Kapitel 3 ~ Ratlosigkeit

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Glücklich dreht Aurea sich in die Richtung der Gäste, da sie aufgrund der Stimme schon vermuten kann, um wen es sich handelt. Sobald sie die Person dann erblickt, erhellt sich ihr Gesichtsausdruck noch mehr und sie geht zügig auf sie zu. „Aurea? Du bist größer geworden, vor drei Jahren hat sich das Umarmen noch anders angefühlt", stellt Sefia lächelnd fest und drückt die Siebzehnjährige danach noch einmal an sich. Dabei kommt es dieser so vor, als spüre sie plötzlich noch mehr Energie, jedoch nicht Sefias. Täuscht sie sich nicht, gleicht sie irgendwie der ihres Vaters. Allerdings ist da noch mehr, sie weiß jedoch nicht, von wem sie stammt - nur, dass es jemand aus dem Jenseits sein muss. Sefia ist ihre Brücke dorthin und als könne sie die Gedanken der Jüngeren lesen, kichert sie fast unhörbar, wodurch sich eine angenehme Wärme in Aurea ausbreitet. „Ja, das ist deine Familie. Sie sind stolz auf dich. Und ich bin es auch", erklärt das Medium und streichelt ihr noch ein letztes Mal über den Rücken, bevor es sanft von ihr ablässt.

Direkt neben Sefia steht Yeosang, der schon ein paar der Anwesenden begrüßt hat und sich nun Aurea zuwendet. Außerdem sind Ebony und Hongjoong zeitgleich mit ihnen angekommen. Nur Meliana fehlt. Überall sieht die Jüngste sich in dem Raum auch nach diesem bekannten Gesicht um, doch sie wird nicht fündig. Komisch. Dabei erinnert sie sich noch daran, wie pflichtbewusst, verantwortungsvoll, genau und, man könnte sagen, sogar ein wenig kalt die jetzt Fehlende war.

San, der sich neben sie gestellt hat, scheint auch verwundert zu sein, weshalb er sich zu ihrem Ohr herunterbeugt und flüstert: „Fragst du dich auch, wo sie bleibt?" Sofort richtet Aurea ihren besorgten Blick auf ihn und nickt; das ist nicht normal.

„Meliana ist im Moment noch mit Maelenn bei meiner Mutter. Es ist etwas ziemlich Unerklärliches vorgefallen und sie wollte zuerst den Rat der Karten und den meiner Mutter einholen. Allerdings wird sie so bald wie möglich ebenfalls hierherkommen", erklärt Sefia ihre Abwesenheit, als hätte sie die Gedanken ihrer zwei Freunde gelesen.

„Dabei nahm sie keinen Schaden, oder? Geht es ihr gut?", erkundigt Freya sich besorgt, während sie unbewusst einen kleinen Schritt in Sefias Richtung geht. Das tut sie oft, wenn sie geschockt von etwas ist. Scheinbar durchströmt sie in solchen Momenten kurzzeitig zu viel Energie, die sie nicht zurückhalten kann. „Ihr geht es gut", entgegnet Sefia ihr daraufhin und wiederholt ihre Aussage danach im Flüsterton.

Die Schwarzhaarige sieht so aus, als denke sie nach. Darüber, ob sie noch etwas Weiteres aussprechen soll. Mit schiefgelegtem Kopf mustert Aurea sie und versucht ihr zurückhaltendes Benehmen zu verstehen; doch sie schafft es nicht. Dazu fehlt ihr einfach noch ein wenig das Feingefühl, die Fähigkeit Menschen und deren Emotionen zu lesen. Es fällt ihr schwer, Andere einzuschätzen und mit ihnen umzugehen, da sie einfach nicht weiß, ob sie etwas Falsches von sich geben könnte.

Das ist auch der Grund, weshalb sie sich, so gut es geht, davor drückt, den Verkauf in der Goldschmiede ausführen zu müssen. Dafür sind größtenteils Seonghwa und Freya zuständig. Meistens nur einer der beiden, außer es ist zu viel Kundschaft vor Ort. San wäre bestimmt auch überdurchschnittlich gut im Vertrieb, doch er verbringt seine Zeit in der Werkstatt und fertigt dort weitere Schmuckstücke an. Für das fühlt Aurea sich auch nicht fähig; was soll sie nur aus ihrem Leben machen? Das fragt sie sich jeden Tag, und bis jetzt kennt sie keine Antwort, obwohl sie schon siebzehn ist und langsam erwachsen werden sollte. Nicht wahr?

„Womöglich könnte dieses Ereignis unser gesamtes Leben beeinflussen. Nicht nur unseres, auch das derer, die am anderen Ende der Welt leben", reißt Sefias Stimme Aurea aus ihren Gedankengängen, weshalb sie etwas verwirrt blinzelt, während sie allmählich in die Realität zurückkommt. „Vor ein paar Tagen, etwas bevor die Einladungen hierherzukommen bei jedem von uns ankamen, machte Meliana nachts eine beunruhigende Entdeckung."

Sofort ertönen aus allen Ecken des Raumes verwunderte Fragen, worum es sich bei dieser ,Entdeckung' handelt und Sefia hat deswegen für ein paar Minuten keine Möglichkeit, ihre Schilderung des Vorfalls weiter auszuführen. Mit der Zeit verstummen diese langsam wieder und jeder wartet gespannt auf genauere Informationen. „Ihr erinnert euch bestimmt an den Schlangenträger, nicht wahr? Meliana wollte auch in dieser Nacht nach ihm Ausschau halten, doch dabei fiel ihr auf, dass irgendetwas anders war. Das Sternbild der Schlange ist nicht mehr vollständig. Serpens Caput ist verschwunden", erzählt Sefia ruhig und löst damit eine weitere Welle von überraschten, zumeist geschockten Gesprächen aus.

„Du willst uns damit sagen, dass eine gesamte Konstellation des Nachthimmels einfach verschollen ist? Sich in Luft aufgelöst hat?", ruft Wooyoung aufgebracht und sieht hilfesuchend seinen Kindheitsfreund an, der ebenfalls auf demselben Wissensstand wie Sefia sein muss und während ihrer Rede des Öfteren genickt hat.

„Ja, leider genau das. Wir wissen nicht, welche Auswirkungen dieser Vorfall haben wird, da so etwas noch nie geschehen ist. Zumindest gibt es keine Berichte darüber. Außerdem färbten sich Melianas Haare in dieser Nacht in ein tiefes Blau, welches aussieht wie der Nachthimmel. Dies wiederum deutet auf einen Zusammenhang zwischen ihr und dem Zwischenfall hin", ergänzt Yeosang und richtet seinen Blick auf seine feste Freundin, sobald er ausgesprochen hat.

Immer noch nicht - nach bereits drei langen Jahren! - kann er sich damit abfinden, dass sie erblinden musste. Bis heute macht er sich Vorwürfe, sie nicht gut genug beschützt zu haben. Deswegen weicht er ihr seitdem so wenig wie möglich von der Seite, versucht immer bei ihr zu sein. Nur, wenn er selbst arbeiten muss, verlässt er sie. Und er wird alles daran legen, dass sich daran nichts ändert. Nie wieder darf ihr etwas so Schreckliches widerfahren.

Der ganze Raum ist verstummt, man hört nichts außer das Atmen der Freunde. Beinahe wirkt es gespenstisch, als wären sie alle allein durch das Wissen über das verschwundene Sternbild erstarrt. Niemand weiß wirklich, wie man mit diesen Informationen umgehen soll, nur Yeosang und Sefia hatten bereits die Zeit das Geschehene zu verarbeiten. Im gleichen Moment wenden sie sich einander zu und haben die Augen aufeinander gerichtet, wobei es dem jungen Mann so vorkommt, als könne seine erblindete Freundin doch sehen. Sie scheint immer zu wissen, wo ihre Aufmerksamkeit gefordert wird. Er ist davon überzeugt, dass irgendjemand sie durch das Leben leitet und ihre Sehkraft ersetzt.

„Und was machen wir jetzt?", erkundigt sich Jongho. „Um alles wieder in den Normalzustand zurückzuversetzen brauchen wir zuerst einmal Meliana und dann einen ausgefeilten Plan. Denn ich weiß ja nicht wie's euch geht, aber ich hab keinen blassen Schimmer, wie man verschwundene Sterne wieder an den Himmel befördert."

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Geht es euch allen gut? Ich hoffe schon ))):
Bitte passt auf euch auf ♡

Außerdem tut es mir sehr leid, dass ich so lange kein neues Kapitel veröffentlichen konnte und wahrscheinlich werden auch in Zukunft die Updates etwas unregelmäßig sein, aber ich gebe mein Bestes!
Danke für eure Unterstützung.

[29.02.20]

❀ endless questions ² || ATEEZWhere stories live. Discover now