Meliana? Meliana! Daran hatte sie noch gar nicht gedacht. Sie muss mit Meliana sprechen. Nicht nur deshalb, auch um sich endlich zu bedanken. Bestimmt hätte Aurea nicht so schnell schlafen können, wenn Meliana ihr nicht geholfen hätte.

„Du bist ein Genie!", ruft Aurea aus und springt auf. Sie eilt zur Tür und kehrt dann noch einmal um. Sobald sie vor Freya steht, beugt sie sich zu ihr hinunter, legt ihre kleinen Hände um ihr Gesicht und gibt ihr einen Kuss auf die Stirn. Als sie das Zimmer doch verlässt, verlässt ein ein leises „danke" ihre Lippen, während diese ein Lächeln ziert. Schnell befindet sie sich auf dem Flur und schließt die Tür. 

Doch wo soll sie nach Meliana suchen? Nie hat sie darauf geachtet, wo wer schläft. Wenn sie ehrlich ist, hat sie auch schon vergessen, wie die meisten Zimmer überhaupt aufgeteilt sind. 

Freya und Seonghwa, Sefia und Yeosang, San, Wooyoung und sie selbst. Mehr kennt sie nicht aus ihrem Gedächtnis. Wo könnte Meliana sein? Aurea beschließt, auf jedem Schild nachzusehen. Hat sie Glück, könnte eines der ersten schon das richtige sein.

Nein, das ist es nicht. Das auch nicht, denn es ist ihr eigenes. Aus dem letzten Zimmer auf dieser Seite des Ganges kam sie gerade heraus. Jetzt muss sie auf die andere Seite. Wenigstens weiß sie, dass die hinterste Tür zu Sefia und Yeosangs Schlafraum führt.

Als sie sich zum Namensschild des nächsten Zimmers hinunterbeugt, wird die Tür aufgerissen und Ebony stapft heraus. Sie zischt irgendwas wie „nicht mehr weiter" und eilt wütend davon, ohne die Tür zu schließen. Knapp eine Sekunde lang setzt sie ein höfliches Lächeln auf, um Aurea zu grüßen, die den Gruß kaum schnell genug erwidern kann, bevor sie auch schon verschwunden ist. Kurz wirft Aurea einen Blick in den Raum hinein und sie erkennt Hongjoong, der seine Hände in den Haaren vergraben hat und starr zu Boden blickt. Er wirkt verzweifelt.

Soll sie hineingehen? Ihn trösten, falls er es zulässt? Oder einfach weitergehen? Jetzt weiß sie zumindest, wo sich Melianas Zimmer befindet. Sie könnte einfach so tun, als hätte sie nichts mitbekommen und weitergehen.

Das wird sie nicht. Das bringt sie nicht übers Herz. Zwar kennt sie Hongjoong so ziemlich am wenigsten, aber sie schätzt ihn als freundlich ein. Außerdem würde sie niemanden ignorieren, der so verletzt aussieht.

Kräftiger als erwartet klopft Aurea gegen die geöffnete Tür, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen. „Kann ich dir helfen? Ist irgendwas vorgefallen?", fragt Hongjoong leise und hebt seinen Blick. Seine Augen glänzen und es sieht so aus, als könne er jeden Moment in Tränen ausbrechen, wenn er sich nicht gut genug unter Kontrolle hält.

Es geht ihm so schlecht und dennoch ist er pflichtbewusst wie eh und je. „Danke, mir geht es gut", antwortet Aurea, während sie eintritt und vorsichtig die Tür schließt. „Die Frage ist, ob ich dir helfen kann. Du siehst fertig aus."

Erst weiten sich Hongjoongs Augen vor Schock, dann stößt er höhnisch Luft aus und schließlich nimmt sein Gesicht einen schmerzverzerrten Ausdruck an und er beginnt zu schluchzen. Sein ganzer Körper zieht sich zusammen und er wimmert, um nicht zu schreien. Aurea setzt sich neben ihn. Sie überlegt, ob sie ihn berühren darf oder ob das zu aufdringlich wäre. Zögerlich legt sie ihre Hand auf seine Schulter und spürt, wie er glüht.

❀ endless questions ² || ATEEZWhere stories live. Discover now